Mariahilfer Straße: Spätes Einlenken der Bezirkspolitik

Die Presse
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Die Einkaufsmeile wird ab August zur Fußgängerzone auf Zeit. Jetzt wollen Handel und Politik gemeinsam Erfolgskriterien für den Probegalopp festlegen.

Noch in diesem Jahr soll auf der Mariahilfer Straße eine Fußgängerzone mit verkehrsberuhigten Abschnitten umgesetzt werden. Ein Vorhaben, das schon seit Jahren für Kontroversen sorgt. „Mehrere Monate soll der Testbetrieb dauern, bis Jänner oder Februar 2014 kann er sich die Dauer einer Probephase durchaus vorstellen" sagte Thomas Blimlinger, Bezirksvorsteher vom 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau beim Standorttag des Handelsverbandes. Konkrete Ziele, anhand derer der Erfolg oder Misserfolg des Probelaufs beurteilt werden soll, konnte Blimlinger jedoch nicht nennen und verwies auf noch laufende Gespräche. Der grüne Politiker gab aber Verbesserungspotential für die Politiker in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu. "Manche Dinge hätte man in der Vergangenheit besser machen können", sagte der Bezirksvorsteher. In einer Diskussionsrunde zeigte sich Blimlinger jedenfalls bereit, gemeinsam mit Handelsvertretern vorab einen Kriterienkatalog für die Bewertung des Testbetriebs zu erstellen.

Trotz dieses späten Teilerfolgs waren die Händler insgesamt mit der Vorgangsweise der Politik nicht einverstanden. „Einen Alleingang der Wiener Stadtpolitik" nannte es einer der Teilnehmer, im Halbjahrestakt seien die Wirtschaftstreibenden vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Auch Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, sowie führende Vertreter von Unternehmen in der Mariahilfer Straße wie Gerngross-Manager Günther Meier und C&A-Geschäftsführer Norbert Scheele kritisierten die fehlende Einbindung der Händler in die geplanten Veränderungen von Österreichs wichtigster Einkaufsstraße.

Sie befürchten massive Umsatzverluste ebenso wie erschwerte Rahmenbedingungen. „Wir haben eine Lieferzeit von sechs bis 14 Uhr gefordert, was abgelehnt wurde. Es ist völlig absurd, die Unternehmer dermaßen zu vergraulen", zeigte Jank beim Standorttag offen ihren Ärger. Zudem werden Händler, die in der eigentlichen Fußgängerzone ihre Geschäfte haben, gegenüber der restlichen Konkurrenz benachteiligt.

Start am 15. August

Die Fußgängerzone, auf der sich Passanten, Radfahrer und die Buslinie 13A begegnen werden, wird sich von der Andreasgasse bis zur Kirchengasse erstrecken. Angrenzend an diesen Bereich werden zwei Begegnungszonen bis zur 2er-Linie bzw. zur Kaiserstraße eingerichtet. Dort sollen rund um die Uhr Fußgänger Radfahrer, Passanten und Lieferverkehr gleichberechtigt und mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h die Fläche nutzen. Querungen zwischen den Bezirken sind im am 15. August startenden Probegalopp nicht vorgesehen. Dafür werden umfangreiche Einbahnregelungen den Autofahrern das Leben in den Seitenstraßen der Mariahilfer Straße schwer machen. Auf den drei noch verbleibenden Durchzugsstraßen in Mariahilf und Neubau, der Burggasse, der Gumpendorferstraße und der Neustiftgasse, wird eine Tempo-30-Regelung in Kraft treten.

Wann Probelauf einer Fussgaengerzone
Wann Probelauf einer Fussgaengerzone(c) APA

Diese Schritte sind für Hannes Lindner von der Standort + Markt Beratungsgesellschaft GmbH nicht ohne Risiko. „Jede Maßnahme verkehrlicher Natur kann für die Mariahilfer Straße extrem gefährlich werden", stellt Lindner in den Raum. Über zwei Millionen Menschen, die im Einzugsgebiet leben, nutzen die Mariahilfer Straße für ihre Einkäufe. „Da viele tendenziell einkommensstärkere Konsumenten mit dem Pkw auf die Mariahilfer Straße kommen, sollte bedacht werden, dass eine Verkehrs¬beruhigung zu massiven finanziellen Einbußen führen kann", so Lindner.

Autoverkehr ruiniert lokale Geschäfte

Gegenteiliger Meinung ist in der Verkehrsfrage Hermann Knoflacher. „Durch das Auto kommt es zu einem Ruin lokaler Geschäfte in den Städten. Laut der Befragung von Kunden stehen ausreichend viele Parkplätze zur Verfügung. Lediglich seitens der Handelsunternehmen wird ein Mangel empfunden", appelliert der Experte von der Technischen Universität Wien an die Händler. Die Mariahilfer Straße erfüllt für ihn alle Erfolgsfaktoren einer Einkaufsstraße: „Sie bietet ein enormes Angebot an Shops und mit ihren vier U-Bahn-Stationen einen hohen Anteil an öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn jemand zu Fuß bei einem Geschäft vorbei geht, dann muss er keinen Parkplatz suchen, hat einen kurzen ‚Bremsweg‘ und ist umso schneller im Geschäft", stellte Knoflacher die Vorteile der Fußgängerzone mit verkehrsberuhigten Abschnitten dar.

Dabei soll mit Shared Space auf der Mariahilferstraße ein in Wien vollkommen neues Konzept zum Einsatz kommen. „Es ist ein Grundbedürfnis der Menschen, im öffentlichen Raum zusammenzukommen und dort den Austausch zu pflegen. Erst im letzten Jahrhundert begann der Straßenverkehr, den Fußgängern den Raum streitig zu machen.", klärt der Grazer Experte Thomas Pilz auf. In Hinblick auf die Mariahilfer Straße bestätigte Pilz den Eindruck der Händler, dass das Pferd hier momentan von hinten aufgezäumt wird: „Erst muss man gemeinsam mit allen Stakeholdern überlegen, was mit der Begegnungszone erreicht werden soll - erst dann kann man sinnvoll über eine Verkehrslösung sprechen ."

Trotzdem zeigten sich die Händler vom Konzept der geplanten Begegnungszonen angetan und können sich eine positive Umsetzung durchaus auf der Wiener Einkaufsmeile Nummer eins vorstellen. Denn in London wurde auf der Exhibition Road auf eine Länge von etwa einem Kilometern eine solche Zone problemlos eingeführt, und das sogar mit zahlreichen Querungen.

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