"Ohne Romantik": Warum Politiker ökonomisch ticken

Ohne Romantik Warum Politiker
Ohne Romantik Warum Politiker(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit James Buchanan starb vergangene Woche ein Ökonom, dessen Theorien bis heute in Politik und Wirtschaft Gültigkeit besitzen.

Vorige Woche ist der Wirtschaftsnobelpreisträger James M. Buchanan im Alter von 93 Jahren gestorben. Er hatte den begehrten Preis 1986 für seine Beiträge zur ökonomischen Theorie politischer Beschlüsse, der sogenannten "Public-Choice"-Theorie, erhalten. Buchanan habe "die Grundlagen der ökonomischen und politischen Beschlussfassung entwickelt", argumentierte die Schwedische Akademie der Wissenschaften damals. Der Hobbyökonom widmet sich im aktuellen Beitrag daher dem wenig bekannten Buchanan, seinen Theorien und ihrer aktuellen Bedeutung.

In der herkömmlichen Wirtschaftstheorie ging man bis zur Entwicklung der "Public-Choice"-Theorie von einem stabilitätspolitischen Modell aus. Dieses meinte, dass die politischen Instanzen sich darauf ausrichten, makroökonomische und sozialökonomische Ziele in Bezug auf Beschäftigung, Inflation oder Wachstumstempo zu erreichen. Buchanan sah das etwas anders. Er kritisierte die keynesianische Annahme einer altruistisch und am Gemeinwohl orientierten politischen Elite. Er glaubte, dass politische Entscheidungsprozesse ökonomischen Verhaltensweisen ähnlich seien. "Dieselben Leute, die auf den Märkten eigennützig auftreten, können im politischen Leben kaum uneigennützig handeln", so Buchanan.

"Politik ohne Romantik"

Auch Politiker seien nur an der Maximierung ihres Nutzen orientiert. Sie seien daher weniger am Gemeinwohl interessiert als vielmehr an ihrer Wiederwahl oder einem hohen Steueraufkommen. Er bezeichnete Public Choice daher auch als "Politik ohne Romantik", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) in ihrem Nachruf schreibt.

Gemeinsam mit Gordon Tullock schrieb Buchanan in den 1960er Jahren "Calcus of Consent", das die Public-Choice-Theorie begründete. In einem Interview mit der "FAZ" im Jahr 2009 sah der Wirtschaftswissenschafter darin nichts Revolutionäres. "Wir haben einfach nur die Gedankenwelt von James Madison in moderne Sprache übersetzt. Es war bloß eine Verteidigung der amerikanischen Verfassung, die allem staatlichen Handeln Grenzen setzt und die individuelle Freiheit schützt", so Buchanan.

Verbot der Staatsverschuldung

1977 erschien sein Buch "Democracy in Deficit", in dem er die These aufstellte, dass Demokratien eine Tendenz dazu haben, Haushaltsdefizite zu schaffen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der einzelne Bürger profitiert unmittelbar und direkt, da es mehr staatliche Leistungen gibt oder die Steuern sinken. Die Nachteile werden in die Zukunft verschoben und auf die nächste Generation abgewälzt. Aus Sicht der Politik ist es also sinnvoll, Schulden zu machen - das bringt Wählerstimmen. Ein ausgeglichener Haushalt ist hingegen wenig sexy.

Buchanan hatte daher auch eine klar Idee. Er wollte den Handlungsspielraum der Politik beschränken - etwa durch ein Verbot der Staatsverschuldung in der Verfassung. Denn durch die Staatsverschuldung seien künftige Generationen, die nicht an der Entscheidungsfindung über die staatliche Verschuldung beteiligt wurden, dennoch von deren Auswirkungen betroffen. Er sah die individuelle Freiheit der Bürger durch die Kreditaufnahme eingeschränkt.

Die Schuldenbremse

Nach einer Volksabstimmung im Jahr 2001 ist in der Schweiz übrigens eine in der Verfassung geregelte Schuldenbremse im Sinne Buchanans in Kraft getreten. Dadurch wird der Bund verpflichtet, Einnahmen und Ausgaben über den Konjunkturzyklus hinweg im Gleichgewicht zu halten. Überschreitungen muss die Bundesversammlung beschließen und in den Folgejahren ausgleichen. Die Schweiz ist damit das erste Land mit konstitutionell verankerter Schuldenbremse.

In Österreich wollte die Regierung ebenfalls eine Schuldenbremse in Verfassungsrang einführen. 2011 wurde aber nur eine Schuldenbremse mit einfacher Mehrheit im Bundeshaushaltsgesetz beschlossen. Europaweit wurde aber ein Fiskalpakt geschlossen. Jene Staaten, deren Neuverschuldung oder Gesamtschulden nicht den Kriterien entsprechen, müssen ihre Maßnahmen zum Abbau der Schulden der EU-Kommission und dem Europäischen Rat vorlegen.

Das Samariterdilemma

Buchanans Ideen sind heute aber auch aus anderen Gründen hochaktuell. So kann es in der Eurokrise nicht schaden, Buchanan zu lesen. Man nehme als Beispiel das sogenannte "Samariterdilemma". Was würde ein Vater tun, wenn sein Sohn hoch verschuldet ist? Zusehen, wie ihm die Geldeintreiber die Knochen brechen oder lieber die offenen Rechnungen bezahlen? Die Antwort: Er zahlt. Gleichzeitig schwört er sich: Das ist das letzte Mal! Tatsächlich ist das aber nur eine leere Drohung. Auch beim nächsten Mal wird der Vater helfen. Buchanan nannte das Samariterdilemma, weil die Hilfsbereitschaft des Vaters (des Samariters) ausgenutzt wird, wie Kai A. Konrad und Holger Zschäpitz in ihrem Buch "Schulden ohne Sühne?" schreiben.

Die Parallelen zur Eurozone liegen auf der Hand. Die "No-bailout-Klausel" der europäischen Gründungsväter - also dass sich Staaten nicht gegenseitig helfen werden, wenn die öffentlichen Haushalte in einem Euroland in Not geraten - sei ebenfalls nur eine leere Drohung gewesen, so Konrad und Zschäpitz. Denn tatsächlich hatten die reicheren Eurostaaten "ein Eigeninteresse daran, durch die Hilfen an Staaten am Rande der Staatsinsolvenz negative Folgen für sich selbst abzuwenden", wie Konrad im "Wirtschaftsdienst" schreibt. Man muss wieder und wieder helfen, weil man sich sonst selbst schädigt.

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