Das Handy ist (noch) keine Geldbörse

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Seit einigen Jahren kann man in Österreich mit dem Handy im Handel bezahlen. Nur drei Prozent der Kunden nutzen diesen Service. Der angekündigte Hype blieb aus.

Wien. Bargeld soll den elektronischen Zahlungen weichen. EU und Notenbanken wollen alle Geldgeschäfte einsehbar und kontrollierbar machen. Als erstes Land macht sich Schweden daran, das Bargeld abzuschaffen und zum Vorreiter der zweiten „Revolution der Banken" zu werden. Ausgerechnet Schweden, das 1661 als erstes Königreich das Papiergeld eingeführt hat.

In Österreich ist man noch weit davon entfernt. 85 Prozent der Transaktionen beim Bezahlen werden in bar erledigt. Lediglich 1,6 bis drei Prozent der Österreicher bezahlen mit Handy oder Smartphone, berichtete Marktforscher Thomas Schwabl von marktagent.com kürzlich beim Handelskolloquium des Österreichischen Handelsverbandes. Seiner Untersuchung zufolge kann sich nur jeder siebente Österreicher grundsätzlich vorstellen, das Handy als Brieftasche zu verwenden. Von einem Hype, wie von IT-Dienstleistern suggeriert wird, könne laut Schwabl keine Rede sein. Ähnlich ist die Situation übrigens auch in Deutschland. Dort bevorzugen 60 Prozent der Konsumenten den guten, alten Euroschein als Zahlungsmittel.

Nicht einmal theoretisch wäre ein bargeldloses Leben möglich, weiß Maik Klotz. Der Saarländer entwickelt Apps. In Berlin versuchte er 14 Tage lang ausschließlich mobil zu bezahlen. Fazit seines Selbstversuchs: Es mangelt an Information, an Geschäften, die alternatives Zahlen erlauben und letztlich auch an schlecht geschulte Mitarbeitern an der Kasse. In einem Geschäft musste er gar auf den Parkplatz ausweichen, um den notwendigen Internetempfang zu bekommen. „Wir sind nicht in den Kinderschuhen, was Mobile Payment betrifft. Wir sind nicht mal in der embryonalen Phase", bringt es Klotz auf den Punkt.

„Notwendiges Übel" für Handel

Das bestätigt auch Frank Rehme. Mobiles Bezahlen sei in der Realität der Menschen noch nicht angekommen. Als Business Angel in Düsseldorf unterstützt er Jungunternehmer. Er meint: „Es gibt mehr Präsentationen über Mobile Payment als tatsächliche Transaktionen." Für Rehme gibt es für Kunden keinen Grund, Bargeld und Karte Lebewohl zu sagen.

Das sieht Martin Meinert vom deutschen Berater Mücke & Sturm völlig anders. Mehr als die Hälfte aller Händler planen in den nächsten drei Jahre die Einführung von Mobile-Payment-Lösungen, zitiert er Umfragen. Und das, obwohl die Freude bei den Kunden darüber eher überschaubar scheint. Sechs von zehn Österreicher sind an einer Nutzung von Mobile Payment derzeit nicht interessiert.

Und trotzdem drängen Banken, Telekommunikationsunternehmen und neue Bezahldienste wie PayPal mit immer neuen Lösungen auf den Markt. Und für diese „Lösungen" werden bei den Händlern Gebühren eingehoben. PayPal etwa verlangt 3,4 Prozent vom Umsatz. Für größere Partner seien natürlich Rabatte vorgesehen, sagt Boris Wolter von PayPal Deutschland.

Mehrwert für Kunden fehlt noch

Die Übertragungstechnologien beim Bezahlen per Handy oder Smartphone reichen von Funk via Near Field Communication (NFC) und optischen Systemen wie QR-Codes bis hin zu Bluetooth. Die Smartphone-App „Vero" des österreichische Anbieters Secure Payment Technologies hat es bereits in die Kassenanwendungen von Hartlauer, Merkur, MPreis und Billa geschafft. Die App wird am Smartphone gestartet und nach der PIN-Eingabe erscheint ein Strichcode auf dem Display. scannt sie den Code anstatt Bares zu verlangen. Damit ist die Bezahlung auch schon abgeschlossen, erklärte erklärte Michael Suitner, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Die Anwendung erfülle aus seiner Sicht die Sicherheitserwartungen, dem Kundenanliegen Nummer eins. Denn es werden nur anonyme Daten übermittelt.

Es sei noch nicht gelungen, dem Kunden einen Mehrwert zu vermitteln, kritisiert Mobile-Payment-Experte Klotz. Noch fehlen einheitliche Standards, noch sei das Thema Datenschutz nicht gelöst. Der Datenschutz sei intransparent, je nach Anbieter seien bis zu drei Parteien in die Abwicklung involviert und die Zustimmung zur Analyse und personalisierten Werbung sei obligatorisch.
Aus Sicht der Konsumenten gibt es vor allem ein Argument für Mobile Payment: Wer seine Geldbörse verliert, verliert damit nicht nur sein Bargeld sondern riskiert auch, dass mit seinen Kreditkarten auf Shoppingtour gegangen wird. Geht das Handy verloren, besteht dieses Risiko nicht, weil hier in der Regel ein Pin-Code überwunden werden muss.

Für Gerald Putz, IT-Chef beim Modehändler C&A, ist Bargeld nach wie vor die kostengünstigste Lösung für den Handel. Bargeldloser Zahlungsverkehr koste den Händlern Gebühren bis zu 2,5 Prozent vom Umsatz, brächte allerdings keinen Mehrwert und sei deshalb ein „notwendiges Übel. Die Diskussion über Zahlen mit Handy erinnert Putz an Zeiten, als hierzulande Kreditkarten noch nicht so verbreitet werden. Der Handel werde Mobile Payment nur auf Druck des Konsumenten einführen.

"Wir brauchen keine Verkomplizierung"

Die Technologien dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen zusammen mit den Handelspartnern in ein einheitliches Konzept integriert werden", glaubt Gerald Gruber, Country Manager Austria von Master Card Europe, das richtige Rezept zu kennen. Und gibt dem stationären Handel im Zeitalter des digitalen Einkaufens mit auf dem Weg, dass es viel wichtiger sei, dass er vom E-Commerce lerne, Zusatzinfos bereit- und Warenverfügbarkeit sicherstelle sowie das Einkaufserlebnis vor Ort optimiere, um sich gegen den Online-Handel zu behaupten.

Dennoch überwog am Ende die Meinung, dass es noch lange bis zur bargeldlosen Gesellschaft brauchen werde. Einen Hype gebe es nur in den Köpfen der Anbieter, glaubt Design Thinker Klotz. „Mobile Payment ist ein von der Technologie getriebenes Thema verbunden mit dem Wunsch, an den Transaktionen Geld zu verdienen", stellt der deutsche Experte fest. „Wir brauchen eine Vereinfachung und keine Verkomplizierung des Bezahlens", erteilte er den gegenwärtigen Bemühungen der IT- und Bezahldienstleister eine Abfuhr. Die Menschen wollen eine Kontrolle über ihre Geldflüsse.

("Die Presse", Printausgabe vom 19.4.2014)

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