S&P muss für falsche Ratings büßen

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In Australien ist erstmals eine Ratingagentur dafür verurteilt worden, dass sie undurchsichtige und hochkomplizierte Finanzprodukte mit der Bestnote „AAA“ ausgestattet hat. Ein Urteil mit Folgen.

Wien/Weber. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Anleger hinters Licht geführt, indem sie einem undurchsichtigen und hochriskanten Finanzprodukt die Bestnote „AAA“ gab. So sieht es jedenfalls ein australisches Gericht, das die US-Agentur in einem richtungweisenden Urteil erstmals für die Benotung eines verlustreichen Finanzprodukts zur Verantwortung zieht. Geklagt hatten zwölf australische Kommunen, die die Papiere gezeichnet hatten und  Schadenersatz von S&P forderten.

Trotz Bestnote verloren die sogenannten „Rembrandt Notes“, die die niederländische Bank ABN Amro konstruiert hatte, 90 Prozent ihres Wertes. Die Stadtverwaltungen verloren den Großteil der 16 Mio. australischen Dollar (13 Mio. Euro), die sie investiert hatten. Dieses Geld bekommen die Kommunen nun inklusive Zinsen zurück. Insgesamt könnte das Urteil S&P 30 Mio. australische Dollar (24 Mio. Euro) kosten.

Ratings als „freie Meinung“

Hinter den komplexen Papieren standen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) auf vergleichsweise sichere Unternehmen. Derartige Finanzprodukte waren einer der Hauptgründe dafür, dass die Investmentbank Lehman Brothers pleite ging, zahlreiche andere Institute ins Schlingern gerieten und die Welt in eine Rezession stürzte.

Bisher waren die Ratingagenturen bei der Aufarbeitung der Finanzkrise noch glimpflich davongekommen. Gesetzlich seien die Ratings freie Meinungsäußerungen, die zusätzlich mit einem Haftungsausschluss versehen seien, so die Argumentation der Agenturen. Diese Sichtweise könnte sich nach dem australischen Urteil ändern, meint Amanda Banton, die Anwältin der betroffenen Kommunen: „Ratingagenturen werden sich nicht länger hinter Klauseln verstecken können und sich damit aus der Verantwortung stehlen.“

Standard & Poor's hat angekündigt, in Berufung zu gehen. „Wir weisen die Darstellung, unsere Ratings seien unangemessen gewesen, zurück“, ließ das Unternehmen wissen. Den Kommunen sei mitgeteilt worden, dass die Benotung der Papiere keine Investmentempfehlung darstellen. Als solche hatten die australischen Stadtkämmerer das „AAA“ aber offenbar verstanden. Sie hätten die Unterlagen der hochkomplexen Finanzprodukte nicht zur Gänze gelesen und sich stattdessen auf die Beurteilung der Ratingagentur verlassen, lautete ihre Erklärung im Gerichtsverfahren.

„Grotesk komplizierte“ Produkte

Die Richterin hielt dies für nachvollziehbar. Eine „einigermaßen kompetente“ Ratingagentur hätte die Papiere, die sie als „grotesk kompliziert“ beschrieb, nicht mit einem „AAA“-Rating auszeichnen dürfen. Sowohl S&P als auch ABN Amro hätten Informationen veröffentlicht, die entweder „falsch“ oder „verzerrt“ gewesen seien.

Beim Prozessfinanzierer IMF Australia, der das Verfahren für die Kommunen finanziert hatte, wittert man nun Morgenluft. Es sei wahrscheinlich, dass das australische Urteil den Weg für „ansehnliche  Wiedergutmachungen“ in Europa ebnet, sagte John Walker, Chef von IMF Australia. Das Unternehmen finanziert ein ähnliches Verfahren in den Niederlanden gegen ABN Amro und S&P, bei dem es um einen Streitwert von über zwei Mrd. Euro geht. Geschädigt wurden hier vor allem Banken und Pensionsfonds.

Die Royal Bank of Scotland, der die ABN Amro mittlerweile gehört, teilte mit, sie müsse sich erst in das 1500 Seiten lange Urteil vertiefen, bevor sie es kommentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2012)

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