Finanzkrise: „Dr. Untergang“ verkündet Bankrott

(c) AP (Michael Probst)
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Nouriel Roubini, Professor an der New York University, sah die Krise voraus – und nennt nun das US-Bankensystem „insolvent“.

New York(gau). Das verheißt nichts Gutes: Der große Prophet der Rezession bezeichnet das US-Bankensystem als „praktisch insolvent“. Nouriel Roubini heißt der Mann, er ist Professor an der New York University, und er gilt als der einzige Ökonom, der das ganze Ausmaß der heutigen Wirtschaftskrise vorausgesehen hat.

Seine neue düstere Prognose beruht auf einer einfachen mathematischen Übung. Roubini hat nachgerechnet: Die gesamten Kreditverluste in den USA könnten 3,6 Billionen Dollar erreichen. Die Hälfte davon, also 1,8 Billionen, würde auf Banken und Broker entfallen. Deren Kapital, mit denen sie Verluste abdecken könnten, betrage aber nur 1,4 Billionen. Mit anderen Worten: „Das System ist bankrott.“ In einem Nachsatz fällt das vernichtende Verdikt für die Märkte jenseits des Atlantiks: „In Europa sieht es nicht anders aus.“

Doch nicht alle Prophezeiungen des Wissenschaftlers sind so apokalyptisch. Die Rohstoffpreise, sieht Roubini voraus, werden heuer im Schnitt nochmals um 15 bis 20 Prozent fallen. Erdöl könne das ganze Jahr über zu 30 bis 40 US-Dollar gehandelt werden. Das ist eine schmerzhafte Botschaft für Ölstaaten, aber eine gute Nachricht für den Rest der Welt: „Ölimporteure werden davon profitieren. Für sie bedeutet das, dass der wirtschaftliche Aufschwung früher erfolgen dürfte.“

Zweifel an der Methodik

Es gibt gute Gründe, dem Mann mehr Glauben zu schenken als der Heerschar der übrigen Wirtschaftsforscher. Immerhin war er der einzige renommierte Ökonom, der für die US-Wirtschaft seit 2004 eine „harte Landung“ vorausgesagt hatte, wenn die Immobilienblase erst einmal platzen würde.

2006 konkretisierten sich seine Ahnungen: Die Weltwirtschaft werde bald in eine tiefe Rezession schlittern. Für diese Warnung wurde er – je nach Gemütslage seiner Kollegen – belächelt, angefeindet oder als „Dr. Doom“ (Dr. Untergang) verspottet. Heute greifen Regierungen, Banken und Fondsmanager auf die Analysen seiner Beratungsfirma RGW zurück.

Freilich gibt es auch ein wohlfundiertes Unbehagen gegen Roubinis Methoden. Denn statt komplizierte Modelle zu konstruieren, arbeitet er lieber mit einfachen Analogien – ohne beweisen zu können, dass er dabei die richtigen Vergleiche anstellt. Zudem hat auch er nicht den genauen Zeitpunkt des Einbruchs vorausgesehen. Er sei eben, so heißt es, ein notorischer Pessimist, und solche Leute hätten irgendwann immer recht. Manche Ökonomen formulieren es launiger: „Roubini ist wie eine Uhr, die stillsteht – die geht auch zwei Mal am Tag richtig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2009)


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