Heftige Kritik an Entscheidung zu CDS

Heftige Kritik Entscheidung
Heftige Kritik Entscheidung(c) AP (Petros Giannakouris)
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Der Branchenverband ISDA sieht den Schuldenschnitt nicht als "Kreditereignis". Nun besteht die Gefahr, dass Anleger künftig ihre Finger von griechischen Anleihen lassen.

London/Wien/Lill/Stef. Dass Versicherungen auf griechische Staatsanleihen zunächst nicht ausbezahlt werden, wird in der Finanzbranche heftig kritisiert. Die International Swaps and Derivatives Association (ISDA), die verantwortliche Handelsorganisation für außerbörslich gehandelte Derivate, sieht den beschlossenen Schuldenschnitt nicht als „Credit Event“, wie der Pleitefall eines Gläubigers genannt wird. Deshalb werden entsprechende Credit Default Swaps (CDS) vorerst nicht ausgezahlt – obwohl private Gläubiger einen Verlust von voraussichtlich mehr als 70 Prozent werden hinnehmen müssen.

Absicherung kaum noch möglich

„Der Markt für Kreditversicherungen könnte leiden, weil Unternehmen, die sich gegen Risken abgesichert haben, in Schwierigkeiten geraten könnten“, sagte Michael Hampden-Turner von der US-Großbank Citi. Paul Griffiths vom Vermögensverwalter Aberdeen Asset Managers erklärt: „Das Produkt CDS als Absicherung gegen Risken hat erheblichen Schaden erlitten.“ Schließlich könne man nicht mehr kalkulieren, wie viel Geld von der Versicherungssumme im Pleitefall des Gläubigers ausgezahlt würde – falls überhaupt etwas ausbezahlt werde.

Jim Leaviss, der den Anleihenbereich des englischen Investmentfonds M&G leitet, sagte, die Entscheidung der ISDA könnte sich allerdings noch drehen und griechische CDS könnten zu einem späteren Zeitpunkt schlagend werden. „Aber wenn die Versicherungen auch in Zukunft nicht ausgezahlt werden, wäre dies negativ, sowohl für die künftige Existenz des CDS-Marktes für Staaten als auch für die Preise von Staatsanleihen.“ Leaviss meinte zudem, auch wenn Investoren herbe Verluste eingestrichen hätten, seien die wahren Verlierer die Menschen in Griechenland. So könnte es sein, dass Anleger künftig ihre Finger von griechischen Staatsanleihen lassen. Weil eine sinnvolle Absicherung nicht mehr möglich scheint, könnten sie ihr Geld woanders anlegen.

Nicht zuletzt deshalb wird trotz aller Beteuerungen der Politik eine baldige offizielle Staatspleite Griechenlands in der Finanzbranche nach wie vor für wahrscheinlich gehalten. Michael Krautzberger, Leiter des europäischen Anleihengeschäfts des Hedgefonds Blackrock, erwartet, dass Griechenland in Kürze von allen Ratingagenturen formal als notleidend erklärt wird. Dann könnte auch die ISDA ihre Entscheidung nochmals überdenken.

Verletzung der Menschenrechte?

Sollte das nicht der Fall sein, halten sich Hedgefonds weltweit nach wie vor die Möglichkeit offen, Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen. Eigentum gilt in der EU als Menschenrecht. Und mit der nachträglichen Abänderung der Verträge zu ausgegebenen Staatsanleihen habe Griechenland dieses Recht verletzt, argumentieren zahlreiche Rechtsexperten.

So sei der „freiwillige“ Schuldenschnitt, den die europäische Politik jüngst präsentiert hat, keineswegs freiwillig. Inhabern von Staatsanleihen, die den Schuldenschnitt nicht mitmachen wollen, werde dieser nachträglich aufgezwungen. Ob eine Klage vor dem Gerichtshof erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Als Präzedenzfall könnte Argentiniens Bankrott aus dem Jahr 2001 dienen. Weltweit laufen nach wie vor hunderte Klagen, in denen Anleger auf die Rückzahlung der Schulden pochen. Dem südamerikanischen Land erschwert das die Neuaufnahme von Schulden erheblich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2012)

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