"Letztklassig von dayli zu sagen, die Gewerkschaft war's"

PK GPA-DJP, PRO-GE 'ARBEITSBEDINGUNGEN BEI GROSSBAeCKEREI STROeCK IM VISIER DER GEWERKSCHAFTEN': PROYER
PK GPA-DJP, PRO-GE 'ARBEITSBEDINGUNGEN BEI GROSSBAeCKEREI STROeCK IM VISIER DER GEWERKSCHAFTEN': PROYERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Gewerkschafter Karl Proyer wirft dayli-Chef Haberleitner vor, mit fragwürdigen Geschäftskonzepten zu arbeiten. Eine sechste Urlaubswoche hielte er für gerecht.

DiePresse.com: Warum geht der dayli-Betriebsrat seinen Weg ohne Einbindung der Gewerkschaft?

Dem Betriebsrat ist eine Nähe und ein großes Verständnis zu den Maßnahmen der Geschäftführung von dayli nicht abzusprechen. Das war auch bei Schlecker nicht anders, als der damalige Betriebsrat vor sechs Jahren durch eine Initiative des damals leitenden Personals in eine Konfliktsituation geriet.

Kommen von dayli-Mitarbeitern mehr Beschwerden als von Beschäftigten anderer Unternehmen?

Die GPA hat im Zuge einer Befragungsaktion unter dayli-Mitarbeitern vor zwei Monaten von knapp 3000 Beschäftigten 700 Antworten zurückbekommen. Dabei wurden überwiegend Fragen und Beschwerden vorgebracht. Im Vergleich zu anderen Unternehmen, wo ähnliche Aktionen durchgeführt wurden, ist das eine überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote. Normalerweise erhalten wir von bis zu zehn Prozent der Mitarbeiter Antworten. Es spricht sehr viel dafür, dass es sehr wenig Kommunikation und Information sowohl von der dayli-Geschäftsführung als auch besonders vom Betriebsrat an die Beschäftigten gibt. Seit mehreren Monaten hat die GPA eine Kommunikationsschiene über das Internet zu den Mitarbeitern von dayli eingerichtet. Die Dichte der Rückmeldungen ist einfach besorgniserregend.

Werden Sie auch die dayli-Geschäftsführung mit den Rückmeldungen konfrontieren?

Die Gewerkschaft hat wissend, dass dayli in einer schwierigen Phase ist, immer nur dann öffentlich zu Beschwerden Stellung genommen, wenn es unbedingt notwendig war. Wir könnten aufgrund der Rückmeldungen sehr viel mehr sagen. Das machen wir jetzt nicht, weil Herr Haberleitner zuerst das einlösen soll, was er immer versprochen hat, nämlich, dass er sich um einen vernünftigen Investor kümmert. Die GPA hat Herrn Haberleitner mehrmals um Kontaktaufnahme ersucht. Wir wollen auch in dieser schwierigen Situation mit ihm reden, was aber vom dayli-Chef bis zur Stunde abgelehnt wurde.

Herr Haberleitner sagt, dass durch das Verbot der Sonntagsöffnung zahlreiche Arbeitsplätze in seinem Unternehmen gefährdet wurden?

Das ist in der Art und Weise wirklich albern. Es kann auch der Geschäftsführer von einem Taxiunternehmen nicht zu seinen Beschäftigten sagen, ab morgen sei es in Ordnung, wenn man bei Rot über die Kreuzung fahre. Und diese Anweisung würde auch nicht richtiger, wenn der Betriebsrat des Taxiunternehmens eine solche unterzeichnet. Herr Haberleitner hatte eine Reihe von Gutachten eingeholt, um zu überprüfen, ob sein Zaubertrick mit den Bistros aufgeht. Er wollte vorne im Geschäft einen Getränkeautomat aufstellen und Leberkäsesemmeln verkaufen und damit gleichzeitig eine Drogerie öffnen. Die Gewerkschaft hat ihm im Jänner 2013 mitgeteilt, er soll von der Sonntagsöffnung in dieser Form Abstand nehmen, weil die Gewerkschaft das nicht zur Kenntnis nehmen wird.

Wieso wollte Herr Haberleitner auf Konfrontation eingehen?

Ich glaube, er war überzeugt davon, dass das Gutachten hält. Ich finde es bemerkenswert schade, dass sich Haberleitner in eine Reihe mit Lugner (Anm.: Richard Lugner, Shoppingcenter-Betreiber) und Lugar (Anm.: robert Lugar, Klubobmann vom Team Stronach) katapultiert hat. Es ist wirklich albern und letztklassig mit fragwürdigen Geschäftskonzepten zu arbeiten, vor denen gewarnt wurde und im Nachhinein zu sagen, die Gewerkschaft war's.

Welche einzelhandelsrelevanten Themen stehen auf der Tagesordnung bei den anstehenden KV-Sitzungen?

Wir wollen wir die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Bereich der niedrigen Einkommen weiter fortsetzen, das heißt in den Beschäftigungsgruppen 2 und 3 , vor allem in den ersten Berufsjahren. Als Gewerkschaft möchten wir schon ein Stück raus aus der sehr oberflächlichen Lohnbeurteilung, Handel ist niedriger Lohn. Hier gibt es auch viel Übereinstimmung mit der Arbeitgeberseite.
Weiters werden wir auch am Thema Teilzeit weiterarbeiten und zwar in zwei Richtungen: Erstens soll es doch irgendwann so etwas wie eine Mindestteilzeitvereinbarung geben, also nicht unter 20 Stunden zum Beispiel, um eine gewisse Einkommenssicherheit auch für Teilzeitbeschäftigte auf den Boden bringen. Teilzeit-Beschäftigte werden häufig eingesetzt, um schwankende Aufftragssituationen und Kundenfrequenzen auszugleichen. Zweitens haben wir große Probleme mit der Durchsetzung des TZ-Mehrzeitzuschlages von 25 Prozent. Dieser Zuschlag wird gegenwärtig überwiegend nicht bezahlt. Auch haben wir uns mit der Wirtschaftskammer über eine alternative Samstagsregelung geeinigt, die wir in Kürze präsentieren werden.

Sie fordern eine sechste Urlaubswoche. Ist das nicht unzeitgemäß, da mit der Umsetzung auch Wettbewerbsvorteile aus der Hand gegeben würden?

Das ist ja nicht wahr. Die sechste Urlaubswoche gibt es doch schon. Man tut in diesem Land so als würde es diese nicht geben. Es gibt sie grundsätzlich spätestens nach 25 Jahren bei ein und demselben Unternehmen, da gewisse Vorzeiten angerechnet werden. Im Öffentlichen Dienst besteht ein anderes System, dort haben alle Beschäftigten nach dem 43. Lebensjahr die sechste Urlaubswoche haben. Das ist auf jeden Fall gerechter. Uns geht es vor dem Hintergrund, dass sich die Arbeitswelt ändert, schlicht darum, dass es fast ausschließlich um Frauen im Handel, in Sozial- und Gesundheitsberufen geht, wo Jobwechsel viel häufiger verbreitet sind.

Im Gegensatz zu vielen in Österreich glaubt die Gewerkschaft, dass genug Geld vorhanden ist und dieses ein Stück weit ungerecht verteilt ist und zwar nicht innerhalb der Mittelschicht. Die Herren von Rewe, Spar, Ikea und H&M würde die sechste Urlaubswoche für die Frau XY nach einer wesentlich kürzeren Betriebszugehörigkeit nicht wirklich kratzen. Das könnten sich alle in Wirklichkeit gut leisten.

Warum machen die Firmen es nicht?

Das ist eine sehr gute Frage. Die Firmen könnten mit gutem Beispiel vorangehen. H&M hat in Jahren zwischen 2008 und 2012 regelmäßig eine Dividende von 30 bis 35 Millionen Euro von Österreich nach Schweden geschickt. Da müsste eigentlich für ein paar beschäftigte Frauen, die schon länger im Unternehmen sind, die sechste Urlaubswoche drinnen sein. In Krisenzeiten sollten alle Gesellschaftsgruppen zur Bewältigung beitragen und den Zusammenhalt fördern. Diejenigen, die auf die Butterseite gefallen sind, hauen sich dann bei erster Gelegenheit woanders hin. Nein, das geht nicht.


Die Wirtschaftsdaten sind nicht berauschend. Der Handel hat ein mehr als schlechtes Halbjahr hinter sich gebracht. Was wird das für die KV-Verhandlungen am Jahresende heißen?

Gewerkschaft und Wirtschaftskammer werden sich im Herbst gemeinsam vergleichbare Kennzahlen und Benchmarks anschauen. Das Wachstum wird sehr bescheiden sein, obwohl der Herr Felderer etwas optimistischer ist, Dann prüfen wir die Entwicklung in den einzelnen Sektoren und die Inflation spielt natürlich auch eine Rolle. Zudem untersuchen wir auch viele Bilanzen und GuV-Rechnungen von Firmen. Und dann wird man eine Entscheidung treffen. Die Gewerkschaft ist jedenfalls zuversichtlich.

Die Einzelhändler heuer aber nicht.

Seit 1980 habe ich noch kein Jahr erlebt, wo die Händler insbesondere im vierten Quartal gesagt hätten, dass es ein besonders gutes Jahr gegeben hätte. Ich kenne auch Händler, die dann im ersten Quartal des Folgejahres gesagt haben, es war ohnehin nicht so schlecht. Die KV-Verhandlungen leben auch von der Authentizität der Verhandlungspartner. Da sind die Arbeitgeber aus großen und kleinen Unternehmen und überwiegend Betriebsräte sowie nur wenig hauptamtlich Beschäftigte der Gewerkschaft vertreten. Allein über die Betriebsräte wird auch die Stimmung aus den Unternehmen wiedergegeben. Und nur mit schlechten Botschaften wird es auch nicht gehen. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung sollte nicht immer nur von einem Jahr aufs nächste bewertet werden, sondern über längere Zeiträume.


In Deutschland gibt es eine Forderung, dass Gewerkschaftsmitglieder höhere Löhne und Gehälter erhalten sollen als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Was halten Sie davon?

In Österreich gibt es das Arbeitsverfassungsrecht mit der Außenseiterwirkung. Ich denke, das ist gut so, wie es ist. Die österreichischen Gewerkschaften müssen halt schauen, dass möglichst viele freiwillig der Gewerkschaft beitreten und diese unterstützen. Das ist unsere Message und dabei soll es auch bleiben.

(herbas)

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