Lammert: "Ökonomen in der Krise nicht hilfreich"

Lammert oekonomen Krise nicht
Lammert oekonomen Krise nicht(c) EPA (ARNO BURGI)
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Der deutsche Bundestagspräsident Lammert stellt den Wirtschaftsexperten seines Landes ein schlechtes Zeugnis aus. Er kritisiert die ganze Zunft.

Der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat mit Blick auf den Streit unter Ökonomen zu Auswegen aus der Schuldenkrise die gesamte Experten-Zunft kritisiert. Für die Politik hätten sich die Experten in der Krise als nicht hilfreich erwiesen, sagte Lammert dem SWR. "Von allen denkbaren Verfahren in der Bewältigung dieser Krise in den vergangenen Monaten ist das am wenigsten taugliche die Umsetzung von Expertenempfehlungen gewesen."

Zwar hätten sich Fachleute zu jeder denkbaren Option geäußert. Es gebe aber zu keiner einzigen relevanten Frage eine gemeinsame Expertenmeinung. "Würden sich darauf politische Entscheidungsinstanzen verlassen wollen, würden sie damit ihre Entscheidungsunfähigkeit zu Protokoll geben."

Top-Ökonomen sind gespalten

Das Ringen um Lösungen der Schuldenkrise spaltet Deutschlands Top-Ökonomen. Etwa 170 deutschsprachige Volkswirte hatten die Beschlüsse des jüngsten Euro-Gipfels massiv kritisiert. Die Fachleute um ifo-Chef Hans-Werner Sinn hatten in einem offenen Brief gewarnt, die geplante Bankenunion schaffe neue Haftungsrisiken für deutsche Steuerzahler.

Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) und die Opposition hatten dies entschieden zurückgewiesen. Schäuble nannte die Argumentation eine Verwirrung der Öffentlichkeit. Auch aus der eigenen Zunft kam Widerspruch. In Repliken anderer Wirtschaftswissenschaftler hieß es etwa, die Beschlüsse auf dem EU-Gipfeltreffen gingen in die richtige Richtung.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger warf den Professoren um Ifo-Chef Sinn Unkenntnis der Sachlage und Überforderung vor. "Ich denke, dass alle, die das unterschrieben haben, viel zu tun haben. Ich vermute, dass einige das gar nicht so genau durchgelesen haben", sagte Bofinger den "Nürnberger Nachrichten" (Samstagsausgabe). Es gehe um die Frage, ob der Rettungsfonds ESM auch zur Rekapitalisierung von Banken eingesetzt werden dürfe - und zwar erst, nachdem eine gemeinsame Bankenaufsicht da sei. "Und die ist noch lange nicht etabliert."

Kritik an der geplanten Bankenunion

Inhaltlich geht es bei dem Ökonomen-Streit um die Frage, ob der Euroraum künftig insgesamt für die Risiken bei Banken in einzelnen Ländern haftet. Unter der sogenannten Bankenunion werden in der Regel eine gemeinsame Aufsicht und Einlagensicherung sowie staatenübergreifende Hilfen zur Rekapitalisierung von Geldhäusern verstanden.

Auf dem jüngsten EU-Gipfel wurde zunächst der Weg zu einer einheitlichen Kontrolle der Finanzinstitute vereinbart, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle spielen soll. Anschließend soll der neue Rettungsfonds ESM Banken gegen Auflagen direkt helfen können. Hintergrund ist, dass die Banken und Staaten im Euroraum so eng miteinander verwoben sind, dass Pleiten von großen Kreditinstituten ganze Länder gefährden können.

(APA/dpa)

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