"Österreich ist nicht das Land der Schnäppchenjäger"

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oesterreich nicht Land Schnaeppchenjaeger(c) ALEX DOBIAS alex dobias at
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Handelsexperte Roland Falb erzählt, wie Rewe und Spar die Kunden ohne Not zu Preisfüchsen erzogen. Mittelfristig sieht er eine Rückkehr der Ausgaben zu den Grundbedürfnissen.

DiePresse.com: Sie vertreten den Standpunkt, dass die Supermärkte in Österreich Vorreiter bei der Innovation sind. Was macht den Unterschied zu anderen Ländern aus?

Roland Falb: Die Supermarktbranche in Österreich hat über die Jahre ein Konzept entwickelt, das sich durch Größe und Sortimentsbreite und vor allem durch einen hohen Qualitätsanspruch von dem in anderen Ländern abhebt. Spar und Rewe waren da wirklich die großen Denker in dieser Richtung. Man kann in österreichischen Supermärkten hochwertigste Lebensmittel kaufen. Wenn man das mit Deutschland vergleicht, dann herrscht dort eine kulinarische Wüste. Dort muss man schon in einen Hypermarkt mit Riesentheken gehen, um Fisch oder Fleisch zu bekommen. Dagegen gibt es hierzulande schon in kleineren Supermärkten eine Topqualität und eine Topauswahl. Dort kann man auch für ein Festtagsessen einkaufen. Es gibt eine wirklich ordentliche Obst- und Gemüseauswahl, eine tolle Fleischtheke, frisches Brot und das alles in einer Nahversorgungsstruktur.

Auch im Supermarkt haben die Eigenmarken vermehrt Einzug gehalten. Wie werden die Herstellermarken diesem Einsatz von Eigenmarken begegnen müssen?

Das ist ein Beispiel für einen ganz klassischen Kampf. Ein Vorteil der Eigenmarken ist, dass die Handelsspanne größer ist. Nur muss man schon ein sehr intelligentes Eigenmarkenkonzept fahren. Es gelingt auch nicht immer, das hängt auch sehr stark von der Warenkategorie ab. Vor Jahren hat Spar das „American Cola" eingeführt. Spar hat alles für die Eigenmarke getan, mit Riesenplatzierungen hat Spar der Eigenmarke jeden Vorzug gegeben. Nach ein paar Jahren wurde festgestellt, dass es nicht wie erwartet gelaufen ist. Die Herstellermarke Coca-Cola war zu stark. Spar hatte in dieser Warengruppe signifikant an Umsatz verloren und damit auch an Profitabilität. Denn Getränke sind eine wichtige Kategorie, die Frequenz produziert. Getränke müssen immer wieder nachgekauft werden. Denn in vielen Haushalten kann nicht kistenweise oder trayweise eingekauft werden, deshalb gehen viele Leute täglich einkaufen und nehmen die Getränke für nur einen Tag mit. Daher sind Getränke ein wichtiger Frequenzbringer.

Es gibt auch positive Beispiele.

Andere Eigenmarken wie "Ja, natürlich" zum Beispiel haben dann wieder enorm auf die Handelsmarke eingezahlt. Und Eigenmarke heißt ja nicht immer billig, Eigenmarke kann auch im Hochpreissegment, im Qualitätssegment angesiedelt sein. In vielen Fällen stellt die Eigenmarke aber den Preiseinstieg dar, bei dem für den Schnäppchenjäger die Herstellermarke von unten unterfahren und Druck aufgebaut wird. Wenn das Preisdreieck mit Einstiegespreislage, Mittelsegment und Topsegment passen soll, muss sich der Händler überlegen, wo er seine Eigenmarke hinsetzt. Mittlerweile hat der österreichische Handel in meinen Augen sehr viel Erfahrung damit und macht das durchaus gut. Die Eigenmarken sind stark und werden auch stark bleiben, wahrscheinlich wird da ein Anteil von 30 Prozent bei den Großen herauskommen.

Wie reagieren die Herstellermarken?

Für die Hersteller bleibt nur die Möglichkeit der Innovation. Die Herstellermarke hat den großen Vorteil, dass sie weniger den Käufer, aber mehr den Verbraucher gut kennt. Jemand, der sich ein ganzes unternehmerisches Leben lang damit beschäftigt, wie man den Männern den Bart aus dem Gesicht rasiert, der weiß auch sehr viel über den Verbraucher. Der Händler hingegen kann den Käufer gut einschätzen. Die Herstellermarken sind die Innovationstreiber für den Handel, viele Kategorien werden durch Herstellermarken aufgeladen. Im Bierbereich kann man beispielsweise ohne Marken wie Gösser oder Zipfer gar nicht arbeiten, wenn man in dieser Kategorie die volle Bandbreite darstellen möchte.

Definition Verbraucher - Käufer

Käufer ist jeder, der ein Produkt käuflich erwirbt. Verbraucher oder Konsument hingegen ist eine Person, die das Produkt verbraucht. Ein Konsument ist immer ein Endverbraucher.

Der Handel hat den Kunden zu einem Preisfuchs erzogen. Gibt es da einen Weg zurück?

Da tun mir die Händler nicht leid. Sie haben das gemacht, indem sie fast über eine ganze Generation lang den Kunden nur mit dem Preisargument gekommen sind. Dass der Konsument dann per se immer preisbewusster und preisorientierter einkauft, das ist ein Faktum. Dorthin ist der Konsument erzogen worden. Es hat in Österreich keine große Not gegeben, aus den Kunden solche Schnäppchenjäger zu machen. Denn die Österreicher haben im internationalen Vergleich ein hohes Einkommensniveau.

Womit hängt das zusammen?

Hofer ist eine eigene Geschichte, der hat sofort die Schnäppchenjäger abgezogen. Aber Österreich ist nicht das Land der Schnäppchenjäger, sondern eher der Traditionalisten: Der Österreicher bevorzugt eher herkömmliche Konzepte. Deshalb kommen hierzulande auch lokale Warenangebote mit der Rückverfolgung bis zum Ursprung gut an. Heute hat man auch bei Spar und Rewe die Regionalität. Dort hätte die auch bleiben können, ohne in diese Preisaggressivität zu gehen. Spar und Rewe waren ab einem bestimmten Zeitpunkt Massenmarken, da sie flächendeckend vertreten sind. Da sie eine sehr breite Konsumentenschicht abdecken, kann man in der Folge nicht nur für die Qualitätskäufer da sein. Daher muss man auch in den Preislagen relativ breit sein. Beide Firmen sind dann in niedrigere Einstiegspreislagen reingegangen. Teilweise mit den Eigenmarken, um auch von ihrer Seite her wieder Druck auf den Diskont zumachen. Als Rewe und Spar in den Preiskampf gegangen sind, haben sie das nicht mit Produkten oder mit einzelnen Kategorien gemacht, sondern mit ihren starken Handelsmarken.


Wie soll der stationäre Handel auf die Zunahme des Online-Shoppings reagieren müssen?

Es wird auf weniger Handelsfläche hinauslaufen, Österreich ist ja nicht unterversorgt, was die Flächen betrifft. Die Flächen werden kleiner, ich glaube, wir sind hier in Österreich am Ende der Flächenentwicklung. Jetzt steigt noch einmal der eine oder andere neue Anbieter ein, es steigen auch andere aus. Wenn der Online-Umsatz zunimmt, werden die Flächen zwangsläufig kleiner. Die Frage wird sein, wer die Logistik beim E-Commerce wirklich gut bewältigen kann. Im Internet kann ich meine Wünsche genau artikulieren: Welche Größe, welche Farbe, welcher Schnitt, welche Marke und dann muss man nur mehr schauen, wo bekomme ich es am günstigsten. Es gibt viele Menschen, die wollen nicht von einem Geschäft zum anderen gehen. Das ist vielen zu müheselig. Früher hätte kein Mensch Bankgeschäfte online abgewickelt. Heute ist es gang und gebe. Viele Dinge konnte man sich früher noch nicht vorstellen, manches ist auch zehn Jahre zu früh vorgestellt worden. Online wird sich immer mehr durchsetzen, davon bin felsenfest überzeugt.

Heute verlagern sich viele Ausgaben der Konsumenten weg vom Handel weg in Reisen, Freizeitgestaltung, neue Medien und Bildung. Wie wird sich dieser Trend weiterentwickeln?

Ich glaube, es wird eher in die andere Richtung gehen. Wir stehen hier in Europa, auch in Österreich, nicht vor den rosigsten aller Zeiten. 800.000 Menschen alleine in Österreich, ein Zehntel der Bevölkerung, sind armutsgefährdet. Diese Menschen haben das Problem, ausreichend Geld zu haben, um sich nur die Ernährung, die Heizung und das Wohnen, also die Grundbedürfnisse des Lebens leisten zu können. Es wird mehr Menschen geben, die auf Geld achten müssen. Die Menschen werden wieder viel mehr in den Bereich der Grundbedürfnisse investieren müssen. Das spüren beispielsweise auch die Do-It-Yourself (DIY)-Händler. Durch den starken Wirtschaftseinbruch in Zentraleuropa hat sich das Konsumverhalten total verändert. Wenn ich nicht mehr weiß, wie ich meine Familie ernähren soll, dann muss ich etwas weglassen. Dann wird eben das Bad nicht renoviert und der Garten wird nicht verschönert. Dass die Automobilindustrie so volatil reagiert, wie sie reagiert, kommt nicht von ungefähr. Man spricht von Umsatzeinbrüchen von bis zu 30 Prozent im nächsten Jahr, mit der Konsequenz, dass die Zulieferanten mit großen Problemen zu kämpfen haben. Die Preisschlacht auf diesem Markt hat schon begonnen, dann wird wieder über Neuwagenprämien diskutiert.

Wie werden Krisen bewältigt werden?

Es kann nicht sein, dass bei jeder Wirtschaftskrise nach dem Staat gerufen wird. Früher hatten wir die Wirtschaftskrisen alle zehn Jahre, jetzt werden wir alle zwei Jahre eine Krise haben. Herr Kramer vom Wifo (Anm.: Helmut Kramer war von 1981 bis 2005 Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts) hat schon vor vielen Jahren auf die Frage, ob es (Anm.: die graphische Darstellung der Konjunkturentwicklung) ein U, ein, V oder ein L werden wird, geantwortet, es werde ein W werden. Es werde rauf und runter gehen. Da braucht man sich nur die Entwicklung der Jahre seit 2008 ansehen. 2012 ist schon wieder ein Krisenjahr. Ich glaube, die Zyklen werden kürzer werden und für Europa insgesamt bedeutet das: Wir bekommen die Rechnung präsentiert, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Die Staatshaushalte sind nicht mehr belastungsfähig für Investitionen. Früher haben die Staatshaushalte antizyklisch in die Infrastruktur investiert. Wenn die Konjunktur nach unten ging, dann hat man wie wild zu bauen begonnen. Das können wir uns nicht mehr leisten. Unsere Staatshaushalte sind an der Grenze der Belastbarkeit angelangt. Im Gegenteil: Defizite müssen abgebaut werden, Ausgaben zurückgefahren werden, Banken müssen ihre Eigenkapitalquoten wieder nach oben bekommen. Es fehlen einfach die großen Wachstumsimpulse, und daher glaube ich, dass sich der Konsum zurück zu den Grundbedürfnissen verschieben wird. Die Menschen werden sparen müssen. Das sehe ich mittelfristig, in drei bis fünf Jahren wird das so sein.


Könnte Dayli dann wieder so ein zukunftsträchtiges Konzept werden, wo die Leute günstig ihre Grundbedürfnisse, auch am Land decken können?

Dayli muss erst einmal beweisen, dass er das Konzept umsetzen kann . Da ist in meinen Augen sehr viel vom Prinzip Hoffnung dabei. Ob das Ding einmal fliegen wird, weiß ich nicht. Ich glaube schon, dass die grundsätzliche Idee des One-Stop-Shops für verschiedene Erledigungen eine gute ist, insbesondere im ländlichen Bereich. Nur muss diese Komplexität erst einmal bewältigt werden. Die Logistik, das Knowhow und die Kompetenz bei den Mitarbeitern. Da braucht es Top-Verkäufer, die eine solche Bandbreite an vorgesehenen Aufgaben bewältigen können. Heute gibt es schon alleine das Problem, halbwegs qualifiziertes Verkaufspersonal zu finden. Das ist im Lebensmitteleinzelhandel nicht ganz so schlimm, weil sich da die Kunden selbst ganz gut auskennen. Aber wenn man beispielsweise den DIY-Bereich hernimmt, der auch beratungsintensiv ist bzw. sein sollte, weil gute Konzepte darauf aufbauen. Dort ist es äußerst schwierig, qualifizierte Fachverkäufer zu bekommen. In Fall Dayli muss ein Mitarbeiter sehr viele verschiedene Produkte verkaufen können, von den Schreibwaren über den Postpartner, über die Drogerieartikel bis zur Putzerei. Und zudem gibt es natürlich eine riesenlange Anlaufkurve bis ein solches Konzept auch funktioniert.

Preisunterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Deutschland ist fast immer billiger. Worauf führen Sie das zurück?

Die Preisschleuderer in Deutschland haben noch mehr geschleudert als hierzulande.
Ich glaube, dass hat vor allem mit dem höheren Wettbewerb in Deutschland zu tun. Hier in Österreich gibt es in einigen Branchen eine sehr hohe Konzentration. Jeder Regulator würde sagen, Konzentration ist schlecht für den Konsumenten. Österreich ist eines der am meisten konzentrierten Länder Europas und weniger Wettbewerb führt einfach zu höheren Preisen.

Die Person


Roland Falb, Jahrgang 1958, steht an Spitze der Wiener Niederlassung des Beratungsunternehmens Roland Berger & Partner, dem er seit 1994 angehört. Zuvor war der promovierte Wirtschaftsingenieur sechs Jahre für die Steirerbrau AG tätig, davon drei Jahre als Personalchef.

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