Sparplan fix: Griechenlands Insolvenz abgewendet

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Die politischen Parteien stimmen widerwillig den Forderungen der Euroländer und des IWF zu. Damit ist der Weg für 130 Milliarden Euro neuer Hilfskredite nun endlich frei.

Brüssel. Um 14.22 Uhr dürfte am Donnerstag ein kollektiver Stoßseufzer durch Regierungskanzleien in ganz Europa gezogen sein. Da berichtete nämlich die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich die drei führenden griechischen Parteien geeinigt hatten, dem harten Sparprogramm zuzustimmen, das die anderen Euroländer und der Internationale Währungsfonds (IWF) zur Bedingung für ein zweites, 130 Milliarden Euro schweres Hilfsprogramm gemacht hatten. Somit ist Griechenlands Insolvenz fürs Erste abgewendet.

„Vor ein paar Minuten habe ich einen Anruf des griechischen Premierministers erhalten, wonach ein Abkommen erzielt ist und von allen Hauptparteien unterzeichnet wurde“, sagte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) nach der Sitzung des EZB-Rates. Draghi nannte keine Details, ebenso wenig wie Griechenlands Ministerpräsident Lukas Papademos, der die Einigung der Parteispitzen auf das neue Sparprogramm lediglich bestätigte. Angesichts der Sitzung der Eurogruppe gebe es eine Einigung. Der letzte Stolperstein, nämlich eine Pensionskürzung um rund 300 Millionen Euro, dürfte allerdings beseitigt sein.

EZB lässt Beteiligungsfrage offen

Wenige Stunden vor einem Treffen der Euro-Gruppe, also der Finanzminister der Euroländer, am Donnerstagabend in Brüssel stellte Draghi aber klar, dass die EZB sich an der Umschuldung Athens nicht beteiligen werde. „Sie können sicher sein, dass all dieses Gerede darüber, dass die EZB an den Verlusten teilnimmt, unbegründet ist. Die Idee, dass die EZB dem Programm Geld zur Verfügung stellt, würde das Verbot der monetären Finanzierung verletzen.“

Damit spielte Draghi auf das Verbot der Finanzierung von staatlichen Budgets durch die Zentralbanken an. Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU besagt, dass die EZB weder den Euroländern noch „sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ Kredit gewähren oder direkt von ihnen Schuldtitel wie zum Beispiel Staatsanleihen erwerben dürfen.

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Der EZB-Präsident wischte auch jene seit einiger Zeit ihre Runden drehende Überlegung vom Tisch, die EZB könne ihre griechischen Staatsanleihen im Buchwert von rund 55 Milliarden Euro einfach dem Euro-Rettungsvehikel EFSF verkaufen, der selbige Anleihen dann großteils abschreiben würde. „Der EFSF ist wie Regierungen. Wenn man Regierungen Geld gibt, ist das monetäre Finanzierung. Wenn man einen Verlust beim Verkauf macht, ist das monetäre Finanzierung.“

Allerdings ließ Draghi eine interessante Frage offen: nämlich jene, ob die EZB es auch als rechtswidrig ansehen würde, zugunsten der Euroländer auf einen Teil ihres jährlichen Gewinns zu verzichten: „Wenn die EZB einen Teil ihrer Gewinne an ihre Mitglieder verteilt, ist das nicht monetäre Finanzierung.“

Damit hat der EZB-Chef jene Forderung der Griechen für rechtlich zulässig erklärt, wonach die EZB auf rund zwölf Milliarden Euro Gewinn verzichten solle, die ihr aus den Zinscoupons der griechischen Anleihen erwachsen.

Und das bedeutet, dass auch die Einigung der Athener Regierung mit ihren Privatgläubigern auf Umfang und Modalitäten der Umschuldung demnächst nach langem Bangen beschlussreif ist. In Grundzügen wird diese Einigung so aussehen: Die privaten Gläubiger bekommen für jede alte griechische Anleihe pro einem Euro einen neuen griechischen Schuldschein mit längerer Laufzeit im Wert von 35 Cent und zusätzlich 15 Cent in bar. Damit wird der Nennwert der privaten Forderungen halbiert, doch weil Griechenland für diese neuen Bonds deutlich niedrigere Zinsen zugesprochen bekommt, wird der Verlust der privaten Anleger vermutlich mindestens 70 Prozent betragen.

Anleger scheuen Griechen-Bonds

Derart teilweise entschuldet soll Griechenland in ein paar Jahren auf den Finanzmärkten wieder mit Vertrauen begegnet werden – Vertrauen, das fast komplett flöten gegangen ist, wie eine Studie des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel zeigt: Seit Beginn der Krise haben die ausländischen privaten Investoren die Hälfte ihrer griechischen Anleihen abgestoßen (siehe Grafik). Diese fast wertlosen Bonds liegen nun bei griechischen Banken – und bei der EZB. „Wir haben keinen Plan B“, sagte deren Präsident Draghi. „Ein Plan B würde nämlich die Niederlage bedeuten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2012)


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