"CoCo-Bonds": Krisen-Rettungsring oder Zeitbombe?

SWITZERLAND CREDIT SUISSE
SWITZERLAND CREDIT SUISSE(c) EPA (Steffen Schmidt)
  • Drucken

Neuartige Anleihen sollen helfen, die Finanzmärkte in Krisensituationen zu stabilisieren. Kritiker warnen vor noch mehr "Unordnung".

In Zeiten strengerer Eigenkapitalvorschriften (Basel III) suchen die Banken nach neuen Produkten, um sich besser für Krisen wappnen zu können. Die Schweizer Großbank Credit Suisse ist dabei fündig geworden und will in den kommenden Jahren sogenannte CoCo Bonds ("Contingent Convertible Bonds") - also Pflichtwandel-Anleihen - im Umfang von bis zu 30 Milliarden Dollar herausgeben, schreibt die "Financial Times" am Montag.

Der Hintergrund: Die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse sollen bis zum Jahr 2018 Eigenmittel in Höhe von 19 Prozent ihrer risikogewichteten Aktiva vorhalten. Bis zu neun Prozent davon können durch CoCo Bonds abgedeckt werden.

CoCo-Bonds als Problemlöser?

Mit den neuen Wertpapieren soll den Investoren und Aufsichtsbehörden Sicherheit über die Möglichkeiten der Bank zur Kapitalaufnahme gegeben werden, sagt Bankchef Brady Dougan. Und tatsächlich scheint es so als könnten die CoCos drei Dingen unter einen Hut zu bringen: Die Banken-Regulierer wollen mehr Systemsicherheit, die Banken tiefe Kapitalkosten und die Investoren gute Renditen bei verkraftbarem Risiko.

Doch was können diese Wertpapiere wirklich? Sind sie tatsächlich Problemlöser? Wo liegen die Chancen und Gefahren dieses neuen Produkts?

Was sind Coco-Bonds?

Darunter versteht man Anleihen, die in Aktien getauscht werden. Der Unterschied zur traditionellen Wandelanleihe besteht darin, dass sich die Tauschkonditionen nach dem Kernkapital richten. Bei herkömmlichen Wandelanleihen sind diese an einen bestimmten Aktienkurs geknüpft.

Bei normalen Wandelanleihen haben die Besitzer das Recht, diese in (im Kurs gestiegene) Aktien zu wandeln. Bei den "CoCos" besteht umgekehrt die Pflicht, abgesackte Aktien zu übernehmen.

Inhaber tragen Verlustrisiko

Die Konstruktion der CoCo-Bonds ist weniger exotisch als sie klingt. Die Anleihen werden automatisch in Eigenkapital gewandelt, wenn das bestehende "harte" Eigenkapital einer Großbank durch Verluste angenagt ist und auf eine vorher definierte Quote sinkt. Die Inhaber der Anleihen werden dann zu Aktionären und müssen unter Umständen Verluste mittragen.

Ein Markt für CoCo-Bonds muss sich allerdings erst entwickeln. Bisher haben nur zwei Banken, die britische Lloyds Banking Group und die niederländische Rabobank, solche Papiere emittiert, wie die "Neue Zürcher Zeitung" im Oktober berichtete. Der Schweizer Konkurrent UBS zeigte sich bislang jedenfalls skeptisch gegenüber den Chancen für die Entstehung eines CoCo-Bond-Marktes: Die Verkäufe dieser Papiere seien genau schwierig wie der Handel mit ihnen. Die Credit Suisse glaubt jedoch daran, ein attraktiver CoCo-Bond-Emittent zu sein.

Ähnlich wie Katastrophen-Bonds

Aus Anlegersicht erinnern solche Anleihen an Katastrophen-Bonds (Cat Bonds), die von Versicherern ausgegeben und im Fall von großen Naturkatastrophen zur Deckung der Schäden herangezogen werden. In der Diskussion sind CoCos mit hohem und niedrigem Aufschlag, je nachdem wie weit die Kernkapitalquote noch vom aufsichtsrechtlich definierten Minimum entfernt ist.

Für Investoren dürften CoCo-Bonds auf alle Fälle reizvoll sein. Sie sind ein riskanteres Wertpapier, das daher auch höher verzinst werden müss. So werden die CoCos 1,5 bis 2,5 Prozent mehr Zinsen auszahlen als herkömmliche Wandelanleihen.

Hedgefonds und Staatsfonds als Käufer?

Es soll zwei Klassen von CoCo Bonds geben: Einerseits könnten Anleihen mit einem tiefen "Trigger" (dt. Auslöser) - die schließlich mit einer äußerst geringen Eintrittswahrscheinlichkeit verbunden seien - nach Ansicht von Credit Suisse-Chef Dougan etwas für traditionelle Anleihen-Investoren sein. Im Vergleich zu normalen Anleihen lasse sich mit ihnen eine höhere Rendite erzielen.

Die höheren "Trigger", die die Wandlung in einem früheren Stadium auslösen, könnten nach Einschätzung des Credit Suisse-Chefs für flexible Anleger wie Hedgefonds oder auch Staatsfonds interessant sein. Sie könnten darauf setzen, in unruhigen Zeiten zu günstigen Kursen Bankaktien erwerben zu können. Das habe so mancher mutige Fonds während der Finanzkrise ja auch gemacht, argumentierte Dougan im Oktober.

Markt in Höhe von einer Billion Dollar möglich

Das Potential der CoCo-Bonds ist groß. Die Ratingagentur Standard & Poor's geht in einem vor einer Woche veröffentlichten Bericht davon aus, dass sich Banken angesichts der schärferen Regulierung in den nächsten Jahren über diese speziellen Pflichtwandelanleihen mindestens eine Billion Dollar am Kapitalmarkt besorgen könnten.

Über die kommenden fünf bis zehn Jahre dürften die CoCo-Bonds demnach die bisherigen klassischen Hybridkapitalinstrumente ersetzen, schreiben die Analysten.

Ende der "moral hazard"-Problematik?

Der US-Krisenprophet Robert Shiller lobt die neue Art von Wertpapier laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" als "wichtig". Der Grund: Sie könnten das Problem des "moral hazard", also fehlgeleiteter Anreize, lösen. Bislang mussten die Gläubiger der Bank keinen Verlust tragen - dieser wurde auf den Steuerzahler oder auf den Aktionär abgewälzt. Dabei seien sie mitschuldig an der Krise:

"Hätten sie sich die verschuldeten Geldhäuser genauer angesehen und für Kredite höhere Zinsen verlangt, hätten die Banken vermutlich weniger Schulden gemacht. Stattdessen vergaben die Kreditgeber sorglos Kredite zu Dumpingzinsen - im Vertrauen darauf, dass der Staat wegen des systemischen Risikos schon keine große Bank in die Pleite schicken würde", schreibt die "FAZ".

Chancen und Gefahren

Der große Vorteil liegt auf der Hand: Droht einer Bank die Zahlungsunfähigkeit, werden die Coco-Bonds automatisch zu Aktien. "Dadurch verkleinert sich die Kreditlast der Bank, und sie bekommt gleichzeitig neues Eigenkapital. So muss sie von niemandem mehr gerettet werden. In diesem Moment steuern die Gläubiger ihren Teil zur Rettung bei: Sie werden zu Miteigentümern und übernehmen das künftige Risiko", heißt es in der "FAZ".

Die Kehrseite der Medaille: Die Umwandlung der Anleihe in Aktien könnte erst so richtig den Fokus des Marktes auf die Probleme der Bank lenken. Und: Bei einer Umwandlung sind die Aktien vermutlich nur mehr wenig wert, da die Bank ja in Problemen steckt. "Dann bekämen die Gläubiger bei der Umwandlung nur einen kleinen Gegenwert und müssten sofort hohe Verluste tragen - das würde die Gläubiger möglicherweise wieder in Schwierigkeiten bringen und die Behörden davon abhalten, die Umwandlung auszulösen", urteilt die "FAZ".

Tragen CoCos zu weiterer Destabilisierung bei?

Kritiker argumentieren, dass die CoCo-Bonds, anstatt die Märkte zu stabilisieren, diese weiter destabilisieren könnten: "Die Aussicht auf eine Wandlung könnte eine Verkaufswelle am Aktienmarkt auslösen. Aktienbesitzer würden versuchen, ihre Titel zu verkaufen, bevor es zu einer Verwässerung kommt", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung" unter dem Titel "CoCo-Bonds als Stossdämpfer in Krisen".

Heinz Zimmermann von der Universität Basel ist der "NZZ" zufolge skeptisch: Das Ziel sei, die Aufsichtsbehörden zu befriedigen – bei gleichzeitig tiefen Kapitalkosten. Das gehe eigentlich nur, wenn das Instrument nicht so sicher sei, wie man denke.

Experten warnen vor Missbrauch

Andere Experten warnen vor einem Missbrauch der CoCo-Bonds: Diese könnten "Unordnung bringen und ein besonderes Maß an Risiko für die Kapitalmärkte bedeuten", berichtet die britische "Financial Times" im Herbst 2009. Ein Investor sprach von einer "Zeitbombe".

Konkret wird vor der prozyklischen Wirkung gewarnt, wie "DiePresse.com" im November 2009 berichtete: In Krisenzeiten, in denen der Aktienkurs ohnehin niedrig sei, würden neue Aktien auf dem Markt den Abwärtstrend nur beschleunigen. Sie ziehen den Vergleich mit den "Death-Spiral"-Bonds im Japan der 1990er Jahre.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.