Wo die Schuldenmeister den Rotstift ansetzen

Um horrende Defizite abzubauen, muss von Riga bis Athen, von Dublin bis Madrid eisern gespart werden

Spanien - Der Neosparefroh.

Plötzlich ging es ganz schnell: Noch vor einer Woche hatte Spaniens Premier José Luiz Zapatero die Oppositionsforderungen nach einem drastischen Sparpaket abgelehnt. Der immense Druck der EU hat nun nachgeholfen.
Mit dem härtesten Sparprogramm, das die Spanier bisher gesehen haben, soll das Haushaltsminus so schnell wie möglich gedrückt werden. Insgesamt will die Regierung bis 2013 mindestens 65 Milliarden Euro einsparen. Schon bis Ende 2011 hofft Zapatero, das Defizit von 11,2 Prozent (2009) auf sechs Prozent drücken zu können. Spätestens 2013 soll der Etat-Fehlbetrag dann wieder unter die Euro-Stabilitätsgrenze von drei Prozent des BIPs fallen.
Kern des Pakets sind heftige Lohnkürzungen für Beamte: Das Heer der 2,5 Millionen Staatsdiener muss von Juli 2010 an im Schnitt auf fünf Prozent des Einkommens verzichten. Spitzenbeamte und Regierungsmitglieder werden sogar bis zu 15 Prozent weniger bekommen. Die Kürzungen bleiben mindestens bis 2011 bestehen, dann sollen dafür die Pensionen eingefroren werden.
Zudem soll nur noch jede zehnte freie Stelle im öffentlichen Dienst besetzt werden, was im ohnehin mangelhaften Bildungs- und Gesundheitssystem weitere Probleme provozieren dürfte und zu weiterem Druck auf den Arbeitsmarkt führen wird. Schon jetzt macht Spanien eine Arbeitslosigkeit von 20 Prozent zu schaffen.
Gespart wird auch bei den Familien (die Belohnung für Nachwuchs, der „Babyscheck“, fällt) und bei den staatlichen Investitionen, auch weitere Steuererhöhungen könnte es geben. Im Juli 2010 steigt bereits die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent.
„Das ist ein nationales Projekt, das alle angeht“, propagierte Zapatero den Schulterschluss. Die Beamtengewerkschaft rief derweil für 2. Juni zum Generalstreik auf.

Portugal - Sparprogramm zum Papstbesuch


Während Papst Benedikt XVI. am Donnerstag in Fatima Hoffnung predigte, predigte Portugals Premier José Sokrates sein neues Sparprogramm. Das Land gilt als ärmster Staat Westeuropas, nun zwingt der angehäufte Schuldenberg (Prognose für 2011: 100 Prozent des BIP) die Portugiesen, den Gürtel noch enger zu schnallen.
Die Mehrwertsteuer wird von 20 auf 21 Prozent erhöht, Einkommen werden künftig stärker belastet. Unternehmen müssen auf ihre Gewinne bald sogar eine „Krisensteuer“ von 2,5 Prozent bezahlen. Zuvor waren bereits Nulllohnrunden für die Beamten, soziale Einschnitte und eine Kürzung der Ausgaben für Militär und Infrastruktur von bis zu 40 Prozent verkündet worden.
Schon das letzte Sparpaket, das auch eine Erhöhung des Pensionsalters von 62 auf 65 Jahre brachte, hat die Märkte nicht beruhigt. Die neue Verschärfung des Sparkurses hat am Donnerstag die Börsen in Portugal gedrückt, ebenso wie in Spanien.

Griechenland - Am griechischen Pranger

Angesichts der Schieflage seiner Staatsfinanzen sieht sich Athen zu ungewöhnlichen Schritten genötigt: Am Donnerstag veröffentlichte das Finanzministerium eine Liste von 57 Ärzten, die Steuern hinterzogen hatten (150 wurden untersucht). Elf weitere Mediziner waren bereits in Summe zu 4,5 Millionen Euro Strafzahlung verdonnert worden.
Die systematische Steuerflucht vom Taxifahrer bis zum Rechtsanwalt ist zwar nicht hauptverantwortlich für die leeren Kassen, doch die Maßnahmen haben Symbolcharakter: Niemand steht über dem Gesetz.
Athens Aufgabe ist enorm: 13,6 Prozent betrug das Defizit 2009, bis 2014 will man es auf 2,4 Prozent drücken, das Belastungspaket hat ein Volumen von 30 Mrd. Euro. Gespart wird zunächst im öffentlichen Dienst, nachdem die Vorgängerregierung im Wahlkampf noch 29.000 Beamte eingestellt hat: Für vier Jahre werden die Gehälter eingefroren, Zulagen um weitere acht Prozent gekürzt, nach einem ersten Schnitt um zwölf Prozent im März. Die Regierung hat das Messer auch ans 13. und 14. Monatsgehalt gelegt, das – je nach Gehaltsklasse – ganz wegfällt oder mit 1000 Euro gedeckelt wird.
Ein weiterer wesentlicher Pfeiler ist eine Pensionsreform, ohne die das System laut Arbeitsminister Andreas Loverdos 2011 zusammenbrechen würde: Pensionisten müssen ganz auf die 13. und 14. Überweisung verzichten, das Mindesteintrittsalter wurde von 58 auf 60 Jahre erhöht. Wer allerdings mehr als 1400 Euro Pension monatlich hat, muss Solidaritätsabschläge zwischen drei und neun Prozent verkraften, die Beziehern von Kleinpensionen zugute kommen sollen.
So groß das Sparpaket, so groß die Proteste: Seit Wochen wird immer wieder gestreikt und demonstriert, die Proteste schlagen oft in rohe Gewalt um. Am Mittwoch vergangener Woche starben drei Bankangestellte, deren Filiale angezündet worden war.

Irland - „Raus aus dem Schweinestall“


So titelte die „Süddeutsche“ unlängst über Irland. Es war mit Portugal, Italien, Griechenland und Spanien unter PIIGS zusammengefasst worden, hat aber früher als diese Länder Sparpakete aufgelegt und gilt nun als Vorbild. Die Regierung legte Hand an Sozialausgaben (Arbeitslosenhilfe und Kindergeld wurden gekürzt) und kappte Gehälter im öffentlichen Dienst um bis zu 15 Prozent. Das Volumen beträgt ausgabenseitig vier Milliarden Euro, dazu kommen Steuererhöhungen. Das große Loch im Haushalt (etwa elf Prozent für 2010) geht auf das Platzen einer irischen Immobilienblase zurück. Noch ist Irland nicht über den Berg, aber Ende der 80er-Jahre hat sich das Land mit einem großen Reformprogramm schon einmal aus dem wirtschaftlichen Tief gezogen.

Das lettische Beispiel

Lettland, das war im Februar 2009 das Sinnbild für die Wirtschaftskrise: Das Land stand kurz vor dem Bankrott, Proteste der Bevölkerung gegen Steuererhöhungen und Sparprogramme schlugen in Gewalt um, Demonstranten attackierten das Parlament. Da gab Premier Ivars Godmanis entnervt auf. Die Krise hatte einen EU-Regierungschef zu Fall gebracht.
sDoch seinem Nachfolger Valdis Dombrovskis blieb nichts anderes übrig als – zu sparen und zu kürzen. Und zwar in einem Ausmaß, das den Titel „härtestes Sparprogramm Europas“ verdient: Jene Staatsdiener (inklusive Polizisten und Lehrer), die nur auf 20 Prozent ihres Gehalts verzichten mussten, hatte noch Glück, denn es wurden auch tausende ihrer Kollegen entlassen. Kapazitäten bei Krankenhäusern und Schulen wurden zusammengelegt, die Pensionen wurden ebenso gekürzt wie das Kindergeld.
Im Gegenzug sagten mehrere europäische Staaten und der Internationale Währungsfonds 7,5 Milliarden Euro an Krediten zu. Da das Land nicht zur Eurozone gehört, galt auch die „No-Bail-out-Klausel“ nicht. Geholfen haben zuvörderst nordische Nachbarländer, in Verbindung mit einer Bitte: Lettland möge der Versuchung widerstehen, den lettischen Lats abzuwerten.
Die erwartbare Kehrseite des rigiden Sparprogramms mitten in der Rezession: Die Arbeitslosenzahlen schossen in die Höhe, im Februar lagen sie bei 21,7 Prozent. Was sinkt, sind dafür die Preise: Mit prognostizierten 3,7 Prozent für 2010 kürte der IWF Lettland zum Deflationsweltmeister. Ein kleiner Lichtblick: Lettlands Wirtschaft wächst erstmals seit zwei Jahren wieder. Im ersten Quartal 2010 legte sie gegenüber dem letzten Quartal 2009 um 0,3 Prozent zu. Obwohl im Herbst gewählt wird, setzt die Regierung auf Ehrlichkeit und kündigt weitere Sparprogramme für 2011 und 2012 an. hds


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