Wie „freiwillig“ ist der Schuldenschnitt?

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Eine „freiwillige“ Umschuldung Griechenlands würde die Auszahlung von Kreditausfallversicherungen wohl verhindern. Die Folge könnten steigende Zinsen für die Anleihen von Italien, Spanien oder Portugal sein.

London. Über den Bemühungen um die Rettung Griechenlands schwebt derzeit neben der ökonomischen Erholung des Landes noch ein weiteres Fragezeichen. Was würde ein Übereinkommen mit privaten Gläubigern, die auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten sollen, bedeuten? Griechische Staatsanleihen im Wert von 200 Mrd. Euro sollen möglichst rasch in neue Papiere umgetauscht werden, die nur noch halb so viel wert sind. Die genauen Konditionen werden derzeit noch verhandelt.

Staatsfinanzierung wird teurer

Eines der Schlüsselwörter in diesem Zusammenhang lautet „freiwillig“. Wird der Umschuldungsdeal offiziell als freiwillig bezeichnet, hätte dies womöglich gravierende Folgen für jene Anleger, die ihre Staatsanleihen mit sogenannten Credit Default Swaps (CDS) gegen Zahlungsausfall abgesichert haben. Diese „Versicherungen“ würden dann nicht ausgezahlt werden. Das Vertrauen in CDS würde radikal sinken – und Kredite könnten dann wieder teurer werden.

Die Zeit drängt: Am 20.März stehen der Regierung neue Rechnungen in Höhe von 14,5 Mrd. Euro ins Haus. Können diese nicht bezahlt werden, ist die Pleite besiegelt. Das Institute of International Finance (IIF), das stellvertretend für die betroffenen Unternehmen mit der griechischen Regierung verhandelt, ist allerdings zuversichtlich, dass es eine rechtzeitige Einigung gibt.

Aber nicht alle, die Griechenland Geld geliehen haben, erwarten diesen Abschluss mit Freude. Denn mit Credit Default Swaps, oder Kreditausfallversicherungen, sichern sich Banken und andere Finanzinstitute, die Staatsanleihen kaufen, in der Regel bei einer dritten Partei gegen den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab. Der Käufer einer derartigen Versicherung zahlt eine Gebühr, damit er im Pleitefall seines Schuldners die versicherte Summe ausgezahlt bekommt. Allerdings ist nicht ganz klar, wann der Versicherungsfall tatsächlich eintritt.

In der Causa Griechenland hat die International Swaps and Derivates Association (ISDA), die verantwortliche Handelsorganisation für außerbörslich gehandelte Derivate, bekannt gegeben, dass sie ein Abkommen zwischen Griechenland und privaten Gläubigern wohl als freiwillig anerkennen würde. Auch dann, wenn es dabei „viel Armdrücken“ gäbe. Das würde bedeuten, dass entsprechende Kreditausfallversicherungen nicht ausgezahlt werden müssten. Erfreulich ist das für jene Institute, die Griechenland-CDS ausgegeben haben, und ungünstig für jene, die sie kauften.

Ungünstig wäre es aber auch für das Produkt an sich. Zahlreiche Repräsentanten aus der Finanzbranche schätzen, dass das Ausbleiben einer Auszahlung CDS-Produkte grundsätzlich unglaubwürdig machen könnte. Denn einen klareren Pleitefall als den Griechenlands können sich viele kaum vorstellen.

Viele sehen daher auch jene Unternehmen bestraft, die versuchten, sich gegen Risken abzusichern. Peter Tchir, Gründer des Hedgefonds TF Market Advisors, sagte nun, man wolle intensiv nach neuen Lösungen für den Umgang mit den Risken von Kreditausfällen suchen.

Drei Mrd. Euro Versicherungen

Laut der ISDA sind derzeit Kreditausfallversicherungen auf griechische Anleihen in Höhe von knapp drei Mrd. Euro abgeschlossen. Würden diese nicht ausgezahlt werden, könnte auch das Vertrauen in Versicherungen für Spanien, Italien und Portugal fallen. Da Banken dann keine glaubwürdigen Absicherungen für Kreditvergaben sähen, könnten zu zahlende Zinsen auf Staatsanleihen weiter steigen.

Fraglich ist allerdings, ob die internationalen Ratingagenturen die „Freiwilligkeit“ des Schuldenschnitts anerkennen. Moody's-Manager Bart Oosterveld erklärte kürzlich, er könne nicht erkennen, wie ein Schuldenschnitt von 50 Prozent von irgendjemandem als freiwillig beurteilt werden könnte. Sollten die Ratingagenturen auf „Default“ plädieren, dann würden die Versicherungen schlagend.

Dass Credit Default Swaps gänzlich nutzlos werden, versucht die ISDA unterdessen zu verneinen. In einem Statement äußert der Verband: „Es war immer klar, dass die Definition von Umschuldung nicht alle möglichen Ereignisse beinhalten kann.“

Würde ein Gläubiger sich den aktuellen Verhandlungen verweigern, behalte er seinen Anspruch auf Auszahlung. Allerdings wird auch dies mittlerweile angezweifelt. In den gegenwärtigen Verhandlungen könnten Klauseln integriert werden, die den Widerstand einzelner Gläubiger ausschließen.

Auf einen Blick

Der Schuldenschnitt für Griechenland könnte das Finanzinstrument Credit Default Swap (CDS, das ist eine Art Kreditausfallsversicherung) schwer ramponieren: Behält der „Haircut“ für die privaten Gläubiger das Prädikat „freiwillig“, dann träte der „Versicherungsfall“ nicht ein. Fazit: viele „Institutionelle“ müssten Griechen-Anleihen abschreiben, obwohl sie sich gegen Zahlungsausfall versichert hatten. Experten fürchten nun, dass dies das Ende des Finanzinstruments CDS wäre - und dass Kredite für Staaten dadurch wieder deutlich teurer würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2012)

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