EZB: "Das ist mehr als Schlamperei, das ist Betrug"

(c) Dapd (Thomas Lohnes)
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Mit ihrer Flucht vor dem Schuldenschnitt verunsichert die EZB die Investoren. Anleihentausch ermöglicht der EZB nun, auch bei einem erzwungenen Schuldenschnitt unbehelligt zu bleiben.

Wien. Langsam lichtet sich der Wald an Erklärungsmustern für den desolaten Zustand der Eurozone, ja der Weltwirtschaft. Und immer mehr Beobachter kommen zu einem neuartigen Schluss. Nicht die unsichtbare Hand der „Märkte“ und „Spekulanten“ steuert das traurige Geschehen, sondern die sehr sichtbare Hand der Politik und der Notenbanken. So schreibt Bob Janjuah, Analyst bei Nomura, in seinem Newsletter: „Die Anleihen- und Währungsmärkte werden jetzt so stark manipuliert, dass ich keine aussagekräftige Analyse mehr abliefern kann.“

Vergangenes Wochenende hat die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt ein Manöver abgezogen, das es so noch nie gegeben hat. Sie ließ die griechischen Staatsanleihen in ihrer Bilanz mit einer neuen Wertpapierkennnummer versehen. Der Grund: Griechenland steht ein Schuldenschnitt bevor. Die bisherigen Versuche des Landes, seine Gläubiger zu einem freiwilligen Verzicht zu bewegen, sind nicht zuletzt an der EZB gescheitert. Man könne keine Verluste hinnehmen, weil das einer (verbotenen) Staatsfinanzierung durch die Notenpresse gleichkäme, hieß es dazu stets aus Frankfurt. Der Anleihentausch ermöglicht der EZB nun, auch bei einem erzwungenen Schuldenschnitt unbehelligt zu bleiben. Das Argument der EZB bleibt das alte: Dies geschehe nur, um nicht in den Verdacht unerlaubter Staatsfinanzierung zu kommen.

200 Mrd. Euro in den EZB-Büchern

Man kann diesen Anleihentausch aber auch als neuestes Glied in einer Kette von Verzweiflungstaten sehen – in deren Mittelpunkt der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB steht. Die EZB hält aktuell rund 50Mrd. Euro an Hellas-Anleihen und 150Mrd. Euro an Anleihen weiterer Eurostaaten, die Probleme mit der Refinanzierung ihrer Schulden an den Märkten haben. Heißt: Die EZB finanziert längst Staaten via Notenpresse. Auch wenn dieses Programm als „Nicht-Standard-Maßnahme“ offiziell zeitlich begrenzt und eingeschränkt ist – die Taten sprechen lauter als das „Wording“.

„Schon dieses Anleihenkaufprogramm ist rechtswidrig“, sagt der Berliner Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber. „Damit ist die EZB zu einer Spielmacherin der Wettbewerbsverfälschung an den Märkten geworden.“ Der Anleihentausch sei ein weiterer Schritt in die falsche Richtung. Den griechischen Schuldenschnitt muss die Zentralbank unbedingt umgehen, weil sonst eine Rekapitalisierung der EZB durch die Staaten notwendig werden könnte. Simpel gesagt: Die EZB wäre pleite.

Der Weg, den man jetzt gewählt hat, ist aber auch gefährlich. Die EZB hat sich durch den Anleihentausch zum „Gläubiger erster Klasse“ befördert. „Damit degradiert die EZB nicht nur die Halter von griechischen Anleihen, sondern alle Halter von Anleihen der Euroländer“, sagte Bill Gross, Chef des weltgrößten Anleiheninvestors Pimco.

„Die EZB hat die Büchse der Pandora geöffnet“, schreibt der Autor Mark J. Grant in einem Kommentar. Denn: „Wenn die EZB für sich beansprucht, ein besonderer Gläubiger zu sein, werden die übrigen Gläubiger in Zukunft höhere Risikoaufschläge verlangen“, sagt Markus C. Kerber. Das könnte wiederum bedeuten, dass die EZB in Zukunft selbst noch mehr Staatsanleihen von Ländern wie Italien und Spanien kaufen muss, um die Zinsen zu drücken. Die EZB ist jetzt also auf der Flucht vor sich selbst – die Anleihenkäufe müssen weitergehen. „Das ist mehr als Schlamperei, das ist Betrug“, sagt Kerber. „Der Ankauf von Anleihen ist platte Fiskalpolitik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

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