Griechen-Krise: EZB drohen 15 Milliarden Euro Verlust

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Die Europäische Zentralbank (EZB) wehrt sich verbissen dagegen, in die griechische Umschuldung, über die der internationale Bankenverband IIF und Athen verhandeln, einbezogen zu werden. Doch die Zeit läuft.

Brüssel. Am Freitagnachmittag war es den Chefs der Europäischen Zentralbank dann doch zu bunt: Angesichts der immer lauter werdenden Spekulationen darüber, ob nicht auch die EZB und die Euroländer im Zug des Schuldenerlasses für Griechenland Verluste in Kauf nehmen müssten, erklärte das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen der Nachrichtenagentur Reuters, die Abkürzung „PSI“ stehe „bekanntermaßen für 'private sector involvement'. Die EZB und das Eurosystem sind klar nicht privat. Es liegt an Griechenland, in Verhandlungen mit den privaten Gläubigern rasch die Parameter eines Anleihenumtausches so zu wählen, dass die Schuldentragfähigkeit gewährleistet ist.“

J. P. Morgan rechnet nüchtern

Die angesprochenen privaten Gläubiger hingegen erwarten mittlerweile fest, dass auch die EZB zum Handkuss kommt. So rechnet die US-Großbank J. P. Morgan in einem Papier vom 20. Jänner mit rund 15 Milliarden Euro Verlust. Dieser Betrag ergebe sich laut J. P. Morgan so: Die EZB habe derzeit griechische Anleihen über schätzungsweise rund 50 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen, die sie am Sekundärmarkt um 40 Milliarden Euro gekauft habe. Sprich: Der Marktwert dieser Bonds betrug nur mehr 80 Prozent des ursprünglichen Werts.

Die Umschuldung, über die der internationale Bankenverband IIF und die griechische Regierung seit Wochen verhandeln und die an diesem Wochenende beschlossen werden soll, sieht vor, dass jeder private Halter einer Anleihe für jeden Euro neue, 30-jährige Anleihen zum Nennwert von 35 Cent sowie 15 Cent in bar erhält. So errechnet sich der Forderungsverzicht von 50 Prozent, der dazu führen soll, dass die griechische Staatsschuldenquote bis zum Jahr 2020 von derzeit weit mehr als 160 Prozent auf 120 Prozent fällt.

Wenn nun also die EZB bei der Umschuldung im Tausch für jede ihrer ohnehin schon um 20 Prozent abgewerteten griechischen Anleihen 50 Cent Entschädigung erhält, hat sie unter dem Strich einen Verlust von 30 Prozent, rechnen die Ökonomen von J. P. Morgan vor. Und 30 Prozent von 50 Milliarden sind 15 Milliarden.

„EZB sollte Teil des Deals sein“

Zsolt Darvas vom Brüsseler Forschungsinstitut Bruegel hält diese Zahl für realistisch. „Ich denke, dass die EZB Teil des Deals sein sollte“, sagte er am Freitag zur „Presse“. „Denn wenn sie nicht einbezogen wird, hieße das, dass sie stets einen bevorzugten Gläubigerstatus hätte, wenn sie Anleihen von Spanien oder Italien kauft. Und dann wären die Investoren sehr zurückhaltend, solche Bonds zu kaufen, weil sie damit rechnen müssten, dass die EZB bevorzugt behandelt wird.“

Europas Politiker schließen dieses Szenario derzeit noch klar aus. Fürs Erste werde es keine Umschuldung von weiteren Euroländern geben, im Zuge derer die privaten Gläubiger zum Handkuss kommen. Das machten die Staats- und Regierungschefs der Euroländer Anfang Dezember deutlich, als sie die Grundzüge des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland beschlossen, zu dem nicht nur 130 Milliarden Euro an neuen Krediten, sondern auch der eingangs geschilderte Schuldentausch gehört. Doch schon bald wird die Frage, ob eine Anleihe in den Büchern der EZB mehr wert ist, als wenn sie bei einer Geschäftsbank verbucht ist, wieder die Europäer beschäftigen. Denn künftig müssen alle Euroländer sogenannte „Collective Action Clauses“ in die Verträge über ihre Staatsanleihen aufnehmen. Das sind international übliche Vertragsklauseln, die den Fall einer Zahlungsunfähigkeit regeln. Gelten die dann auch für die Anleihen, die die EZB kauft? Eine offene politische Frage.

Verlust wäre leicht verkraftbar

Ein Verlust von 15 Milliarden Euro wäre für die EZB bei einer Bilanzsumme von 2,7 Billionen Euro unschön, aber wohl ohne Nachschusspflicht der nationalen Notenbanken zu meistern; zudem hat sie Ende 2010 eine Kapitalerhöhung erhalten. Doch die Abwertung der griechischen Anleihen bereitet der Bank noch ein anderes Problem, sagt Karel Lannoo vom Centre for European Policy Studies zur „Presse“. Sie nimmt nämlich von den Geschäftsbanken Bonds als Sicherheit für die Bereitstellung von Geld entgegen. Wenn die Bonds am Markt an Wert verlieren, müsste die EZB ihren eigenen Statuten gehorchend die Banken darum bitten, mehr Sicherheiten zu hinterlegen. Doch ob die EZB solche „Margin Calls“ gemacht hat, weiß nur sie selbst: „Über dieser Frage brüte ich seit zwei Jahren“, sagt Lannoo. „Wenn ich frage, heißt es immer: Lesen Sie unsere Statuten.“

Auf einen Blick

Wer kommt zum Handkuss? Noch an diesem Wochenende soll sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern über eine Umschuldung einigen. Die Banken und Fonds sollen auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten, was einschließlich niedrigerer Zinszahlungen über die gesamte Laufzeit bis zu 70 Prozent Verlust bedeuten dürfte.

EZB und Euroländer nehmen derzeit nicht an dieser Umschuldung teil, obwohl auch sie Gläubiger Griechenlands sind. Doch nun mehren sich die Stimmen, dass zumindest die EZB mitziehen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2012)

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