Physisches Gold ist so gefragt wie nie

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Die Zentralbanken und die asiatischen Investoren treiben den Goldpreis in die Höhe. Die physische Nachfrage steigt und steigt, Papiergold-Derivate verlieren an Bedeutung.

Wien. Der Goldmarkt spaltet sich: Während die Preisfindung noch immer hauptsächlich von Papiergold beeinflusst wird, gewinnt physisches Gold immer mehr an Bedeutung. Papiergold inkludiert alle Derivate auf Gold – wie Termingeschäfte, mit denen die Option erworben wird, zu einem fixen Zeitpunkt Gold zu erwerben oder zu verkaufen. Diese Geschäfte werden in der Regel aber nur in Papiergeld abgewickelt – physisches Gold in Barrenform wechselt kaum den Besitzer. Papiergold-Investments sind also nur eine Spekulation auf den Goldpreis. Wer aber eine echte Versicherung in unsicheren Zeiten sucht, der greift zum physischen Metall und nicht zu Derivaten.

„Das Nachfrageverhältnis Papiergold zu physischem Gold lag vor wenigen Jahren noch bei fünf zu eins. Jetzt steht es schon zwei zu eins für physisches Gold“, sagt Ronald Stöferle. Der Gold-Experte der Erste Group hat am Dienstag seinen sechsten „Goldreport“ vorgestellt, der in der Branche als Standardwerk gilt. Auf 120 Seiten seziert Stöferle den globalen Goldmarkt und zerlegt so manchen Mythos, den auch Goldfans gerne verbreiten. Wie die Mär, dass der Goldpreis nicht unter die Produktionskosten einer Unze sinken kann.

„Das ist das größte Missverständnis im Goldsektor“, sagt Stöferle. „Die jährliche Goldproduktion von knapp 2600 Tonnen ist für die Preisfindung relativ unbedeutend.“ Sie steht einem globalen Goldbestand von rund 160.000 Tonnen gegenüber. Entscheidend für den physischen Goldmarkt ist, wie sich die aktuellen Halter dieses Goldes verhalten: Behalten sie das Metall oder verkaufen sie? Nicht die Gesamtmenge allen Goldes ist von Bedeutung, sondern wie viel am Markt zu einem bestimmten Zeitpunkt erhältlich ist. „Manche Eigentümer würden bereits nach einem geringen Preisanstieg verkaufen. Viele andere erst in deutlich höheren Preissphären“, erklärt Ronald Stöferle.

Die Entscheidung, Gold auf dem aktuellen Preisniveau nicht zu verkaufen sei deshalb ähnlich wichtig wie die Entscheidung, Gold zuzukaufen. „Bei einem Preis von 5000 Dollar pro Unze würde das Altgoldangebot ein Vielfaches der Jahresproduktion betragen. Dies erklärt auch, wieso das vielzitierte Golddefizit eine Mär darstellt und es keine Knappheit geben kann“, so Stöferle. Gold muss fließen – tut es das nicht und wird es gehortet, ist dies ein Zeichen für akuten Stress im Finanzsystem. Und genau das erleben wir gerade: Seit 2009 ist das Angebot an Altgold trotz stark gestiegener Preise nur unwesentlich gewachsen. Die Nachfrage aber schon: 2011 wurden weltweit 3450 Tonnen Gold gekauft. China und Indien alleine machen bereits die Hälfte dieses Marktes für physisches Gold aus.

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„Perfektes Umfeld für Gold“

Die Menschen verhalten sich nicht unähnlich den Zentralbanken. Der Beschluss der europäischen Notenbanken Ende der 90er, die Goldverkäufe zuerst zu drosseln und dann komplett einzustellen, hatte den aktuellen Gold-Bullenmarkt ausgelöst. Inzwischen sind die Zentralbanken seit mehr als zwei Jahren auf der Netto-Käuferseite zu finden. Vor allem aufstrebende asiatische Länder kaufen, was sie bekommen können. Stöferle geht davon aus, dass China über „weit mehr“ Gold verfügt als die offiziell angegebenen rund 1000 Tonnen.

Die seit dem Platzen der Dotcom-Blase laufende inflationäre Geldpolitik aller wichtigen Zentralbanken tut ihr Übriges. Dazu kommen die zusätzlichen Gelddruckprogramme seit Ausbruch der akuten Krise 2008. Der Goldpreis bewegt sich aber schon seit 2002 praktisch parallel zur Ausweitung der Bilanzsumme der Zentralbanken (siehe Grafik). Wenn eine Notenbank „Geld druckt“, dann kauft sie für dieses frische Geld Wertpapiere, die dann ihre Bilanz aufblähen. Die Bilanzsumme der Bank of England ist zum Beispiel seit 2007 um gewaltige 362 Prozent gewachsen. Und weil weder steigende Zinsen noch ein Ende der Notfall-Gelddruckprogramme in Sicht sind, sieht Stöferle weiterhin ein „perfektes Umfeld für Gold“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

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