Trotz Sparkurses: Spanien droht der Schuldenkollaps

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Die spanische Regierung will weitere zehn Milliarden Euro einsparen. Indes lässt sich das Defizit kaum unter Kontrolle bringen.

Wien/Jil. Spanien rückt in den Mittelpunkt der Schuldenkrise in Europa. Am Montag hat der spanische Premierminister, Mariano Rajoy, überraschend zusätzliche Einsparungen angekündigt. Ausgerechnet in den sensiblen Bereichen Gesundheit und Bildung will die Regierung in diesem Jahr weitere zehn Mrd. Euro einsparen.

Hinzu kommen die bereits eingeplanten 27 Mrd. Euro an Einsparungen. Ziel sei weiterhin, das Haushaltsdefizit 2012 auf 5,3Prozent zu senken. Die EU begrüßte die zusätzlichen Einsparungen. Das von der EU gewünschte Defizit würde eigentlich bei 4,4Prozent des BIPs liegen. Aber das würde Einsparungen von insgesamt 45 Mrd. Euro erfordern und sei unmöglich, so Premier Rajoy. Seit er die Verfehlung des von der EU vorgegebenen Defizitziels am zweiten März angekündigt hat, sind die Refinanzierungskosten (für zehnjährige Bonds) um mehr als einen Prozentpunkt gestiegen. Vergangenes Jahr hatte Spanien ein Defizit von 8,5Prozent. Angestrebt hatte man in Absprache mit der EU aber nur sechs Prozent Defizit. Ob Spanien sein Defizitziel heuer einhalten kann, bleibt abzuwarten. Das Ziel, schon 2013 ein Defizit von nur drei Prozent zu erreichen, liegt jedenfalls in weiter Ferne.

Point of no return?

Diese Zahlen zeigen, warum die Schuldenkrise in Europa weder durch den Schuldenschnitt in Griechenland noch durch die letzte Billionen-Geldspritze der EZB für Banken gelöst werden konnte. Trotz aller Einsparungen explodiert die Schuldenlast weiter. Selbst wenn die spanische Regierung es gegen den Widerstand der Opposition, der Gewerkschaften und der Demonstranten schaffen sollte, die Defizitziele einzuhalten: Das Ergebnis wäre ein Anstieg der Schuldenbelastung auf 79,8Prozent des BIPs schon in diesem Jahr.

Und das sind freilich nur die offiziellen Zahlen. Gemeinsam mit den Schulden der Regionen und den staatlichen Garantien für verschuldete Staatsbetriebe erreicht der spanische Schuldenstand nach Berechnungen von „Carmel Asset Management“ schon bald 90Prozent des BIPs. Ein Wert, von dem viele Ökonomen glauben, er sei der „Point of no return“ – also der Punkt, an dem die Schuldenspirale sich immer schneller dreht, bis der Staatsbankrott unvermeidlich ist. Die Regionen spielen auch eine Rolle bei den geplanten zusätzlichen Einsparungen im Gesundheitssystem: Nachdem dieses in den Aufgabenbereich der Regionen fällt, ist eher mit der politischen Blockade der Einsparungen zu rechnen als mit deren Umsetzung. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien liegt bei fast 50Prozent. Trotzdem bleibt der Arbeitsmarkt so stark reguliert wie kaum wo auf der Welt. Dazu kommen ein weiterhin implodierender Häusermarkt und die Rezession. Es ist also wenig verwunderlich, dass der Internationale Bankenverband IIF eine Vergrößerung der „Brandmauer“ für Europa fordert.

Spanien muss alleine 2012 rund 186 Mrd. Euro an Schulden finanzieren. Sollte das Vertrauen in das Land an den Märkten verloren gehen und die Geldgeber sich zurückziehen, würde die Eurokrise sich weiter verschärfen. Die vorhandenen Gelder in den Rettungsfonds EFSF und ESM würden für ein Bail-out Spaniens kaum ausreichen – erst recht, weil dann auch Italien wieder in Gefahr ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2012)

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