Krise: AIG kämpft ums Überleben

(c) Reuters (Brendan McDermid)
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Die drohende Insolvenz des US-Versicherungsriesen AIG sorgt an den Finanzmärkten für neue Schockwellen. Wiener Städtische und Uniqa „spitzen“ schon auf Assets von AIG.

New York/Wien. In der US-Finanzbranche bahnt sich bereits das nächste Debakel mit globalen Folgen an: Der Versicherungsriese AIG braucht 70 bis 75 Mrd. Dollar. Sollte das Geld nicht bis heute, Mittwoch, aufgetrieben werden, muss die Gesellschaft laut US-Medienberichten möglicherweise Insolvenz anmelden.

Ein Zusammenbruch des bis vor kurzem weltweit größten Versicherungskonzerns könnte in der Finanzbranche erneut ein Erdbeben auslösen. Wie der Bankensektor ist auch die Versicherungsbranche international eng verflochten. AIG spielt im Ausland vor allem als Rückversicherer eine wichtige Rolle. Unter einer Pleite würden auch österreichische Gesellschaften leiden, warnt Wifo-Experte Thomas Url.

Denn Uniqa, Wiener Städtische, Generali und Allianz geben einen Teil ihrer Risiken an europäische Rückversicherungen ab. Diese kooperieren wiederum mit AIG. „Eine Insolvenz würde unter den Versicherungen zu einer Vertrauenskrise führen“, warnt Wiener-Städtische-Chef Günter Geyer im „Presse“-Gespräch.

Schwierige Rettungsaktion

Die Rettungsaktion für AIG wird allerdings immer schwieriger. Denn alle führenden Rating-Agenturen haben am Dienstag die Bonitätseinstufungen gesenkt, wodurch sich für den Konzern die Geldaufnahme verteuert. Das eigentliche Versicherungsgeschäft von AIG läuft nach Einschätzung von Branchenexperten aber größtenteils gut.

Die lebensbedrohenden Probleme stammen vor allem aus riskanten Finanzgeschäften, die der Konzern wie eine Investmentbank betrieb. Die Assekuranz war bei der Absicherung von Immobilienkrediten engagiert und ist deshalb von der US-Hypothekenkrise besonders stark betroffen.

Run auf Ost-Assets

Egal, wie es mit der Gesellschaft weitergehen wird, eines steht schon jetzt fest: AIG wird gesunde Bereiche verkaufen müssen. Die Wiener Städtische und Uniqa werfen bereits ein Auge auf das Osteuropageschäft der Amerikaner. „Sollten in Zentral- und Osteuropa Assets von AIG zum Verkauf stehen, werden wir uns diese natürlich ansehen“, kündigt Wiener-Städtische-Chef Geyer an.

Die Uniqa will sich eine solche Gelegenheit ebenfalls nicht entgehen lassen. „Unter den AIG-Gesellschaften in Osteuropa sind auf den ersten Blick sicher welche, die es wert wären, sie näher zu betrachten“, meint Uniqa-Chef Konstantin Klien.

In Osteuropa ist AIG auch im Privatkundengeschäft tätig und gehört dort zu den führenden Anbietern. Die Amerikaner sind etwa in Rumänien der zweitgrößte Lebensversicherer. In der Slowakei liegen sie auf Platz vier. Auch in Polen und in Tschechien sind sie gut positioniert. Der Wert der Ost-Assets wird von Analysten auf mehrere Mrd. Euro geschätzt. In Österreich ist AIG nur mit einer kleineren Niederlassung vertreten. Über das Wiener Büro werden in erster Linie Sach- und Transportversicherungen vertrieben. Auch auf Manager-Haftpflichtversicherungen sind die Amerikaner spezialisiert.

Mit Banken gut im Geschäft

Die Investment-Sparte von AIG war dagegen mit vielen heimischen Banken und Versicherungen im Geschäft. So arbeitet Raiffeisen Capital Management (RCM), die größte Fondsgesellschaft Österreichs, bei ihren drei Hedge-Dachfonds mit AIG zusammen. „Das Fondsvermögen liegt in Wien. AIG hilft uns nur bei der Auswahl der Investments“, beruhigt RCM-Chef Mathias Bauer. Man beobachte laufend die Situation und könne jederzeit entsprechende Schritte einleiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2008)


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