Fesselnde Ökonomie: Die besten Wirtschaftskrimis 2012

Fesselnde oekonomie besten Wirtschaftskrimis
Fesselnde oekonomie besten Wirtschaftskrimis(c) Reuters (George Esiri)
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So spannend kann Wirtschaft sein. DiePresse.com hat die besten Krimis und Thriller rund um Schuldenkrise, Gier und Energieabhängigkeit gewählt.

Das Jahr 2012 neigt sich dem Ende zu. Aus wirtschaftlicher Sicht stand es erneut im Zeichen der Schuldenkrise. Viele Sachbücher sind darüber und über andere brennende Themen aus den Bereichen Finanz und Wirtschaft geschrieben worden. Angesichts der Flut von mehr oder weniger seriöser Krisen-Literatur ist es schwer den Überblick zu behalten. DiePresse.com versucht daher, den Weg durch den Publikationsdschungel ein wenig zu erleichtern. Der Hobbyökonom legt seinen Fokus auf Krimis und Thriller und wählt die besten im Jahr 2012 erstmals auf deutsch erschienenen Werke.

Warum? Krimis und Thriller sind heute oft weit mehr als Trivialliteratur. Sie bieten zwar einerseits Spannung und Unterhaltung, helfen aber gleichzeitig, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen. Ganz nach dem angelsächsischen Motto "educate and entertain". In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen helfen sie, die komplizierte Wirtschaftswelt da draußen besser zu begreifen. Ausgezeichnet werden Bücher, die es schaffen, Ökonomie einer breiten Öffentlichkeit auf spannende und leicht verständliche Weise zu vermitteln. Auswahlkriterien sind neben der Aktualität der Fokus auf ein gesamtwirtschaftlich relevantes Thema sowie gute Lesbarkeit.

>>Die besten Wirtschaftskrimis 2011

Und auf geht's zu den besten sechs Büchern des Jahres 2012:

Platz 6: Wolfgang Kaes - Das Gesetz der Gier

(c) C. Bertelsmann

Der deutsche Autor Wolfgang Kaes beschreibt in "Das Gesetz der Gier" eine Schattenseite der Globalisierung: Durch die Sandstrahltechnik erhalten neue Jeans eine abgewetzte Optik - als wären sie schon viele Jahre alt. In der Türkei wurden dadurch die Lungen tausender junger Arbeiter ruiniert, berichtete "Die Presse" bereits Anfang 2011. Sie leiden unter Silikose - Staublunge.

Kaes beschreibt in seinem Thriller, was das Sandstrahlen im menschlichen Körper anrichtet: "Durch das Sandstrahlen unter Hochdruck bildete sich Silizium, das sich in Verbindung mit Sauerstoff in Quarze verwandelte. Geriet das giftige Mineral durch die Luftröhre in die Lunge, was in den unbelüfteten Kellern zwangsläufig geschah, bildete sich dort neues Gewebe, wucherte unkontrolliert und vernarbte die Lungenflügel." Die Folgen sind oft tödlich: "Hustenanfälle, rasselnder Atem, rapide Gewichtsreduktion, blutiger Auswurf, zunehmender Sauerstoffmangel im Körper, am Ende der Tod durch Ersticken."

Mode und Moral, passt das zusammen? Wenn man Kaes so liest, kann man daran zweifeln. Die Herstellung einer Jeans in der Türkei kostet rund 15 Euro. Als Designer-Jeans verkauft sich diese dann schon einmal um 379 Euro. Der Autor macht das am Beispiel des fiktiven Arbeiters Erol Ümit fest, dessen letzte sandgestrahlte Hose die Frau eines Architekten in einer Nobelboutique gekauft hat: "Die 58-Jährige war stolz darauf, immer noch in Kleidergröße 34 zu passen. Dafür trainierte sie täglich zwei Stunden im Fitness-Studio und aß so gut wie nichts. Die amerikanische Inch-Größe 27 schreckte sie nicht, auch wenn sie bei der Anprobe kaum zu atmen wagte."

Und Kaes geht weiter: Während sich Ümit in der Türkei eine Überdosis Morphium setzt, wirft die Architekten-Gattin die Hose nach einem enttäuschenden Abend einfach in den Müll. Das Beispiel mag überzogen wirken und auch das Gut-Böse-Schema ist manchmal ein wenig simpel geraten, dennoch lässt das Buch den Leser über sein Konsumverhalten nachdenken.

Platz 5: David Ignatius - Der Deal

(c) rororo

Die USA versuchen auf ihre ureigenste Art Frieden zu schaffen: mit Geld. Eine Art Parallel-Geheimdienst, von dem nicht einmal die CIA weiß, soll in Pakistan und den Grenzregionen zu Afghanistan den Widerstand gegen die USA brechen, indem lokale Größen finanziell unterstützt werden. Mit anderen Worten: Warlords und Stammesführer sollen mit Millionen bestochen werden.

Damit nicht genug. Wie finanziert man so einen geheimen Geheimdienst in einer modernen Welt? Die Antwort: Mit einem Hedgefonds. Und der Erfolg von "Alphabet Capital" ist garantiert, denn der Hedgefonds wird mit geheimdienstlichen Insider-Informationen gefüttert. Mit diesem Wissensvorsprung gegenüber den üblichen Marktteilnehmern lässt sich gutes Geld machen.

US-Autor David Ignatius bringt das mit folgendem Dialog auf den Punkt:

- "Was ist denn mit Ihnen los?", fragte Sophie. "Sie haben gerade ein Vermögen gemacht."

- "Sicher, aber so macht es keinen Spaß mehr", sagte Perkins ruhig. "Mit gezinkten Karten kann jeder gewinnen."

- "Dann hören Sie auf zu spielen", erwiderte sie.

So einfach ist das natürlich nicht. Wer mit Geheimdiensten zockt, begibt sich auf gefährliches Terrain. Ignatius, einem Kenner der US-Geheimdienste (sein Buch "Der Mann der niemals lebte" wurde mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt), ist ein moderner und anspruchsvoller Thriller gelungen. Gekonnt verwebt er die Welt der Spione mit jener der Fädenzieher in der Finanzwelt.

Platz 4: Marc Elsberg: Blackout

(c) Blanvalet

Der österreichische Autor Marc Elsberg nimmt den Leser auf eine fast 800-seitige Reise in ein Europa ohne Strom mit. Mit all seinen Auswirkungen. Und schon bald wird ersichtlich: Die moderne Gesellschaft ist zwar von Strom massiv abhängig, bewusst ist sich dieser Tatsache aber kaum jemand. "Da hängt alles dran: Wasser- und Lebensmittelversorgung, Verkehr, Gesundheitssystem, öffentliche Ordnung und Sicherheit, sämtliche Medien und Kommunikationsmöglichkeiten. Ohne diese Systeme kommt es zu gewaltigen menschlichen Dramen, von denen ich in 'Blackout' erzähle", sagte der Autor bei Erscheinen des Buches im DiePresse.com-Interview.

Im Zentrum seiner Geschichte steht der Ex-Hacker und Informatiker Piero Manzano. Als auf dem ganzen Kontinent die Lichter ausgehen, untersucht er seinen "Smart Meter" - einen intelligenten Stromzähler. Er stellt fest, dass das Gerät durch einen Hackerangriff aus dem Internet manipuliert wurde. Ein Szenario das nicht fern der Realität ist. Denn Sicherheitsstandards sind in diesem Bereich zu gering. Die Gründe für Attacken müssen nicht einmal einen politischen oder terroristischen Hintergrund haben, so Elsberg.

"Kriminelle Szenarien sind auch nicht auszuschließen", sagt er. "So wie man heute Supermärkte erpresst, indem man Lebensmittel vergiftet, kann ich Großkonzerne erpressen, indem ich sage, pass auf, lieber Freund, ich will ein paar Milliarden von dir, oder ich dreh dir die Produktion ab. Das ist ja nicht absurd", führt der Thriller-Autor weiter aus.

Nach der Lektüre von "Blackout" wird man nicht unbedingt beruhigt sein - aber besser informiert. Vielleicht wird man sogar mehr wissen, als einem lieb ist. Denn Elsbergs Buch ist nicht nur ein spannender Thriller, sondern auch ein gut getarntes Sachbuch über die Verletzlichkeit der modernen Gesellschaft.

Platz 3: Michael Sears - Am Freitag schwarz

(c) dtv

US-Autor Michael Sears weiß, wovon er schreibt: Immerhin war er Managing Director bei zwei Wall-Street-Unternehmen, ehe er sich aufs Schreiben verlegte. Im Zentrum von "Am Freitag schwarz" steht der ehemalige Investmentbanker Jason Stafford, der wegen unlauterer Finanztransaktionen zwei Jahre im Gefängnis saß. Kaum in Freiheit bekommt er Starthilfe. Er soll Licht ins Dunkel dubioser Geschäfte eines Traders bringen, der unter mysteriösen Umständen zu Tode kam.

Sears gewährt dabei tiefe Einblicke in die Finanzwelt. Wenn er darüber schreibt, wie seine Hauptfigur jahrelang erfolgreich Verluste verschleierte, fühlt man sich mitunter an den aktuellen Salzburger Finanzskandal erinnert. Auch die zuständige Finanzbeamtin soll Geld immer wieder aus der laufenden Gebahrung abgezweigt und wieder eingebucht haben, wie "Die Presse" nach Bekanntwerden der 340-Millionen-Euro-Affäre berichtete. "Abend für Abend blieb ich länger im Büro und sah die alten Trades durch, um zu wissen, welche Fälligkeiten auf uns zukamen", erinnert sich im Buch Ich-Erzähler Stafford. "Ich nahm keinen Urlaub mehr, weil ich Angst hatte, dass, wenn ich länger als einen oder zwei Tage am Stück nicht im Büro war, alles auffliegen könnte."

Zwei Seiten später ist zu lesen: "Es kommt vor, dass ein Trader sich in ein Verlustgeschäft regelrecht verrennt, dass er viel zu lange unentschlossen darauf wartet, dass es besser wird. Er verliert jegliche Distanz. Kann sich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf dieses eine Geschäft. Es wird zur Obsession."

Sears schreibt auch von der Mentalität an der Wall Street, bereits am Donnerstagabend ins Wochenende zu starten: "Die Allgemeinheit sollte sich im Klaren sein, dass regelmäßig freitags morgens schwerwiegende monetäre Entscheidungen von Leuten getroffen werden, deren Hirn und Nervensystem noch unter den Auswirkungen der letzten Vier-Uhr-morgens-Runde Jägermeister leiden." Der Autor hat einen authentischen Thriller geschrieben, der trotz - oder gerade wegen - seiner komplexen Finanzmaterie zu fesseln vermag. Das bringt ihm Platz drei ein.

Platz 2: Petros Markaris - Zahltag

(c) Diogenes

Wie schon im Vorjahr landet der Grieche Petros Markaris auf Platz zwei. Waren es im Vorgängerroman, "Faule Kredite", noch Banker, die auf grausame Weise umgebracht wurden, geraten beim Krimiautor diesmal säumige Steuerzahler ins Visier eines "nationalen Steuereintreibers".

Wer einen Drohbrief mit folgendem Wortlaut aus dem Postkasten holt, sollte lieber schnell Geld flüssig machen: "Beim Finanzamt geben Sie ein zu versteuerndes Nettoeinkommen von 50.000 Euro an. Nach meinen Berechnungen liegt die von Ihnen zu zahlende Steuerschuld zwischen 200.000 und 250.000 Euro. Zahlen Sie daher bitte innerhalb der nächsten fünf Tage den ihrem Einkommen entsprechenden Betrag von 200.000 Euro an das zuständige Finanzamt. Widrigenfalls wird anders abgerechnet, und Sie werden liquidiert." Wer an einen üblen Scherz glaubt und nicht zahlt, riskiert sein Leben. Schon bald gibt es die ersten Toten.

Der selbst ernannte Steuereintreiber wird rasch zum Volkshelden. Kein Wunder, gelingt ihm doch das, woran seit Generationen jede griechische Regierung gescheitert ist: Steuerhinterziehung einen Riegel vorzuschieben. Endlich werden Steuersünder bestraft. Wenn eine Fernsehmoderatorin den Vizefinanzminister fragt, ob der Staat nicht vielleicht die Dienste eines solchen Mörders braucht, um die Steuern einzutreiben, macht das deutlich, welche Ohnmacht jene Griechen empfinden müssen, die bereits jetzt brav ihre Steuern zahlen.

Sein Buch ist ein großer Gesellschaftsroman, der mit scharfsinnigen Beobachtungen nicht geizt. "Korruption ist wie eine Pille, man braucht nur genug Flüssiges, um sie hinunterzuschlucken", heißt es an einer Stelle. Und ein anderes Mal: "Der griechische Staat ist weltweit die einzige Mafia, die es geschafft hat, bankrottzugehen. Alle anderen kriminellen Vereinigungen blühen und gedeihen."

Platz 1: Helon Habila - Öl auf Wasser

(c) Wunderhorn

Den besten Wirtschaftskrimi 2012 hat ein Nigerianer geschrieben: Helon Habila. Ihm ist ein außergewöhnlicher Detektivroman gelungen, der vieles in einem ist: Bildungsroman, Umweltdrama und eben Wirtschaftskrimi. Habilas Buch macht traurig und wütend, öffnet aber vor allem die Augen.

Zum Inhalt: In Habilas Heimatland produzieren westliche Ölgiganten "Jahr für Jahr eine Ölpest gigantischen Ausmaßes" ((c) "Die Zeit"). Die Folgen sind verheerend. Das alles ist schon längst keine Nachricht mehr wert. Erst als eine Frau verschwindet, erwacht das Interesse der Medien. Die Frau ist natürlich keine Einheimische, sondern die Gattin eines hochrangigen Mitarbeiters einer Ölgesellschaft. Der junge Journalist Rufus begibt sich in Begleitung des Veteranen-Reporters Zaq auf die Suche nach der Entführten. Der Vergleich zu Joseph Conrad und Graham Greene drängt sich nahezu auf: Denn es ist sowohl eine Reise ins Herz der Finsternis als auch ein Trip zur Quelle des Gewinns westlicher Ölkonzernen.

Immerhin, mit dem Öl kam in Nigeria der Wohlstand  - kurzfristig. "Seht euch einmal die Dörfer an, die das Ölgeld angenommen haben: Die Autos waren bereits kaputt und die billigen Fernseher und DVD-Geräte schon Schrott, und wo war der Rest des Geldes geblieben? Mit vollen Händen in den Bars hinausgeworfen, oder an Zweitfrauen und bei Trauerfeiern verschwendet, und jetzt waren sie schlimmer dran als vorher", heißt es an einer Stelle des Buches. "Ihre Flüsse waren bereits vergiftet und taugten nicht mehr zum Fischen, und das Land brachte nur noch Gasfackeln und Pipelines hervor."

Habila lässt zwei Welten aufeinander prallen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er tut es aber ohne moralischen Zeigefinger. Als der Mann der entführten Frau beklagt, dass jeden Tag mutwillig Pipelines beschädigt würden, die seiner Firma und dem Land Millionen kosten würden, kontert Rufus: "Ich kann die Leute nicht dafür verurteilen, dass sie einen kleinen Gewinn aus den Pipelines ziehen wollten, die nichts als Leid in ihr Leben gebracht haben, aus denen es in ihre Flüsse und Quellen leckt, die den Fisch töten und das Ackerland vergiften." Kurz darauf sagt er: "Sie glauben, dass diese Leute korrupt sind? Nein. sie haben einfach nur Hunger. Und sie sind es leid."

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