Euro: Der Druck auf Deutschland steigt

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Griechenland war gestern, jetzt droht Spanien die ganze Eurozone in den Abgrund zu reißen. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel wird wohl wieder nachgeben. Nächster Halt: Eurobonds.

Sinn für Galgenhumor kann man der spanischen Regierung wahrlich nicht absprechen: Am Freitag verschob sie kurzfristig die Bekanntgabe der Finanzhilfen für die 17 autonomen Regionen, die wie der Zentralstaat unter ihren Schulden zu ersticken drohen. Die Regionen müssen heuer rund 36 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten refinanzieren und irgendwo 15 Milliarden Euro auftreiben, um ihre Budgetlöcher zu stopfen. „Es gibt noch Details, die geklärt werden müssen“, hieß es.

Viel eleganter kann man die wachsende Panik in Spanien wohl nicht kleinreden. Und so wie die Regionen nur eines von vielen Problemen für Spanien sind, ist Spanien nur eines von vielen Problemen für Europa. Respektive für Deutschland, dem einzigen noch wirklich zahlungskräftigen großen Land in der Eurozone.

Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone. Ein Rettungspaket müsste mindestens 350 Milliarden Euro betragen – wenn nicht noch viel mehr. Die zwei Pakete für Griechenland belaufen sich auf 219 Milliarden Euro. Griechenland könnte aus dem Euro austreten, aber wenn Spanien kippt, wird wohl eine Kettenreaktion ausgelöst: Italien fällt als Nächstes, Portugal, möglicherweise Frankreich und zuletzt auch Deutschland – wo die Forderung nach einer Rückkehr zur D-Mark immer populärer wird.

Alle schreien durcheinander

Seit die katastrophale Lage der spanischen Banken bekannt ist (allein die Bankia braucht 23 Milliarden Euro vom Staat), schreien in Europa alle durcheinander: Mario Monti (Italien) und François Hollande (Frankreich) stellen immer höhere Forderungen an Deutschland und die EZB. Diese pocht auf ihr Mandat und spielt den Ball zurück. EZB-Chef Mario Draghi kritisierte die Politik zuletzt äußerst scharf. Es müsse eine Vision entwickelt werden, so Draghi. Die Eurozone sei nämlich in ihrem jetzigen Zustand nicht aufrechtzuerhalten.

Grafik: Die Presse

Der spanische Finanzminister Luis de Guindos richtete geradezu flehende Worte an Berlin: Deutschland müsse „seinen Teil zur Rettung der Eurozone“ beitragen. „Der Kampf um den Euro wird jetzt in Spanien und Italien gekämpft. Die Zukunft des Euro entscheidet sich in den nächsten Wochen.“

Nach dem Abschied von Nicholas Sarkozy aus dem französischen Präsidentenpalast steht der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ein mächtiger Südgürtel an Ländern gegenüber, die den Fiskalpakt für verzichtbar halten, Defizitziele eher entspannt sehen und sich ihre Staatsanleihen am liebsten direkt von der EZB abkaufen lassen würden – was für Deutschland aus Angst vor Inflation eine Horrorvorstellung ist. Dazwischen steht eine zunehmend proaktive EU-Kommission, die sogar den Einsatz des „permanenten Rettungsschirms“ ESM zur Rekapitalisierung von Banken gefordert hat. Einzig: Dieser ESM existiert noch nicht und ist in vielen Staaten, die ihn erst ratifizieren müssen, umstritten. Wenn der Bank-Run in Spanien, Italien und Griechenland eskaliert, könnte das Bankensystem binnen Wochen zusammenbrechen. Derzeit überleben die Banken nur dank frisch gedruckten Geldes.

Goldgedeckte Eurobonds?

Die griechischen Banken haben sich schon Ende Jänner 128 Milliarden Euro von EZB und griechischer Notenbank ausgeborgt – das entspricht 77 Prozent aller Einlagen im griechischen Bankensystem. Aus Spanien wurden im ersten Quartal fast 100 Milliarden Euro abgezogen – was einem Zehntel der Wirtschaftsleistung entspricht. Der spanische Notenbankchef Miguel Fernández Ordóñez kündigte zwei Tage vor der Bekanntgabe dieser Zahlen seinen Rücktritt an, um seinem Nachfolger rechtzeitig die Chance zu geben, „ein neues Kapitel aufzuschlagen“.

Merkel tat Donnerstagabend dann das, was sie immer tut, wenn es brenzlig wird: Sie relativierte ihre Standpunkte. Es dürfe in Sachen Eurokrise „keine Denkverbote“ geben, sagte sie und öffnete damit ein Stück weit die Tür in Richtung Eurobonds. Die neueste Idee lautet „goldgedeckte Eurobonds“. In dieser Variante würden die Staaten alle Schulden über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIPs durch ihre Goldvorräte garantieren. Weder die USA noch China halten mehr Gold als die Euroländer, die über rund 10.000 Tonnen verfügen. Diese Goldvorräte sind quasi die letzte Trumpfkarte der Europäer, die dringend einen Ausweg brauchen.

Auf einen Blick

Spanien hat die Probleme seiner Banken dramatisch unterschätzt – das sagt sogar EZB-Chef Mario Draghi. Der Druck auf Deutschland, den ESM zur Bankenfinanzierung heranzuziehen und Eurobonds zu akzeptieren, steigt. Angela Merkel reagiert und sagt nun, dass es „keine Denkverbote“ geben dürfe. Unterdessen nimmt der Bank-Run in Spanien und Griechenland Fahrt auf. Die Zeit wird knapp.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2012)

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