Lidl Österreich: Brotzeit statt Lifestyle

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Der Diskonter Lidl grenzt sich in Österreich bewusst vom deutschen Mutterkonzern ab. Nicht moderner Chic ist angesagt, sondern bodenständige Regionalität samt Volksmusik.

Wien. In Deutschland versucht der Diskonter Lidl gerade, mit einer 180-Grad-Wende seinem angekratzten Image zu entkommen. Mit edel gestalteten und auf Lifestyle getrimmten Werbespots unterzieht der Diskonter sich einer Radikalkur.

Ein gewagtes Unterfangen, sagen Experten und meinen damit nicht nur die Kosten. Kolportierte 50Millionen Euro gibt Lidl laut deutschen Medien dafür aus, um die Skandale der Vergangenheit mit Werbung auszubügeln: ob die Überwachung der eigenen Mitarbeiter bei ihren Toilettengängen durch Detektive, Produktionsbedingungen für Waren in Bangladesch oder das Verbot, einen Betriebsrat zu gründen. Lidl sorgte in den vergangenen Jahren in Deutschland für Aufsehen.

Genauso wie mit der aktuellen Werbung. Gegen Lidls Kaffeespot wirkt Nespresso-Testimonial George Clooney regelrecht bescheiden. Der Werbespot habe überhaupt nichts mit der Marke Lidl zu tun, kritisiert der Hamburger Markensoziologe Oliver Errichiello im „Handelsblatt“.

Lidl Österreich hat 2012 einen anderen Weg eingeschlagen. Alexander Deopito leitet die Landesorganisation seit zwei Jahren, und am liebsten wäre ihm, man würde Deutschland gar nicht erwähnen. Er wirbt zwar ebenfalls mit dem Slogan „Lidl lohnt sich“, setze aber auf eigenständige Werbung. „Lidl Österreich hat sich vor drei Jahren entschieden, die österreichische Tonalität hereinzubringen“, sagt er zur „Presse“. In den Werbespots hierzulande setzt Lidl auf Regionalität. Statt Lifestyle gibt es Alpenlandschaften und Musik von der volkstümlichen Band Seer, die für Lidl ein eigenes Lied komponiert hat.

Umsatz stieg um 22 Prozent

Die jüngsten Studien des Marktforschers GfK scheinen Deopitos Strategie zu bestätigen. Die Nummer vier des österreichischen Lebensmitteleinzelhandels konnte demnach seit 2012 den Umsatz um 22Prozent auf 900 Millionen Euro steigern, ohne das Filialnetz wesentlich zu erweitern. Lidl selbst nennt keine Zahlen.

Deopito setzt nicht nur auf Werbung. Auch der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern trage zur Imagepolitur bei. Lidl zahlt generell 15Prozent über Kollektivvertrag. „Sie gewinnen nicht den Great Place to Work Award, wenn sie ihre Mitarbeiter schlecht behandeln“, sagt Deopito. Unter dem steirischen Manager hat Lidl erstmals seit seinem Markteintritt in Österreich 1998 einen Betriebsrat installiert.

So wie andere Diskonter folgt Lidl auch dem Trend nach Markenartikel. Coca-Cola und Red Bull stehen wieder im Regal. Allerdings nicht in Nähe der sogenannten vitalen Kassa. An dieser Kassa werden keine Süßigkeiten verkauft. Auf Wunsch vieler Mütter sei diese „quengelfreie Zone“ geschaffen worden, erzählt Deopito.

100 Millionen Euro investiert Lidl heuer in moderne Filialen und ein Logistikzentrum in Wundschuh bei Graz. „Erst dann gehen wir wieder in die quantitative Expansion“, betont der Lidl-Chef. Dann stehen neue Filialen in Wien auf dem Plan. „In der Stadt mit bald zwei Millionen Menschen haben wir Aufholbedarf.“ Mit nur 27 von 203 Filialen sei der Diskonter in der Hauptstadt unterrepräsentiert, so Deopito.

„Kein Thema“ ist für den Lidl-Österreich-Chef vorerst der Onlinehandel. Dieser macht in Österreich bei Lebensmitteln 1,5 Prozent des Umsatzes aus. „Wir sind ein hoch effizienter Supermarkt und setzen Ressourcen sparsam ein“, sagt Deopito. „Wenn wir in drei Jahren feststellen, dass Online sinnvoll ist, werden wir uns der Sache annehmen.“ Und Sinn sieht der Manager erst ab einem Umsatzanteil von fünf Prozent. Dass Konkurrent Pfeiffer vorausmarschiert, stört Deopito nicht. „Wir sind schnell im Aufholen.“

Skepsis bei Hauszustellung

„Der Österreicher ist beim Einkauf traditionell und konservativ. Er will sein Stammgeschäft, da fühlt er sich zu Hause.“ Die größte Hürde beim Onlinekauf sieht Deopito in der Hauszustellung. Der Kunde habe keine Freude, wenn er etwas nach Hause geliefert bekomme, in die Box hineinschaue und feststellen müsse, dass die Lebensmittel nicht mehr frisch seien.

Menschen kaufen im Supermarkt intuitiv ein, weiß der Lidl-Chef. Sie gehen mit einer Einkaufsliste ins Geschäft und verlassen es mit vielen Waren, die nicht auf der Liste standen. Dass sich das Internet durchsetzen wird, ist für Deopito eine Frage der Zeit. „Lidl lohnt sich.“ Für den Onlinehandel gilt dieser Slogan aber noch nicht.

ZUR PERSON

Alexander Deopito führt seit 2013 die Geschäfte von Lidl Österreich. Zuvor war der Steirer als Leiter des internationalen Einkaufs bei der Lidl-Stiftung im deutschen Neckarsulm tätig. Der Betriebswirt ist der erste Österreicher an der Spitze von Lidl Österreich. Hierzulande beschäftigt Lidl in 203 Filialen etwa 4000 Mitarbeiter und ist mit 900 Millionen Euro Nettoumsatz der viertgrößte Lebensmitteleinzelhändler. [ Lidl ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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