Karl Proyer: "Arbeitgeber müssen sich anstrengen"

PK GPA-DJP, PRO-GE 'ARBEITSBEDINGUNGEN BEI GROSSBAeCKEREI STROeCK IM VISIER DER GEWERKSCHAFTEN': PROYER
PK GPA-DJP, PRO-GE 'ARBEITSBEDINGUNGEN BEI GROSSBAeCKEREI STROeCK IM VISIER DER GEWERKSCHAFTEN': PROYER(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Gewerkschafter will, dass man die 500.000 Beschäftigten im Handel mit der Frage der Sonntagsöffnung in Ruhe lässt.

Die Presse: Was halten Sie vom Neos-Vorschlag, Händler mit Geschäften unter 200 Quadratmeter sollten am Sonntag aufsperren können?

Karl Proyer: Es ist ein Wettbewerb um die Sonntagsöffnung ausgebrochen. Wann immer die Gewerkschaft in einer kleinen Ecke geregelte Sonntagsarbeit überlegt, ist das der Startschuss für eine Megadiskussion. Was die Neos sagen ist auch wieder nicht so bedeutend. Bemerkenswert an der Diskussion ist, dass die Interessen der Beschäftigten nicht vorkommen. Aber sie wollen am Sonntag nicht arbeiten.

Sonntags beim Bäcker bekommt man da einen anderen Eindruck. Da sind viele Studenten tätig, die erste Erfahrungen sammeln.

Sie sammeln vor allem erste Erfahrungen, wie es ist, wenn man nicht bekommt, was einem zusteht. Das kann man so pauschal sagen. Die Geschichte von vereinzelten schwarzen Schafen im Dienstleistungsbereich, Handel und im gewerblichen Bereich der Bäckereien ist Unsinn, das ist überall so. Die Arbeitgeber sollen erst den Mitarbeitern bezahlen, was ihnen laut KV zusteht. Wenn das bezahlt wird, sollen sich alle wieder melden.

Welche Verfehlungen meinen Sie da konkret?

Zum Beispiel den Teilzeitzuschlag und das, was geringfügig Beschäftigte tatsächlich bezahlt bekommen. Wir wissen aus hunderten Fällen, dass die Beschäftigten nicht bekommen, was im KV steht. Jenseits der ideologischen Debatte sehen wir keinen Grund, mit jemandem, der sich nicht an Regeln hält, neue Vereinbarungen zu treffen. Bei der Sonntagsarbeit wollen wir das, was üblich ist: den Grundlohn, einen freien Tag und den 100-prozentigen Zuschlag.

Warum sollten Händler, die Zuschläge bezahlen würden, nicht aufsperren dürfen?

Die Gewerkschaftsbewegung muss immer erklären, wieso wir nicht aufsperren lassen wollen. Wir wissen, dass es die Mitarbeiter nicht wollen. Es ist ein Grundrecht in jeder Demokratie, dass etwa 500.000 Beschäftigte im Handel sagen können, wir wollen das nicht. Ich verstehe nicht, warum man sie mit dieser Frage nicht in Ruhe lässt.

Bürgermeister Häupl sagte, er könne sich eine Tourismuszone mit Sonntagsöffnung vorstellen, wenn sich die Sozialpartner einigen. Wie steht die Gewerkschaft dazu?

Die Verhandlungen werden nicht so leicht, wie sich einige das vorstellen. Es wird nicht so sein, dass sich jemand bei uns eine Unterschrift abholen kommt. Ich spinne fort, was öffentlich gesagt wurde: Dass die Beschäftigten ohnehin 100Prozent hätten und damit sind wir durch, die Gewerkschaft braucht nur unterschreiben. Davon sind wir noch ein Mondjahr entfernt. Zudem wissen wir nicht, ob der Sozialpartner überhaupt mit der Forderung Sonntagsöffnung kommt.

Nehmen wir an, die Wirtschaftskammer kommt mit diesem Anliegen zu Ihnen.

An faireren Arbeitsbedingungen führt kein Weg vorbei. Da wird es neue Qualität brauchen. Derzeit passt es am Samstag nicht und den Sonntag haben wir noch nicht. Da werden sich die Arbeitgeber anstrengen müssen. Wenn wir im Jahr 2014 noch immer die Frage behandeln, ob die Gewerkschaft in einem Einkaufszentrum Arbeitsbedingungen überprüfen darf, dann wird es mit uns keine Regelung geben, heute nicht und nicht in Zukunft.

Mögliche Mehreinnahmen von bis zu 140 Mio. Euro für den Handel spielen für Sie keine Rolle?

Wir würden uns freuen, wenn die Touristen mit den teuren Juwelierstücken aus Österreich wegfahren und Mehrwertsteuer in Österreich zahlen und nicht am Flughafen zum Schalter gehen und sich die Steuer rückvergüten lassen.

In anderen EU-Städten ist sonntags offen, in einigen ist der Sonntag der umsatzstärkste Tag.

In Zürich sind die Geschäfte am Samstag um 17 Uhr geschlossen, am Sonntag sowieso. Ich glaube nicht, dass die Menschen dort in absoluter Armut leben. In Berlin verschiebt sich alles in kreative Geschäftszonen, wo der Ansatz ein anderer ist. Dort verläuft das Geschäft quer durch Gastronomie und Verkauf ohne klare Trennung. Wir verschließen uns dieser Diskussion nicht, wenn es um kreative Belebung geht. Das würde ich anders sehen, als würde jemand im Zuge des Songcontests am Sonntag ein Ikea-Kasterl kaufen müssen.

Der Handel hat 2013 einen Doppelabschluss erreicht. Ein Zukunftsmodell?

Nein, das ist weder im Handel noch irgendwo sonst vorgesehen. Wir bleiben bei Zwölfmonatsabschlüssen, weil wir bei den Abschlüssen nicht spekulieren wollen, sondern über reale und faire Zahlen sprechen wollen.

Man könnte das „Spekulieren“ auch Planungssicherheit für Unternehmen und Perspektive für Mitarbeiter nennen.

Dem kann ich nichts abgewinnen. Ich sitze täglich mit Partnern in Verhandlungen, die unisono sagen: Nichts ist sicher in der Zukunft. Ist die Zukunft so unsicher, können wir bei Zweijahresabschlüssen keine guten Verhandlungsergebnisse erzielen.

ZUR PERSON

Karl Proyer, geboren 1953, ist der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP). Proyer begann 1980 als Sekretär in der Wiener GPA-Zentrale. Seit 1988 befasst er sich schwerpunktmäßig mit Kollektivverträgen, seit 2005 ist Proyer stellvertretender GPA-Geschäftsführer und dabei unter anderem zuständig für KV-Politik. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2014)

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