IWF-Kritik: Der Druck auf Deutschland steigt

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Nach Griechenland und Frankreich schlägt sich auch der IWF auf die Seite der Kritiker des deutschen Spar- und Hartwährungskurses. Deutschland solle Bereitschaft für mehr Wachstumsimpulse zeigen.

Wien/Brüssel. Bisher ist das Kalkül der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgegangen. Als eine der wenigen europäischen Regierungschefs wurde ihr die Schuldenkrise innenpolitisch nicht zum Verhängnis. Doch nun steht sie mit ihrem eisernen Sparkurs, mit ihrer Forderung nach einem Festhalten am harten Euro international mit dem Rücken zur Wand. Längst nicht nur aus Ländern wie Griechenland oder vom neu gewählten französischen Staatspräsidenten François Hollande kommt der Druck. Nun fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) erstmals offen mehr Engagement der Deutschen bei der Bewältigung der Krise. In einem diese Woche veröffentlichten Länderbericht heißt es, die größte Wirtschaftsnation der Währungsunion müsse „eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Herausforderungen der Krise spielen“.

Der IWF würdigt zwar die deutsche Wirtschaft, macht sie aber angesichts dieses Erfolgs auch mitverantwortlich. Deutschland müsse sich daran beteiligen, dem „wirtschaftlichen Ungleichgewicht“ in der Eurozone entgegenzuwirken, heißt es. Wie das geschehen soll, deuten die IWF-Experten mehr oder weniger klar an: zum einen durch die Bereitschaft für mehr Wachstumsimpulse, etwa in Form von einer Aufstockung der Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB). Zum anderen durch eine Abkehr vom bisher kompromisslosen Stabilitätskurs des Euro nach dem Modell der Deutschen Bundesbank. In dem am Montag veröffentlichten Länderbericht heißt es ausdrücklich, dass Deutschland vorübergehend eine höhere Inflation hinnehmen könnte. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass ein weiterer Erfolg der deutschen Wirtschaft von einer Lösung der Krise abhänge.

Experten bestätigen, dass Deutschland im letzten Jahrzehnt vom Hartwährungskurs des Euro überproportional profitiert hat. Er war auf die deutsche Wirtschaft zugeschnitten. Und dieser Kurs hat, wie etwa der führende Wirtschaftspublizist Martin Wolf in seiner Kolumne in der „Financial Times“ schreibt, einen „exportgetriebenen Aufschwung“ ermöglicht, der „von maßlosen kreditgetriebenen Booms anderswo profitiert hat“. Damit verweist Wolf auf das starke Kreditwachstum in Irland und den Mittelmeerländern im ersten Jahrzehnt der Währungsunion. Mit ihrem Eintritt in die Währungsunion hatten diese Länder eine erhebliche Zinssenkung erlebt. Sie bekamen Zugang zu billigem Geld, das sie natürlich auch für Importgüter aus Deutschland – wie Autos, Maschinen oder Industrieanlagen – ausgaben.

Ungleichgewichte überwinden

Wolf hält ebenso wie Paul de Grauwe von der London School of Economics ein symmetrisches Abbauen der Ungleichgewichte zwischen Überschussländern wie Deutschland und Defizitländern wie Spanien oder Griechenland für nötig – begleitet von den Reformen des Arbeitsmarkts und der Wirtschaftsstrukturen in den Mittelmeerländern. Eines der Werkzeuge für die Überwindung des Ungleichgewichts, das deutet auch der IWF an, ist die Erhöhung der deutschen Gehälter. Denn Deutschland hat seinen Exportboom auch durch wettbewerbsfähige Arbeitskosten erlangt. Diese bescheidenen Gehälter und das damit möglich gewordene Wachstum hat Deutschland freilich auch die niedrigste Arbeitslosigkeit (5,6%) seit der Wiedervereinigung beschert.

Auf einen Blick

Deutschland hat vom harten Euro und der Kreditschwemme in ärmeren EU-Ländern massiv profitiert. Nun soll das Land nach Ansicht des IWF auch mehr Engagement bei der Bewältigung der Krise zeigen. Die IWF-Experten drängen unter anderem auf eine neue inflationäre Geldpolitik der EZB, die von Berlin blockiert wird. Sie halten eine höhere Inflation in Deutschland für verkraftbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2012)

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