Athen hält Versprechen trotz nahender Pleite nicht ein. Bleiben die Dinge bis wie sie sind, dann bekommt Athen keine weiteren Hilfskredite. Indessen naht die Aufstockung des Krisenfonds ESM.
Brüssel. In drei Wochen muss der griechische Staat Schulden im Wert von 14,5 Milliarden Euro zurückzahlen: Geld, das Athen aus eigener Kraft nicht auftreiben kann. Doch obwohl damit erneut der Staatsbankrott auf die Griechen zurollt, enttäuscht die Übergangsregierung unter Ministerpräsident Lukas Papademos ihre Partner. Bleiben die Dinge bis Anfang März, wie sie sind, dann bekommt Athen keine weiteren Hilfskredite.
„Griechenland ist derzeit nicht auf Programmschiene“, warnte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) am Dienstag nach dem Ratstreffen in Brüssel. Die Europäische Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) hätten „einen sehr, sehr kritischen Bericht“ vorgelegt. Er zeige, dass Athen die für ein zweites, 130 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket versprochenen Reformen nicht zufriedenstellend umsetzt. „Das hat zu einer sehr großen Bestürzung bei den anderen Mitgliedstaaten geführt“, fügte Fekter hinzu. „Wir haben derzeit wenig Vertrauen in die griechische Regierung, dass sie die Ankündigungen umsetzt. Was nützen ihnen Steuerbeschlüsse, wenn sie dann die Steuern nicht eintreiben?“
Einigung über Euro-Notfallfonds
Fekter fordert nun ebenso wie der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble eine formelle Selbstverpflichtung aller drei Parteien der Athener Übergangsregierung, auch nach den Wahlen die Versprechen gegenüber den Euroländern und dem IWF einzuhalten. Die Wahl dürfte Anfang April stattfinden; Beobachter der griechischen Innenpolitik sagen, dass die meisten Minister schon seit Wochen so gut wie ausschließlich mit ihrem Wahlkampf beschäftigt seien.
In einer anderen Ecke der europäischen Finanzgroßbaustelle gibt es hingegen Fortschritte. Die Finanzminister der Eurozone einigten sich bereits in der Nacht auf Dienstag darauf, wie der dauerhafte Euro-Notfallfonds ESM nun aussehen soll. Er wird bereits in diesem Juli seine Geschäfte aufnehmen, also ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Die wohl wichtigste Änderung gegenüber der EFSF: In Notfällen können die Finanzminister der Euroländer Entscheidungen über die Vergabe von ESM-Mitteln mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Bei der EFSF gilt Einstimmigkeit. Das hat bereits mehrfach die Entscheidungsfindung wesentlich verzögert.
Offen ist, ob der ESM mehr Geld erhält. IWF-Chefin Christine Lagarde appellierte am Dienstag im Deutschland-Radio an die Euroländer, den ESM von derzeit geplanten 500 Milliarden Euro aufzustocken; einen Betrag nannte sie nicht. In Wien scheint man sich uneinig zu sein, ob man mehr einzahlen will oder nicht. „Das unterstütze ich“, sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) auf die Frage, was er von einer Ausweitung auf 750 Milliarden Euro halte. Fekter hingegen sagte, dass es „in einigen Mitgliedstaaten parlamentarisch große Schwierigkeiten gibt, zusätzliche Mittel für den ESM bereitzustellen“. Die deutsche Regierung zum Beispiel kann im Bundestag nur auf eine sehr wackelige Koalition für so ein Ansinnen setzen. Allerdings sei es möglich, sagte Fekter, die verbleibenden EFSF-Mittel in den ESM überzuführen. „Daher gehen wir von 500Milliarden sowie dem aus, was übrig bleibt.“
Fiskalpakt wird Chefsache
Entgegen ihrer Pläne erzielten die Finanzminister keine Einigung über den neuen Fiskalpakt. Vor allem die Frage, ob Einstimmigkeit für sein Inkrafttreten nötig ist oder es reicht, dass ihn zwölf der 17 Euroländer ratifizieren, entzweit die Staaten. Nun sollen die Staats- und Regierungschefs am kommenden Montag entscheiden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2012)