Krugman: Österreich droht die Pleite

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Raiffeisen-Analysten sehen Osteuropa schon auf dem Weg aus der Krise. Fest steht: Die Abhängigkeit Österreichs vom Osten ist groß.

Wien (gau, hie, red). Kaum hat man in Österreich die Hiobsbotschaften verdaut, mit denen das kleine Land im Februar international Schlagzeilen machte, wird das „Bedrohungsszenario Ost“ erneut aufgerollt. Gestern holte niemand Geringerer als Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman zum Schlag aus. Österreich sei der nächste Staat, der in die Pleite schlittern könnte, sagte der Ökonom auf einer Pressekonferenz in New York.

Krugman, Amerikas Vorzeigeliberaler, bemühte dazu das isländische Beispiel. Der Beinahebankrott des Inselstaates habe gezeigt, dass auch hoch entwickelte Volkswirtschaften nicht vor der Insolvenz gefeit sind. Das österreichische Verhängnis aus Krugmans Sicht: Die heimischen Banken haben jahrelang großzügig Kredite in Osteuropa vergeben. Jetzt, wo dort die Krise wütet, können die Staaten ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen. „Island und Irland geht es ziemlich schlecht, Österreich könnte sich dieser Liga als drittes Land anschließen“, lautet Krugmans Urteil.

Von einem solch apokalyptischen Szenario sind die Analysten in Österreich selbst weit entfernt – etwa jene von Raiffeisen. Es stimmt schon: „In manchen Ländern wird sich die Zahl der notleidenden Kredite in den nächsten zwei Jahren verdoppeln“, bestätigt Stefan Maxian von der Raiffeisen Centrobank. „Aber das bedeutet nicht, dass es in diesem Umfang zu Ausfällen kommt.“ Die meisten Kredite seien besichert. Und für den Fall des Falles habe die Branche bereits ausreichend rückgestellt – zwischen 60 und 100 Prozent des Ausfallsrisikos.

Fest steht: Die Abhängigkeit Österreichs vom Osten ist groß. 59 Prozent aller Gewinne der ATX-Unternehmen wurden zuletzt in den CEE-Ländern erzielt. Dort aber braute es sich in den letzten Jahren zusammen: zu starke Lohnsteigerungen, zu rasches Kreditwachstum, zu hohe private und öffentliche Verschuldung. Das ging so lange gut, wie fremde Ersparnisse ins Land flossen, in Form von Direktinvestitionen und Finanzierungen vor allem österreichischer Banken.

Ein erfolgreiches Wirtschaftsmodell, darauf besteht RZB-Osteuropaexperte Walter Demel auch heute noch: „Die Sparquoten der Länder hätten nie ausgereicht, einen so raschen Wandel zu ermöglichen.“ Er verweist auch auf die Arbeitslosigkeit, die deutlich gesenkt werden konnte. Doch als der Kapitalzufluss bei Anbruch der Krise versiegte, war der Sturz nach dem Höhenflug besonders spektakulär, und den schmerzlichen Aufprall bekommt nun auch Österreich zu spüren. Hat Krugman also doch recht mit seinen Kassandrarufen?

Heilsame Rosskur bis 2012

Für Peter Brezinschek hat der Weg aus dem Jammertal bereits begonnen. Der Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank (RZB) sieht die Krise als reinigendes Gewitter: „Durch den Verfall der Ostwährungen sind die Lohnstückkosten wieder auf die Hälfte des Niveaus in Westeuropa gesunken. Das macht die Region deutlich wettbewerbsfähiger.“

Auch das Kreditwachstum – es lag zuletzt bei 70 Prozent in der Ukraine und bei 50 Prozent in Russland – gehe nun auf vernünftige, knapp zweistellige Raten zurück. Und die Auflagen des IWF für Notkredite zwingen Länder wie Ungarn, Lettland, Rumänien und die Ukraine, ihre Budgetdefizite in den Griff zu bekommen.

In Summe lernen die Transitionsländer also nach Brezinscheks Szenario zu sparen und aus eigener Kraft zu wachsen, mit weniger Kapitalzufluss aus dem Westen. So werden sie unabhängiger und sanieren ihre Zahlungsbilanzen.

Freilich ist das ein schmerzhafter Prozess: Die Industrieproduktion bricht ein (in der Ukraine um 25 Prozent), höhere Arbeitslosigkeit ist die Folge, erst 2010 wird dann auch der Privatkonsum deutlich sinken. Aber die Rosskur sei notwendig, damit die Region „2012, spätestens 2013“ wieder dort anlangt, wo sie hingehört: bei ihrem Potenzialwachstum von vier bis fünf Prozent, zwei bis drei Prozentpunkte über dem Westeuropas. Dann sollte auch Österreich wieder von seinem Osteuropa-Bonus profitieren.

Von wegen Staatsbankrott, könnte Analyst Brezinschek also Meister Krugman antworten. Wer von den beiden recht behält, werden schon die nächsten Monate zeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2009)

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