Elfenbeinküste: „Brot statt Spiele“

Wie die hohen Essenspreise den fragilen sozialen Frieden gefährden.

ABIDJAN. In der Rue Princesse in Abidjan reiht sich ein „Maquis“ an den anderen: Biergarten und Open-Air-Disco zugleich, täglicher Treffpunkt des nimmermüden jugendlichen „Widerstands“ gegen die triste politische Realität. Normalerweise kann nichts und niemand die Menschen hier vom Besuch ihres „Maquis“ abhalten. Und die Visite von Präsident Laurent Gbagbo mit dem französischen Ex-Kultusminister Jack Lang in einem Nachtlokal der Rue Princesse Ende März hätte allseits Beifall gefunden. Aber die Explosion der Preise für Grundnahrungsmittel hat den Menschen in Abidjan gründlich den Spaß verdorben.

Wenig später kam es zu wütenden Demonstrationen der von den Preissteigerungen am meisten Betroffenen: der Frauen und der jungen Leute. Diejenigen, die sich über rasant steigende Preise bei unverändert niedrigen Löhnen beklagten, gehören noch zu den vergleichsweise glücklichen. Die meisten jungen Leute haben gar keine Arbeit.

Die Polizei reagierte mit jener Brutalität, die sie sich seit den politischen Protesten 2004 angewöhnt hat, und für die sie nie zur Rechenschaft gezogen wird. Zwei Tote und mindestens zehn Schwerverletzte waren die Bilanz. Auch in anderen Städten kam es zu spontanen Demonstrationen.

Präsident reagierte sofort

Die Verteuerung der Grundnahrungsmittel hat sogar das innenpolitische Dauerthema – die seit 2005 verschobene Präsidentenwahl – aus den Schlagzeilen verdrängt. Die erschreckenden Zahlen hat jeder parat: der Preis für Reis, Grundnahrungsmittel Nr. 1, ist in den vergangenen Monaten um 50 Prozent gestiegen, Pflanzenöl, Milch oder ein kleines Stück Seife sind um mehr als 30 Prozent teurer geworden. Der Schreiner Jean-Paul Elo, kann seiner Frau aber nicht mehr Haushaltsgeld als früher geben. Sein trauriges Fazit: „Wir arbeiten gut und essen schlecht.“ Die Gefahr solcher Preissteigerungen für den fragilen sozialen Frieden in Côte d'Ivoire hat Präsident Gbagbo schnell erkannt. Während er auf Demonstrationen früher meist unbeugsam reagierte, verkündete er diesmal nach zwei Tagen die Aussetzung der Zölle auf Einfuhren der wichtigsten Grundnahrungsmittel sowie die Halbierung der Mehrwertsteuer auf diese Produkte.

„Lass uns auch dick werden“

Für den Präsidenten besonders ärgerlich war, dass sich die Stimmung ausgerechnet diesmal, wo das Problem nicht hausgemacht ist, gegen ihn persönlich richtete.

Es ist merkwürdig, wie wenig in Afrika die Hintergründe der Lebensmittelkrise und ihre weltweite Dimension diskutiert werden – oder auch nur bekannt sind. Die Ursachen für den Preisanstieg sehen die Menschen vor allem in der Politik des eigenen Landes. So sind sie auch sehr verwundert, dass die Aufhebung der Zölle und die Halbierung der Mehrwertsteuer sich nur wenig in Preissenkungen bemerkbar machten. Auch die heimische Presse bemüht sich kaum um Aufklärung über die Ursachen der weltweiten Krise. Obwohl absehbar ist, dass die Enttäuschung über die reale Preisentwicklung umso größer sein wird.

Europäer haben sich in Afrika oft gewundert, wie kritiklos, ja bewundernd die Menschen den offen zur Schau gestellten Reichtum mancher Politiker akzeptieren. Auch hier ist ein Stimmungsumschwung erkennbar: Den in kurzer Zeit auffällig größer gewordenen Leibesumfang des früheren Rebellenchefs und heutigen Premierministers Guillaume Soro kommentierten Banderolen der Demonstranten bissig: „Soro, lass uns auch dick werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2008)


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