Wie die Rückkehr zur Drachme ablaufen könnte

Rueckkehr Drachme ablaufen koennte
Rueckkehr Drachme ablaufen koennte(c) Reuters (Yiorgos Karahalis)
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Ein Euro-Ausstieg würde "auf einen Schlag" passieren - wohl während eines Wochenendes. Euro-Banknoten würden gestempelt oder eingefärbt werden.

Ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone gilt weithin als Katastrophe. "Zerbricht der Euro, dann zerbricht Europa", lautet die weit verbreitete Meinung, die auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel immer wieder propagiert wird. Doch der Blick in die Geschichte zeigt: Währungsunionen kommen und gehen, wie "Die Presse" bereits im Februar berichtete. Allein im 20. Jahrhundert sind 69 Währungen zusammengebrochen. Der Zerfall des Euro wäre zwar ein historisches, aber kein einzigartiges Phänomen. "Der Ausstieg aus einer Währungsunion ist überraschend simpel. Geschichtlich betrachtet hat der Wechsel von einer Währung in eine andere weder zu schweren wirtschaftlichen noch juristischen Problemen geführt. In fast allen Fällen gingen die Währungsreformen reibungslos vonstatten", schreiben die britischen Finanzanalysten von Variant Perceptions in ihrer Studie "A Primer on the Euro Breakup".

Die Rückkehr zur Drachme als Alternative zum Euro hätte für Griechenland einen entscheidenden Vorteil: Mit der Abwertung der nationalen Währung würde das Reiseland für Touristen an Attraktivität gewinnen und auch seine Waren würden im Export deutlich günstiger. Es wäre wieder wettbewerbsfähig.

"Wiedereinführung auf einen Schlag"

Aber einmal abgesehen von all den Vor- und Nachteilen eines Austritts: Was heißt das konkret? Wie würde eine Rückkehr zur Drachme in der Praxis ablaufen?

Die Wiedereinführung der Drachme müsse jedenfalls "auf einen Schlag passieren, während eines Wochenendes", sagt Pedro Videla, Professor an der IESE Business School in Madrid. Er rechnet übrigens "sehr bald" mit diesem Szenario. Und: "Die Banken müssen geschlossen werden, um Abhebungen zu verhindern." Auch Giuliano Noci von der Polytechnischen Universität Mailand sieht das so: "Drakonische Maßnahmen" wie die Sperrung aller Bankkonten seien notwendig, um eine massenhafte Kapitalflucht zu verhindern.

Der Weg aus dem Euro - in 13 Schritten

Jonathan Tepper, Autor der Variant-Perceptions-Studie, hat historische Währungszusammenbrüche (unter anderem jenen der österreichisch-ungarischen Monarchie 1919) untersucht und 13 Schritte zusammengefasst, wie ein geordneter und reibungsloser Austritt aus dem Euro erfolgen könnte:

1. An einem Samstag sollte das Parlament eine außerordentliche Sitzung einberufen und ein Gesetz mit den besonderen Details des Austritts beschließen. Alle Bestimmungen müssten über das Wochenende wirksam werden.

2. Die neue Währung sollte im Idealfall nach der Vor-Euro-Währung benannt und ein Umrechnungsfaktor festgelegt werden. Alle Schulden oder Einlagen der Staatsbürger im Ausland sollten nicht unter das neue Gesetz fallen.

3. Das Land bekommt eine unabhängige Zentralbank - wie vor der Euro-Einführung.

4. Kapitalverkehrskontrollen müssen über das Wochenende eingeführt, um einen Geldabfluss zu verhindern.

5. Die Regierung soll einen oder zwei öffentliche Bank-Feiertage ausrufen, um die Ausgabe neuer Banknoten vorzubereiten. Die Banken haben so auch mehr Zeit für Änderungen ihrer elektronischen Zahlungssysteme.

6. Alle Euro-Noten müssen durch Tinte oder Stempel eingefärbt bzw. gestempelt werden. Sie werden dann als Zahlungsmittel zugelassen, bis neue Geldscheine in ausreichender Menge gedruckt sind.

7. Gleichzeitig muss der Druck neuer Banknoten so schnell wie möglich beginnen, um sie gegen die behandelten Euro-Scheine auszutauschen.

8. Die neue Währung muss auf den Devisenmärkten frei gehandelt werden. Das würde zur Abwertung und Wiedergewinnung der verlorenen Wettbewerbsfähigkeit beitragen.

9. Konkursgerichte sollten mit mehr Personal ausgestattet werden, um Konkursverfahren zu beschleunigen.

10. Rasche Verhandlungen mit dem IWF und dem Pariser Club zur Restrukturierung der Staatsschulden.

11. Die EZB und die Zentralbanken weltweit müssen informiert werden, um unvermeidlichen Spannungen im Finanzsystem und am Interbanken-Markt entgegenzuwirken.

12. Mit der EZB müssen Verhandlungen darüber geführt werden, wie Vermögenswerte und Verbindlichkeiten bewertet bzw. aufgelöst werden können. Die beste Lösung ist wohl eine vollständige oder teilweise Reduktion der bestehenden Schulden.

13. Der Arbeitsmarkt muss reformiert und die Löhne an die Produktivität gekoppelt werden. Eine Inflation als Folge der Abwertung wird unumgänglich sein.

Zweifel am Umstempeln der Euro-Noten

Als ein positives Beispiel kann die Währungsreform nach dem Zusammenbruch der Tschechoslowakei 1992/93 dienen. "Die Kosten der Umstellung waren relativ gering und die Ordnung in beiden Währungsmärkten war rasch wieder hergestellt", sagte der tschechische Zentralbank-Chef Miroslav Singer in einer Rede 2011.

Ganz unproblematisch würde eine Währungsumstellung aber zweifellos nicht ablaufen. Dem Wifo-Ökonomen Thomas Url zufolge ist etwa ein Umstempeln oder Einfärben gar nicht so einfach machbar. Über Nacht könnten schließlich nicht alle Banknoten erfasst werden – etwa jene in den Ladenkassen oder unter den Kopfpolstern, wie er laut "Kurier" zu bedenken gibt. Euro mit und ohne Stempel - das hätte seiner Meinung nach zudem ein Chaos als Folge.

Drachme-Herstellung dauert Monate

Eine andere Frage ist: Woher sollen die Drachmen kommen, um die Nationalwährung wieder einzuführen? Die alten Geldscheine und Münzen sind längst vernichtet. Selbst wenn Griechenlands Münze nur noch Drachmen produzieren würde, würde dies "mehrere Monate dauern", sagt Federico Steinberg vom spanischen Institut Elcano. Drei Monate hat es etwa gebraucht, als die USA für den Irak neue Banknoten in London drucken ließen.

Der Analyst Davi Lea von Control Risk ist daher skeptisch. Ein Euro-Austritt sei zwar technisch machbar, "aber das gut durchzuführen, ist extrem schwierig. Dazu bedarf es einer Menge Planung und Zustimmung. Und angesichts der aktuellen Umstände gibt es dafür keine Chance." Anders sieht das die Tepper-Studie. Nach einer kurzen, schmerzvollen Phase würde rasch die Erholung einsetzen.

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