Lebensmittel: Regionalität zählt mehr als bio

Lebensmittel Regionalitaet
Lebensmittel Regionalitaet (c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Biologische Produkte werden von Handelsketten intensiv beworben. Doch für die Konsumenten sind regionale Lebensmittel mittlerweile viel wichtiger als ökologisch produzierte Waren.

Wien. Biolebensmittel sind in. Nicht nur in allen Supermärkten, sondern auch bei Diskontern steht das Angebot hoch im Kurs. Aber es gibt einen Trend im Konsumverhalten, der bio noch bei Weitem übertrifft: die Regionalität von Lebensmittel.

Nach einer Studie von A. T. Kearney ist bei der Hälfte der Konsumenten mittlerweile jedes fünfte Produkt im Einkaufswagen ein regionales Nahrungsmittel. Hingegen ist nur jeder zehnte Artikel im Einkaufskorb ein Biolebensmittel. „Und fast zwei Drittel der befragten Österreicher kaufen wöchentlich regionale Lebensmittel. Damit liegen die Österreicher deutlich vor Deutschland und der Schweiz“, macht Mirko Warschun von A. T. Kearney die Vorreiterrolle der heimischen Konsumenten deutlich.

Aber was wird unter Regionalität überhaupt verstanden? Auch wenn anders als bei bio Standards und Gütesiegel fehlen, könne doch mit wenigen Schlagworten umschrieben werden, was die Kunden damit assoziieren, sagt Warschun. Frische, Saisonalität, Nachhaltigkeit, höhere Qualität zählen ebenso dazu wie Ressourcenschonung durch kurze Transportwege. Außerdem wolle der Konsument die lokale Landwirtschaft fördern und kleineren Betrieben etwas Gutes tun. Biolebensmittel, ein in der EU gesetzlich definierter Begriff, sind Produkte, die aus ökologisch kontrolliertem Anbau stammen. Fleisch muss von Tieren kommen, die artgerecht gehalten werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Obst, Gemüse oder Fleisch lange Transportwege zurücklegen.

Wie definiert man Regionalität?

Bei der Kennzeichnung von Regionalität zeigt sich im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel ein uneinheitliches Bild. „Wir halten eine verbindliche Definition von Regionalität mit der Einführung eines Logos für alle Anbieter nicht für zielführend“, sagt Spar-Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann. Der Begriff habe zu viele Dimensionen. Regionalität bedeute einfach mehr, als steirisches Kürbiskernöl und Salzburger Heumilchkäse ins Regal zu stellen. 40.000 Produkte von fast 2500 heimischen Erzeugern sind in den Spar-Regalen zu finden.

Bei Rewe werden Produkte, die zu 100 Prozent aus Österreich stammen, speziell gekennzeichnet. Eine exaktere Definition von Regionalität lasse sich aufgrund unterschiedlicher regionaler, kultureller und kulinarischer Zusammenhänge und Traditionen in Österreich kaum bewerkstelligen, heißt es dort. Mit dem „Billa Regional Regal“ kommt der Konzern einer Empfehlung der Kearney-Experten sehr nahe, wonach Produkte von lokalen Produzenten und Kleinbetrieben eigens präsentiert werden sollen.

Beim Diskonter Hofer betont man, dass die Marke „Zurück zum Ursprung“ bio und Regionalität vereint. Alle für die Herstellung eines Produktes wertgebenden Biozutaten und Biorohstoffe, wie zum Beispiel Futtermittel und Saatgut, müssen österreichischer Herkunft sein. Bei der Milch etwa kooperiert der Diskonter mit vier Lieferanten aus unterschiedlichen Regionen, um Regionalität und Frische zu signalisieren.

Die drei Unternehmen lehnen eine staatliche Einmischung – wie in Deutschland – ab. Beim Nachbarn wird Anfang 2014 das „Regionalfenster“ eingeführt, das mehr Klarheit für die Konsumenten bringen und Missbrauch verhindern soll.

„Die großen Lebensmitteleinzelhändler haben unterschiedliche Interessen und wollen sich eben nicht dreinreden lassen. Sie wollen selbst bestimmen, weil das die ökonomischen Effekte erhöhen kann“, erklärt Kearney-Experte Warschun.

Das Rezept dürfte auch aufgehen, denn neben Wochenmärkten oder direkt beim Bauern kauft die Mehrheit regionale Lebensmittel in den großen Supermärkten. Die Studienautoren erhoben auch, bei welchen Produkten die Konsumenten besonders auf die regionale Herkunft achten. Eier, Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte führen das Ranking an.

Fazit: A. T. Kearney bestätigt, dass der von den Unternehmen eingeschlagene Weg, verstärkt auf Regionalität zu setzen, richtig sei. Bleibt die Frage: Sind die Konsumenten bei regionalen Produkten genauso wie bei bio bereit, tiefer in die Tasche zu greifen? Die Erhebungen ergeben kein eindeutiges Bild. Während knapp zwei Drittel der Konsumenten angaben, dass niedrigere Preise ihren Konsum von regionalen Produkten erhöhen würden, wären 36 Prozent bereit, einen Preisaufschlag von bis zu 15 Prozent in Kauf zu nehmen.

1,2 Mrd. Euro Umsatz mit lokalen Waren

Da eine gesteigerte Wiedererkennung durch Marke oder Logo zu höheren Umsätzen führen würde, empfiehlt Warschun den Händlern, die Informationen über Produkte und deren Herkunft zu verbessern. Das Umsatzpotenzial für regionale Artikel schätzt er auf 20 bis 30 Prozent des österreichischen Lebensmitteleinzelhandels. Das wären 5,5 Mrd. Euro.

Ein beachtlicher Wert: Insgesamt setzte der heimische Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2012 18 Mrd. Euro um. Davon entfielen 1,2 Mrd. Euro auf regionale Produkte.

Auf einen Blick

Laut einer Studie von A. T. Kearney ist bei der Hälfte der Konsumenten mittlerweile jedes fünfte Produkt im Einkaufswagen ein regionales Lebensmittel. Hingegen ist nur jeder zehnte Artikel im Einkaufskorb ein Biolebensmittel. Für die Kunden ist die regionale Herkunft von Produkten wichtiger als der biologische Anbau. Mehr als ein Drittel der Konsumenten ist bereit, einen Preisaufschlag von bis zu 15 Prozent bei lokalen Produkten in Kauf zu nehmen.

Über 1000 Konsumenten in Deutschland, Österreich und Schweiz wurden zu ihren Präferenzen beim Lebensmittelkauf befragt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Umwelt

Klima: Braucht Europa neue Ziele?

Die EU entscheidet über strengere Klimaziele, die laut einer Studie billiger kämen als gedacht. Doch den Bürgern ist eine bessere wirtschaftliche Lage inzwischen ein wichtigeres Ziel als der Klimaschutz.
einigt sich strengere Klimavorgaben
Umwelt

EU einigt sich auf strengere Klimavorgaben für Pkw

Das CO2-Limit für Neuwagen soll bis 2020 von 130 Gramm durchschnittlich je Kilometer auf 95 Gramm sinken.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.