Werbe-Tricks: Babybauch ist keine werbefreie Zone

WerbeTricks Babybauch keine werbefreie
WerbeTricks Babybauch keine werbefreie(c) AP (Martin Mejia)
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Teil 1: Die Werbung manipuliert die Menschen - und zwar schon im Mutterleib. Ein Marketingspezialist zeigt die Tricks und Verführungstechniken.

Martin Lindstrom ist nicht irgendein Marketing-Spezialist. Aufgrund seiner Vorreiter-Rolle im Neuro-Marketing wurde er vom "Time Magazine" 2009 zu einem der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gekürt. "Irgendwo zwischen dem Auge und der Maustaste befindet sich das Geheimnis der Verkaufs", schrieb das Magazin damals. Wenn er über die Verführungstricks der Werbung schreibt, sollte man also genau aufpassen.

Und Lindstrom präsentiert sich in der Einleitung seines neuen Buches "Brandwashed - was du kaufst, bestimmen die anderen", als ein Veteran der Marketing-Branche. Er kenne aus über 20 Jahren Erfahrung "im Markenkrieg" all die psychologischen Tricks und Kniffe, die Unternehmen ersonnen haben, um ihre Produkte zu verkaufen. "Ja, ich war einer von ihnen", schreibt Lindstrom. Und er habe gesehen, wie weit Marketing gehen kann.

Konsumfastenkur scheitert kläglich

"Deshalb entschied ich mich für einen Markenentzug - eine Art Konsumfastenkur. Konkret nahm ich mir vor, ein ganzes Jahr lang keine neuen Marken zu kaufen", so Lindstrom. Sechs Monate ging es gut. Dann brachen die Dämme: "Ich den folgenden Wochen und Monaten kaufte ich ohne Ende. Sie hätten mir damals alles andrehen können, sogar überfahrene Tierkadaver - solange nur ein Label und ein Logo drauf war", erinnert sich der Marketing-Experte. Ziel seines Buches sei es daher auch nicht, die Leser vom Kaufen abzuhalten - "ich habe ja festgestellt, dass das unmöglich ist" - sondern dass "wir klügere und fundiertere Entscheidungen darüber treffen, was wir kaufen und warum".

Lindstrom zeigt in seinem Buch auf unterhaltsame Weise, mit welchen Tricks und Verführungstechniken die Werbung die Menschen manipuliert - und zwar schon im Mutterleib. Der Hobbyökonom fasst die wichtigsten Erkenntnisse in einer dreiteiligen Sommer-Serie zusammen. Teil eins zeigt, dass selbst der Babybauch keine werbefreie Zone ist:

Ölkonzern Shell im Kinderzimmer

(c) Campus Verlag

Als Beispiel führt Lindstrom die philippinische Bonbon-Marke Kopiko an. Das gleichnamige Unternehmen stellte Kinderärzten und Ärzten gratis Kopiko-Produkte zur Verfügung, die dann auf Entbindungsstationen an schwangere Frauen ausgegeben wurden. Fast gleichzeitig wurde von Kopiko eine neue Kaffee-Sorte eingeführt, die so wie das Bonbon schmeckte. Vor allem Kinder, die normalerweise die Finger von Kaffee lassen würden, zeigten daraufhin eine besondere Vorliebe für den Kopiko-Kaffee. Und Mütter, die in der Schwangerschaft Kopiko-Bonbons gelutscht hatten, berichteten davon, dass sie ihre schreienden Babys sofort beruhigen konnten, wenn sie ihnen einen Schluck Kopiko-Kaffee gaben.

Kaum der Windelhose entwachsen, enfaltet sich das Werbe-Bombardement aber erst so richtig. So nehmen selbst Ölkonzerne Kinder ins Visier. Shell unterhält etwa eine langjährige Partnerschaft mit Lego, um die Marke Shell mit Lego-Spielzeug in Verbindung zu bringen. Und  "Starbucks denkt über neue Getränke oder Abgabemengen nach, die eher den Bedürfnissen von Kindern oder Jugendlichen entsprechen", wie Lindstrom vermerkt.

Einjährige und das iPhone

Auch Apple gehört bereits zu den Lieblingsmarken von Kindern. Das iPhone sei "das effektivste Mittel der Menschheitsgeschichte zur Beruhigung eines quengelnden Kleinkinds", schrieb die "New York Times". Aufrüttelnd erscheint in diesem Zusammenhang das Ergebnis eines Experiments, das der Autor bei einer Gruppe Einjähriger durchführte. Er legte den Kleinkindern BlackBerrys vor und "konnte beobachten, wie sie ausnahmslos mit den Fingern über die Displays strichen, als wäre es ein Apple-Touchscreen".

Es ist eine Doppelstrategie, die Firmen wie Apple damit verfolgen. Einerseits bleiben den Konsumenten frühe Präferenzen und Eindrücke aus Kindertagen ein Leben lang erhalten. Andererseits fühlen sie sich zu Produkten hingezogen, die ein Gefühl des Jungseins vermitteln. Und jeder Werber weiß: Nostalgie zählt zu den erfolgreichsten Verführern.

Die Kinder haben die Macht

Warum das so ist? Wissenschaftler haben festgestellt, dass nostalgische Gedanken glücklicher machen. "Beim Übergang ins Gedächtnis verblasst alles Unangenehme und das Schöne bleibt und wird vielleicht sogar unrealistisch verstärkt", zitiert Lindstrom aus einer Studie. Marken sollen sich aus Sicht der Werber also schon möglichst früh in das Gedächtnis von Kindern einbrennen. Der Marketing-Experte ist überzeugt: Im Leben vieler Menschen gibt es konkrete Momente, in denen sich so intensive Erinnerungen an eine Marke entwickeln, dass sie - oft unbewusst - beschließen, dieses Produkt ein Leben lang zu konsumieren. Meist finden diese Momente in der frühen Kindheit statt.

Wenig verwunderlich: Die großen Lebensmittel-Konzerne versuchen die Vorlieben der Erwachsenen auf ihre Kinder zu übertragen. So gibt es von einer zunehmenden Anzahl von Marken auch Mini-Versionen für Kinder und Babys. Man denke nur an die Mini-Bohrmaschinen in vielen Buben-Kinderzimmern. Und die Werber wissen: Kinder bestimmen zu einem großen Teil mit, was im Einkaufskorb landet. "Wer es schafft, in einem Kind einen Wunsch auszulösen, dem gelingt das für die ganze Familie", ist Lindstrom überzeugt. So beeinflussen sie nicht nur Eltern, sondern auch Großeltern und sogar Babysitter. Das Bild vom selbstbestimmten Einkauf wird da rasch zur Legende: 75 Prozent aller "spontanen" Einkäufe seien auf quengelnde Kinder zurückzuführen, schreibt der Autor.

Literaturtipp: Martin Lindstrom: "Brandwashed. Was du kaufst, bestimmen die anderen"

Teil II der Werbe-Tricks zeigt, wie sehr der Konsument dem Frische-Schmäh auf den Leim geht und warum "sex sells" zwar vor allem bei Männern immer noch zieht, es aber durchaus raffinierter geht.

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