Schuldenkrise in Griechenland: Die Zeit läuft ab

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Merkel und Sarkozy warnen: Wenn Athen sein Budget nicht unter EU-Kuratel stellt, gibt es keine neuen Kredite. Obwohl Griechenland spätestens am 20. März zahlungsunfähig ist, kommen die Verhandlungen nicht voran.

Paris/Brüssel. Wieder einmal hat sich Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel durchgesetzt: Griechenland wird ab sofort nur mehr dann Geld von den anderen Euroländern erhalten, wenn seine gesamten Staatseinnahmen über ein neues Sonderkonto laufen, das zur Tilgung der bisherigen Hilfskredite dient. Die Rückzahlung der Schulden gegenüber den Euroländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommt also Vorrang gegenüber der Bezahlung der griechischen Beamtengehälter und sonstigen laufenden Staatsausgaben. Das soll den nötigen Spar- und Reformdruck von innen aus der griechischen Gesellschaft her erzeugen, der in der mittlerweile seit zwei Jahren andauernden griechischen Schuldenkrise gefehlt hat.

„Ich unterstütze die Idee, dass man die notwendigen Zinszahlungen für die Schulden auf ein Extrakonto legt, womit gesichert ist, dass Griechenland dieses Geld dann auch beständig bereitstellt“, sagte Merkel am Montag in Paris anlässlich einer deutsch-französischen Regierungssitzung, und sie sprach damit einen Vorschlag an, den Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy soeben gemacht hatte.

Vorrang für das Schuldenzahlen

In Wahrheit stammt die Idee mit dem Sonderkonto jedoch nicht von Sarkozy, sondern aus dem deutschen Finanzministerium. Dieses hat pünktlich zum jüngsten informellen EU-Gipfeltreffen am 30. Jänner in Brüssel ein sogenanntes „Nichtpapier“ verfasst, das mit der deutschen Forderung nach einem „Sparkommissar“ für Griechenland, der gleichsam die hellenische Fiskalpolitik an sich reißen sollte, für Empörung in Athen gesorgt hat.

In der medial verstärkten Aufregung um den „Sparkommissar“ ging aber die erste deutsche Forderung des schmalen, zweiseitigen Papiers unter, welches der „Presse“ vorliegt: „Absolute priority to debt service“ – zu Deutsch: absoluter Vorrang für den Schuldendienst. Das griechische Parlament müsse ein Gesetz beschließen, wonach „Staatseinnahmen zuvorderst für den Schuldendienst zu verwenden sind und nur etwaige verbleibende Einnahmen für die Primärausgaben verwendet werden dürfen“. Das werde die privaten und staatlichen Gläubiger Athens davon überzeugen, dass „die Hellenische Republik ihre Zusagen nach der Beteiligung der Privatgläubiger einhält“.

Die Beteiligung der Privatgläubiger: Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für die Abwendung einer ungeordneten griechischen Staatsinsolvenz, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf andere Euroländer mit wackeligen Staatsfinanzen übergreifen würde, allen voran Portugal, Spanien und Italien. Damit Griechenland im Jahr 2020 die heutige Staatsschuldenquote von 160 Prozent seiner Wirtschaftsleistung auf tragbare 120 Prozent senken kann, sind die Banken und Versicherungen im Prinzip bereit, auf 50 Prozent des Nennwerts ihrer Forderungen zu verzichten. Sie würden zu diesem Zweck ihre alten in neue Staatsanleihen mit längerer Laufzeit und niedrigerer Verzinsung tauschen. IWF und Euroländer bestehen auf einem Zinssatz von höchstens vier Prozent, damit Griechenland nicht trotz Umschuldung bald wieder die Schuldenraten davongaloppieren. Stimmen Griechenlands Gläubiger dem zu und verzichten sie damit auf Zinserträge, beträgt ihr Verlust bereits mehr als 70 Prozent.

Griechenlands Zahltag naht

Doch obwohl Griechenland ohne neue ausländische Hilfen spätestens am 20. März zahlungsunfähig ist, weil es die dann fälligen Altschulden von 14,5 Milliarden Euro aus eigener Kraft nicht begleichen kann, kommen die Verhandlungen in Athen nicht voran. Denn die griechische Regierung kommt nicht nur mit ihren Gläubigern auf keinen grünen Zweig, sondern weigert sich fürs Erste auch, die Spar- und Reformmaßnahmen einzuführen, welche die „Troika“ aus IWF, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank als Bedingung zur Freigabe von 130 Milliarden Euro an neuen Hilfen formuliert hat. „Solange die notwendigen Beschlüsse nicht gefasst sind, werden keine Mittel freigegeben“, drohte Sarkozy am Montag – und Merkel pflichtete ihm fast wortgleich bei. „Die Zeit drängt, und deshalb muss schnell etwas geschehen.“

Auf einen Blick

Bei einem Treffen in Paris mahnten Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Athener Regierung, die Sparvorgaben der Troika bestehend aus EU, IWF und EZB einzuhalten. Nach dem Willen von Paris und Berlin soll ein Sonderkonto errichtet werden, in welches die staatlichen Einnahmen Griechenlands fließen. Dieses soll sicherstellen, dass Athen seine ausländischen Schulden künftig vorrangig bedient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2012)


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