Der Finanzpolizei fehlt der Biss

Die globale Bankenkrise zeigt, dass die heimische Finanzaufsicht nur ungenügend mit Kompetenzen ausgestattet ist. Der Ruf nach einer Reform wird immer lauter.

Wien. Die österreichische Finanzmarktaufsicht ist in wichtigen Bereichen handlungsunfähig. In der Vorwoche haben die Behörden mehrerer Länder (USA, Großbritannien, Schweiz und Deutschland) das sogenannte „Short Selling“ – gemeint sind Wetten auf fallende Kurse – großteils untersagt (siehe Bericht unten). In Österreich hat die FMA zwar am Montag ein Maßnahmenpaket vorgelegt, um solche Börsengeschäfte stärker zu kontrollieren. Ein generelles Verbot konnte sie aber nicht aussprechen, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehlt.

Dabei ist auch in Österreich „Short Selling“ gängige Praxis. So gehört die Erste Bank laut Analysten zu jenen europäischen Banktiteln, die zuletzt besonders oft zum Ziel internationaler Spekulanten wurden. SPÖ-Spitzenkandidat Werner Faymann hat das Thema aufgegriffen und im Falle eines Wahlsiegs eine rasche Gesetzesänderung zur Stärkung der FMA angekündigt. Zwar wurden erst zu Jahresbeginn die Kompetenzen von Nationalbank und Finanzmarktaufsicht zusammengelegt. Doch diese Reform geht vielen nicht weit genug.

Bei uns gehe die FMA „mit der Spritzpistole und dem Fahrrad auf Verbrecherjagd“, kritisiert SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Und für BZÖ-Spitzenkandidat Jörg Haider ist die FMA ein „einziger Versagerverein“.

Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) wollte sich am Montag nicht festlegen, ob die Aufsicht auch in Österreich Leerverkäufe auf bestimmte Aktien verbieten soll. Er müsse darüber erst mit der Börse und der Nationalbank beraten. „Das Thema muss solide diskutiert werden“, sagte Molterers Sprecher zur „Presse“.

In Deutschland haben die Behörden ab sofort „Short Selling“ auf elf Aktien von Banken und Versicherungen untersagt. „In der derzeitigen Marktsituation können Leerverkäufe Finanzunternehmen in den Ruin treiben“, sagte der oberste Finanzaufseher Jochen Sanio in Berlin.

Geringe Strafen

Da in Österreich aufgrund der Neuwahlen eine rasche Gesetzesänderung unwahrscheinlich erscheint, gehört Wien zu jenen Börsenplätzen, wo Leerverkäufe weiterhin möglich sind. Die Höchststrafe für Leute, die mit solchen Transaktionen den Markt manipulieren, liegt bei 50.000 Euro, was im internationalen Umfeld niedrig ist und kaum Täter abschreckt.

Schon vor Monaten hatten die Vorstände der Finanzmarktaufsicht und der Notenbank schärfere Waffen gefordert, um bei Problemfällen besser durchgreifen zu können. Geschehen ist seitdem nichts. Auch Anlegerverbände verlangen eine rasche Gesetzesänderung, um die FMA mit mehr Biss auszustatten. Das sind die wichtigsten Forderungen:
•Strafen: Neben höheren Strafen sollen auch die Namen der Täter, die des Insiderhandels oder der Marktmanipulation überführt werden, öffentlich bekannt gegeben. Dies ist in vielen Ländern durchaus üblich.
•Änderungen für ausländische Gesellschaften: Firmen, die ihren Sitz in einer Steueroase haben und an der Wiener Börse notieren, sollen sich an das österreichische Aktienrecht halten müssen. So konnte die FMA bis heute nicht die Strafbescheide an alle Vorstände der Meinl-Firmen zustellen, weil die Gesellschaften keine österreichische Zustelladresse haben.
•Hausdurchsuchungen: Die FMA soll mit einem härteren Durchgriffsrecht wie Hausdurchsuchungen ausgestattet werden.
•Vorstände abberufen: Bankvorstände sollen bei Bedarf direkt von der Aufsicht abberufen werden können.
•Bankbilanzen: Mit einer Gesetzesänderung soll verhindert werden, dass Banken Verluste in Stiftungen oder Offshore-Konstrukten verstecken können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2008)


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