Ökonomen-Kritik: "Griechen sparen sich tot"

GREECE ECONOMIC CRISIS
GREECE ECONOMIC CRISIS(c) EPA (Simela Pantzartzi)
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Wachstumsprogramm statt Sparpaket: Renommierte US-Ökonomen, aber auch deutsche Experten, fordern von der Eurozone einen radikalen Strategiewechsel.

Weitere Milliarden-Hilfen und ein radikales Sparpaket sollen Griechenland vor der drohenden Staatspleite retten (mehr dazu ...). Dies ist nach Einschätzung vieler Ökonomen der falsche Weg: "Die Griechen kommen so auf keinen grünen Zweig. Sie sparen sich tot", sagte etwa der deutsche Bankenexperte Wolfgang Gerke der "Passauer Neuen Presse". Die Risiken eines Staatsbankrotts und eines Euro-Austritts dürfe man zwar nicht vernachlässigen. Aber: "Es wird noch viel schlimmer kommen, wenn man die Pleite verschiebt. Der Fall Griechenland wird immer teurer werden", so Gerke. Daher brauche Griechenland einen radikalen Schnitt und eine eigene Währung.

Auch ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hält neue milliardenschwere Unterstützung für falsch: "Der Plan, Griechenland im Euro radikal zu sanieren, ist illusionär", sagte Sinn "Spiegel Online". Vielmehr sollten die Euro-Staaten Athen das Geld geben, um den Austritt aus der Währungsunion zu erleichtern. Das Land könnte mit dem Geld die Banken verstaatlichen und den Staat vor dem Kollaps bewahren. Das Land müsse wieder wettbewerbsfähig gemacht werden. Bedingung dafür sei der Euro-Austritt. "Weil griechische Produkte schlagartig billiger würden, würde die Nachfrage umgelenkt, weg vom Import und hin zu eigenen Waren. Die Griechen würden ihre Tomaten und ihr Olivenöl dann nicht mehr aus Holland und Italien, sondern von den eigenen Bauern kaufen." Auch durch Touristen käme wieder mehr Geld ins Land.

»"Die griechische Wirtschaft brauchte von Anfang an ein Wachstumsprogramm - das sie jedoch nie bekommen hat."«

Dani Rodrik (Harvard University)

Nicht nur deutsche Experten, auch US-Ökonomen kritisieren die strengen Sparauflagen: "Die griechische Wirtschaft brauchte von Anfang an ein Wachstumsprogramm - das sie jedoch nie bekommen hat", sagte etwa Dani Rodrik von der Harvard University im Gespräch mit der "Financial Times Deutschland".

Besonders den Mangel an Krediten sehen Ökonomen mit Sorgen. "Zuallererst braucht es ein Programm, das Liquidität in den kollabierten Bankensektor bringt", sagte Jeffrey Sachs von der Columbia University zur FTD. "Die deutsche Regierung fokussiert bei ihren Forderungen allein auf die Haushaltspolitik - ohne zu verstehen, dass die griechische Wirtschaft derzeit zugrunde geht, aus Mangel an Krediten für kleine und mittlere Firmen."

Um mehr Wachstum zu schaffen seien vor allem schnelle Verbesserungen der Rahmenbedingungen nötig. "Das Land braucht an sich nicht eine bessere Infrastruktur, vielmehr muss eine effiziente öffentliche Verwaltung aufgebaut werden", so Markus Brunnermeier, Professor in Princeton. "Was Griechenland braucht, ist eine Runderneuerung seiner institutionellen Strukturen", sagte auch Thomas Mayer, Chefökonom der Deutschen Bank, der FTD. Um kurzfristig mehr Wachstum zu schaffen, sehen andere Experten aber auch Deutschland in der Pflicht. Charles Wyplosz, Professor am Graduate Institute in Genf plädiert etwa für Konsumschecks für private Haushalte.

Griechenland befindet sich laut Regierungschef Lucas Papademos in der "schlimmsten Rezession" seiner Geschichte. Im Vorjahr sank die Wirtschaftsleistung um 5,5 Prozent. 2012 wird das fünfte Jahr in Folge sein, in dem die Wirtschaft schrumpft.

>>> PRO: Nur die Drachme rettet Griechenland

>>> CONTRA: Euro-Austritt hätte fatale Folgen

(Ag./Red.)

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