Der "Kassen-Blues": Wenn es ums Zahlen geht

KassenBlues Wenn Zahlen geht
KassenBlues Wenn Zahlen geht(c) AP (Geert Vanden Wijngaert)
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Für Händler ist der Kassenbereich eine Problemzone. Auf die Langeweile in der Warteschlange folgen oft Stress und Hektik an der Kassa selbst.

"Die grausame Wahrheit lautet, dass die meisten Einkäufe hinterher bezahlt werden müssen", schreibt Paco Underhill in seinem Buch "Warum kaufen wir?". Und er bringt die dahinter liegende Problematik für die Händler auf den Punkt: "Bei allem Glanz und der Glorifizierung des Einkaufserlebnisses im 21. Jahrhundert, trotz aller Kunst und Wissenschaft, die von den Genies des Konsums eingesetzt wurden, hat noch niemand eine Möglichkeit gefunden, die Phase des Zahlens und Einpackens attraktiver zu gestalten." Underhill beschreibt die Kassenzone als einen Desillusionierungsbereich: "Man erkennt die wahre Funktion des Geschäfts: Es ist nicht mehr als eine Maschine, in der Waren zu Geld gemacht werden."

Ist der Kunde erst einmal in dieser Problemzone angelangt, durchläuft er verschiedene Ebenen von Emotionen. Zu Beginn steht oft Langeweile: Das Warten an der Schlange kann zermürbend sein. Wer kennt nicht den Ruf ungeduldiger Kunden: "Zweite Kassa bitte!". Eine Studie der Beratungsfirma Gross Roots Performance aus dem Jahr 2008 zeigt, dass österreichische Kunden im Schnitt 2,7 Minuten an der Kasse warten müssen. Dabei geht es ihnen noch vergleichsweise gut: In Deutschland sind es sogar bis zu sieben Minuten. Manche Kunden drehen angesichts solcher Aussichten im Eingangsbereich des Geschäfts gleich wieder um. Oder noch schlimmer: Kunden, die bereits die Ware in der Hand halten, legen diese angesichts der unendlichen Warteschlange wieder zurück.

Nach dem Warten kommen Stress und Hektik

Ist die nervende Warteschlange absolviert, folgen Stress und Hektik. Wer kennt das nicht vom Großeinkauf am Wochenende: Die Kassiererin zieht die Waren viel schneller über den Scanner, als man - so geübt man auch sein mag - diese in den Einkaufswagen oder die Einkaufstasche schlichten kann. Zu kurze Förderbänder wirken zusätzlich als Gute-Laune-Verderber. Auch zu enge Gänge sorgen für Unmut. Und kaum hat man bezahlt, werden die ersten Produkte des folgenden Kunden nachgeschoben - egal ob die eigene Ware schon verstaut ist oder nicht. Das ist mitunter Stress pur.

Geld im Einzelhandel

56,3 Milliarden Euro flossen 2012 in die Kassen des österreichischen Einzelhandels - 17,7 Milliarden davon wurden für Lebensmittel ausgegeben.

Handelsexperten und Psychologen kennen die Leiden der Konsumenten gut. Es werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, um den Kunden zu besänftigen. Displays auf den elektronischen Kassen wünschen zum Beispiel einen guten Tag. Und mittlerweile gibt es sogar Kassenbereiche nach Feng Shui, die runder gestaltet sind, schreibt Michael Heckmann von "MarketMentor". Gleichzeitig ist die Kassenzone einer der umsatzstärksten Plätze im Markt, wie eine Studie des Europäischen Handelsinstituts (EHI) im Auftrag der Wrigley GmbH und der Mars GmbH gezeigt hat. Bis zu sechs Prozent des Umsatzes werden demnach in der Kassenzone erzielt, obwohl diese im Schnitt nur ein Prozent der Gesamtfläche des Geschäfts ausmacht (mehr dazu...).

Selbst-Scannen und Selbst-Kassieren

Um den Brennpunkt Kassenzone zu entschärfen, setzt sich zunehmend Selbst-Scanning und Selbst-Kassieren durch - langsam auch in Österreich. Bei Ikea gibt es die Selbst-Kassen schon seit Jahren, auch Spar hat mittlerweile einige Filialen dementsprechend erweitert. Im Spar-Markt in Salzburg-Hernau scannen und zahlen an manchen Tagen bereits bis zu 45 Prozent der Kunden bei der SB-Kasse. Der große Vorteil von Selbstbedienungskassen liegt auf der Hand: "Wer selbst scannt und bezahlt, empfindet den Aufenthalt in der Kassenzone nicht mehr so sehr als unnütze Zeit", schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Aber auch das Phänomen der Selbstbedienungskassen hat seine Kehrseite, wie im "Supermarktblog" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachzulesen ist. In Großbritannien, wo "Self Checkouts" längst Alltag sind, könne man die unschönen Folgen erkennen. Er führt das Beispiel einer Filiale von "Marks & Spencer Simply Food" an: "Dort stehen so viele Mini-SB-Kassen nebeneinander, dass das Kundengewusel dazwischen aussieht wie eine Legehennenbatterie, in die sich ein Fuchs verirrt hat. Vereinzelt stehen Angestellte dazwischen, um von Kassenzelle zu Kassenzelle zu hopsen und Probleme zu beheben."

Kontaktloses Zahlen und "Dienst am Sackerl"

Auch kontaktloses Zahlen wird zunehmend zu einem Thema. Kontaktlos zahlen bedeutet, dass beispielsweise eine Kreditkartentransaktion bis zu einer Summe von 25 Euro ganz ohne Unterschrift und PIN getätigt werden kann. Die Karte wird lediglich zur Bezahlstation hingehalten bzw. an dieser vorbeigezogen. Auf diese Weise können Transaktionen schneller getätigt werden, wie "Die Presse" berichtete. Bei Zielpunkt ist das etwa seit März 2012 möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Mastercard. Eine neue Quick-Karte kann bis zu 400 Euro an Guthaben aufladen. Benutzbar ist die Karte zwar überall, kontaktlos bezahlen kann man damit bislang aber nur bei der Buchhandelskette Thalia und bei der Restaurantkette Fresh Soup & Salad.

In den USA wiederum ist der sogenannte "Dienst am Sackerl" weit verbreitet. Das Personal hilft beim Einpacken und reduziert so den Stress für den Kunden. Hierzulande düfte sich dieses System aber nicht durchsetzen. In Österreich sind solche Einpackhilfen eine Rarität und zum Beispiel beim Meinl am Graben zu finden. In Deutschland wurde dieses Einpack-Service von den Handelskonzernen ausgelagert und geriet rasch in die Kritik. "taz.de" berichtete in diesem Zusammenhang von der Ausbeutung von Mitarbeitern. Diese gerieten als "Null-Euro-Jobber" in die Schlagzeilen.

Ein Blick in die Zukunft

In Schweden stellt die Supermarktkette ICA tragbare Scanner zur Verfügung, die man am Eingang zusammen mit dem Einkaufswagen an sich nehmen kann. Underhill beschreibt das Einkaufserlebnis folgendermaßen: "Man scannt das Olivenöl und die Eiscreme ein, wenn man sie in den Trolley oder die Einkaufstasche lädt, und zieht am Ausgang einfach nur die Kreditkarte durch das Gerät, wo ein Angestellter noch eben den Einkaufswagen wiegt, um sich davon zu überzeugen, dass der Preis und das Gewicht dessen, was Sie gewogen haben, auch zueinander passen."

Einen anderen, gegensätzlichen Zugang zum Thema hat ein weiteres skandinavisches Land, Finnland, gewählt. In einer Filiale der Supermarktkette "K-Citymarket" gibt es laut "Supermarktblog" eine Langsamkasse. "Anstatt hektisch Tüten vollzupacken, können sich die Kunden dort jede Menge Zeit lassen. Das Personal hilft sogar dabei, die Produkte vom Einkaufswagen aufs Kassenband zu legen, räumt alles in die mitgebrachten Taschen. Und wer noch nicht dran ist, nimmt so lange in einem Sessel neben der Kasse Platz."

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