Bäcker, Fleischhauer, Greißler, Wirt

Bäcker, Fleischhauer, Greißler, Wirt
Bäcker, Fleischhauer, Greißler, Wirtwww.BilderBox.com
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Bernhard Beham ist 24 Jahre alt und erfüllt sich seinen Traum von einer modernen Nahversorgung. Sein Unternehmenskonzept orientiert sich an der guten alten Zeit, als es im Dorf noch Bäcker und Fleischhauer gab.

Bernhard Beham hat vor eineinhalb Jahren die Bäckerei seines Vaters im oberösterreichischen Mettmach übernommen. Damals beschäftigte der Familienbetrieb vier Mitarbeiter, heute sind es 15. Im Juni sollen weitere zehn dazukommen, sagt der 24-jährige Unternehmer Beham. Dann nämlich wird er in Wildenau sein „Einkaufszentrum“ eröffnen.

Beham, das ist die Geschichte eines Mannes, der auszog, um die alten Dorfstrukturen wiederzuerrichten. Früher gab es in jedem Dorf mindestens ein Wirtshaus, ein Kaufhaus, einen Bäcker und einen Fleischhauer. Sie haben längst alle zugesperrt. Heute fahren Behams Verkäuferinnen mit den Bussen durch die kleinen Ortschaften, die für die großen Lebensmittelketten zu klein sind.

Eine TV-Doku aus der ehemaligen DDR.Die Idee zur mobilen Nahversorgung hatte er vor wenigen Jahren. Eine TV-Doku aus der ehemaligen DDR gab den Ausschlag. Dort hörte Beham von einem Versuch in den 1970er-Jahren, entlegene Gebiete ohne Nahversorgung mit Lkw zu beliefern. Seit einem Jahr hat Beham drei Busse im Einsatz. Mehrmals pro Woche beliefern sie die kleinen Dörfer, jeder Bus führt mehr als 1000 Artikel mit.

„Die Menschen werden immer älter. Viele können sich kein Auto leisten oder haben einfach keines“, sagt Beham. Nach wie vor ist er vor allem Bäcker. Aber längst hat er die Bäckerei um ein kleines Kaufhaus samt Café erweitert. Für den jungen Unternehmer ist die mobile Versorgung eine Notlösung. Aber keine Lösung.

Behams Idee: Die Nahversorgung von morgen orientiert sich an den Strukturen von vorgestern. Im benachbarten Wildenau errichtet er auf einer kleinen Fläche von 250 Quadratmetern eine Bäckerei, eine Metzgerei, ein Kauf- und ein Kaffeehaus. Fast so wie früher, nur unter einem Dach. Das ganze wird Berni's Feinkost heißen. Am 1.Juni soll die Eröffnung gefeiert werden. „Wir wollen ein ehrliches, regionales Produkt vermarkten, hinter dem ich mit meinem Namen stehe“, sagt Beham. Und ergänzt: „Wir machen keine Semmel, die über ein Förderband läuft, wir produzieren Semmeln ohne Zusätze.“ Ein paar Marketingratgeber hat er schon gelesen, und Kurse – etwa über Verkaufspsychologie – besucht.

Wenn er über sein Projekt redet, kommt ihm regelmäßig das Wort „Einkaufszentrum“ über die Lippen. Also ausgerechnet jener Begriff, der den Niedergang der klassischen Nahversorgung eingeleitet hat.

Ein Kredit von Raiffeisen

Auch hinter Berni's Feinkost steht der Lieferant und Großhändler Pfeiffer, der so nebenbei auch Eigentümer von Nah&Frisch und Zielpunkt ist. Andererseits aber auch ein Metzger aus der Region, der für Qualität und Nachhaltigkeit steht. Und selbst die Finanzierung klappt wie in den guten alten Zeiten. „Die Raiffeisenbank hat mir die Kredite ohne Probleme gegeben, sie steht hinter dem Projekt. Immerhin reden wir über Investitionen von etwa 300.000 Euro pro Standort.“ Denn nach Wildenau soll auch in seinem Heimatort Mettmach ein „Edelstandort“ errichtet werden.

Wildenau ist für Bernhard Beham geradezu ideal. Keine Konkurrenz und viel Potenzial. Gerade eben werde in dem 1000-Einwohner-Ort über die Errichtung von 80 neuen Gebäuden verhandelt. Bürgermeister Karl Mandl nennt Berni's Feinkost „beispielgebend für den ländlichen Raum“. Mit dem neuen Standort will Beham auch ein neues Ortszentrum schaffen.

Aber was, wenn in ein, zwei Jahren einer der großen Lebensmittelriesen ausgerechnet in Wildenau oder Mettmach einen Supermarkt eröffnet? Diese Sorge hat Beham nicht. „Die Großen konzentrieren sich ohnehin auf Tankstellenshops“, sagt er. „Große Händler schaffen diese Regionalität nie.“

Und die Betonung liegt auf „diese“. Denn der 24-Jährige versteht unter Regionalität nicht nur den Ursprung der Produkte, sondern auch seine Mitarbeiter. Der Leiter seines „Einkaufszentrums“ muss voll in der Gemeinde integriert sein. „Er muss im Markt selbst mitarbeiten, im Ort wohnen und auch in den Vereinen verankert sein“, betont der Bäckermeister. „Im Gegensatz zu den Großen ist bei uns der Handel nur ein Teil des Geschäftsmodells.“ Beham wird lokale Vereine wie Feuerwehr und Musikkapelle sponsern und dafür jährlich 6000 Euro budgetieren. „Eine große Supermarktkette schafft es nicht, in einen lokalen Verein zu investieren.“

„Wir machen aus den Schwächen der Großen unsere Stärken. Ein Einzugsgebiet von 5000 Einwohnern brauchen wir nicht, uns reichen 1000“, sieht der 24-Jährige noch viel Potenzial für neue Projekte. Während sich der Handel in Österreich längst zum beinharten Verdrängungswettbewerb entwickelt hat, sieht Beham für seine Retrovision viele „weiße Flecken“ in der Landschaft. „Wir gehen deshalb in keine Orte, in denen es noch einen Bäcker oder Fleischhauer gibt“, sagt er.

Angst vor Nachahmern hat er nicht. Im Gegenteil. Er würde sich mehr Kollegen wünschen, die über das Backblech hinaussehen. „Der moderne Bäcker soll nicht nur in der Backstube lungern und dort wie ein Blöder arbeiten, sondern er muss kundenorientiert sein.“ Der Bäcker müsse sich „am Handel orientieren, denn wir müssen beides sein: Bäcker und Händler.“ Nur so könne das Sterben der Nahversorger gestoppt werden, ist er überzeugt. An Unterstützung aus der Bevölkerung fehle es nicht. Die Konsumenten seien bereit, „für ein ehrliches Produkt“ einen höheren Preis zu bezahlen.

„Ohne Bäcker und Fleischhauer verlieren wir ein wichtiges Stück österreichischer Kultur“, mahnt der Bäcker. „Fleisch- und Brotkultur machen viel von unserem Lebensgefühl aus.“

Steckbrief

Bernhard Beham
ist Bäckermeister im oberösterreichischen Mettmach.

Im Juni 2014 wird der 24-Jährige im Innviertel ein Café, eine Bäckerei, eine Fleischhauerei und einen Greißler eröffnen, alles unter einem Dach.
Dagmar Achatz

Auf einen Blick

Jede dritte Gemeinde Österreichs
hat keinen Nahversorger.

Ein Supermarkt braucht mindestens 3000 Menschen im Einzugsgebiet.

336 Gemeinden in Oberösterreich
haben weniger als 3000 Einwohner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2014)


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