Kanada: Österreicher geben Umweltschutz-Nachhilfe

Kanada oesterreicher geben Nachhilfe
Kanada oesterreicher geben Nachhilfe(c) EPA (JIRI REZAC GREENPEACE HANDOUT)
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Wie bringt man einem Land, in dem eine Kilowattstunde Strom nur fünf Cent kostet, bei, dass man sparsam mit Ressourcen umgehen soll? Einige österreichische Firmen versuchen, Kanada umweltfreundlicher zu machen.

Hoch oben über Vancouver, auf dem Grouse Mountain, wo im Winter ein interessantes Skigebiet lockt, steht einsam ein Windrad. Das „Eye of the Wind“ ist 65 Meter hoch, kann 1,5 Megawatt Strom liefern und hat auf seiner Spitze eine gläserne Aussichtsplattform. Wann immer Menschen von hier aus die Aussicht hinunter auf die kanadische Westküstenstadt genießen, wird das Windkraftwerk abgeschaltet. Blickt man hinauf auf den Grouse Mountain, sieht man das Windrad die meiste Zeit stillstehen. Der Grund ist einfach: Die Betreiber verdienen mit Besuchern mehr Geld als mit der Produktion von Strom.

Das ist das grundsätzliche Problem einer Grün-Bewegung in Kanada oder auch den USA. „Energie ist bei uns einfach zu billig“, erklärt Thomas Müller, Vorsitzender der „Canada Green Building Council“, einer Non-Profit-Organisation, die das umweltschonende und energiesparende Bauen forciert (siehe untenstehendes Interview). Wer fünf Cent brutto für eine Kilowattstunde Strom (in Österreich sind es mindestens 16 Cent) oder 20 Cent für einen Kubikmeter Gas bezahlt (in Österreich knapp einen Euro), der hat wenig Motivation, viel Geld in eine gute Hausisolierung oder in effiziente Heizmethoden zu stecken.


Investition muss sich rechnen.
Das ist die eine Seite. Die andere ist die Mobilität der Nordamerikaner. Im Durchschnitt zieht ein Bewohner der USA oder Kanadas alle sieben Jahre um. Beim Bau eines Hauses muss sich jede Investition, die höhere Kosten verursacht, also innerhalb kurzer Zeit rechnen. „Wenn man jemandem erklärt, dass sich beispielsweise eine bessere Isolierung nach zehn Jahren auszahlt, hat man schon verloren“, erklärt Müller, ein ausgewanderter Bayer, der seit mehr als 20 Jahren in Kanada lebt.

Der prominente Architekt Michael Green aus Vancouver hat seine eigene Methode entwickelt, wenn er für jemanden ein Haus plant. „Ich sag ihnen meist gar nicht, dass wir etwas umweltfreundlich bauen oder besonders energieeffizient. Sonst fangen sie nur an, darüber zu diskutieren, ob das wirklich sein muss. Ein Bau von mir kostet einfach, was er kostet.“

Es sind also Pioniere und ein wenig auch Prediger, die versuchen, den Nordamerikanern „grünes“, umweltfreundliches, ressourcenschonendes Bauen und Wohnen nahezubringen. Dass das überhaupt ein Thema ist, hat man nicht unwesentlich Österreich zu verdanken: Das Passivhaus, in dem sich Österreichs Sportler bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Whistler trafen, war eine echte Revolution. „So etwas“, sagt Müller, „hatte Kanada noch nicht gesehen.“

Und deshalb hatte Matheo Dürfeld auch eine ziemlich anstrengende Zeit. „Ich habe sicherlich tausende Architekten und Baumeister durch das Haus geführt“, erzählt der Bauunternehmer aus Whistler (seine Eltern sind aus Österreich eingewandert), der das Haus errichtete und mit seinen Kontakten und seiner Flexibilität wesentlich dazu beitrug, dass es überhaupt gebaut werden konnte. Noch immer werde er angerufen und um eine Führung durch das Haus gebeten, in dem jetzt ein Langlauf- und Mountainbike-Zentrum untergebracht ist (siehe nebenstehender Bericht).


Know-how aus Österreich. Der Ausfluss der tausenden Führungen ist aber eher mager: Dürfeld baute seither rund um Whistler drei Passivhäuser – eines davon auf eigene Kosten –, drei weitere sollen kommendes Jahr entstehen. Etwas aber zeigen diese Zahlen: „Das Interesse ist da, und es wird größer. Vor zwei Jahren gab es in Kanada noch kein einziges Passivhaus“, betont Nicole Mothes, Handelsdelegierte Kanadas in Wien. Energiesparen und Umweltfreundlichkeit werde auch in Kanada immer mehr zu einem Thema, vor allem auch deswegen, weil es die Regierung zu einem Thema macht: In British Columbia wurde eine CO2-Steuer eingeführt, die fossile Energieträger deutlich teurer macht. Damit sollen Alternativen gefördert und der Verbrauch gesenkt werden.

Die Motivation gebe es also, das zeigen auch die Marktzahlen. Der „Greenbuild“-Sektor („grünes“ Bauen) legte laut einer Studie massiv von 2,3 Milliarden kanadischen Dollar (1,7 Milliarden Euro) im Jahr 2010 auf acht Milliarden Dollar im Jahr 2012 zu. Was noch immer fehlt, ist das Know-how. „Kanada ist in vielen Bereichen einfach Jahre hinter Österreich“, meint Mothes. „Was bei uns in Europa selbstverständlich ist, kennt man hier teilweise nicht.“ Das garantiere ein „gewaltiges Marktpotenzial“ für europäische Firmen.

Es ist tatsächlich bemerkenswert, um wie viele Jahre Nordamerika beim umweltfreundlichen Bauen und bei energiesparenden Maßnahmen hinter Europa zurückliegt. Privathäuser sind meist aus „two-by-fours“ gebaut – Holzstaffeln in der Größe von fünf mal zehn Zentimeter. Nur dank dieser Billigbauweise sind die sogenannten „McMansions“ zu finanzieren, die riesigen Häuser mit 1000 und mehr Quadratmeter Wohnfläche (im Schnitt hat ein kanadisches Haus eine Wohnfläche von 230 Quadratmetern, in Österreich von 141 Quadratmetern). In Ziegelbauweise wäre das unbezahlbar. Die Isolierung dieser Häuser ist jedoch oft schlecht und billig. Obwohl Fußbodenheizung mehr und mehr zum Standard wird, hat jedes Haus als zusätzliches System eine Luftwärmeheizung: Die Anlage dient im Sommer als Klimaanlage, im Winter wird einfach warme Luft in die Zimmer geblasen.


Ein Käfer treibt die Innovation. Geheizt wird meist mit Gas, das es in dem Land zur Genüge gibt, oder sogar mit Strom, weil Elektrizität so billig ist. Der Rohstoff, den es in dem Land zur Genüge gibt – Kanada hat die größten Waldflächen der Welt – wird privat kaum als Heizquelle verwendet. Maximal im offenen Kamin brennt im Winter ein Feuer – aus rein optischen Gründen. Die Wärme geht meist durch den kerzengeraden Kamin direkt ins Freie.

Wie wenig man den Rohstoff Holz schätzt, kann man auch daran ahnen, dass die gefällten Bäume meist als Ganzes exportiert wurden. Die Verarbeitung überließ man Firmen in den Abnehmerländer.

Das wird sich in Zukunft dank eines Schädlings ändern. Kanada hat ein enormes Problem mit dem Bergkiefernkäfer, 20 Prozent der Wälder des Landes sind von ihm befallen. Etwa 170.000 Quadratkilometer Wald sind bereits abgestorben – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Österreich. Und dieses Totholz muss möglichst schnell verarbeitet werden.

Ein Steirer hat dafür ein ideales Produkt: kreuzverleimte Holzplatten. „Das kannte man hier überhaupt nicht“, erzählt Wolfgang Weirer vom Holzbauunternehmen KLH. Die vorgefertigten Massivholzplatten erlauben ein umweltfreundliches und auch schnelles Bauen. In Montreal hat KLH damit bereits ein Bürogebäude errichtet – mit Platten, die zuvor in Österreich gefertigt wurden. Das ist nämlich noch die große Herausforderung: Ein Unternehmen zu finden, das die qualitativen Ansprüche erfüllen kann und auch das notwendige Wissen hat. „Wir suchen noch einen Partner“, erklärt Weirer.

Hilfe aus Österreich. Das Totholzproblem macht sich auch Peter Moonen zunutze, um Änderungen in der lokalen Bauordnung durchzusetzen. Moonen arbeitet für die Berater- und Lobbyingfirma „Wood works“, die das Bauen mit Holz forciert. Aktuell darf man in British Columbia nur fünfstöckige Bauwerke aus Holz errichten. „Wir haben in Vancouver ein Hochhaus, das schon vor 100 Jahren aus Holz gebaut wurde. Das ist ein Beweis, dass die aktuellen Beschränkungen keinen Sinn haben“, meint Moonen. „Man braucht nur das notwendige Wissen.“

Das könnte aus Vorarlberg kommen, hofft die Firma „Cree“, die seit zwei Jahren auf dem nordamerikanischen Markt aktiv ist. Das Unternehmen der Rhomberg-Gruppe hat erst vor wenigen Wochen unter großem medialen Interesse ein achtstöckiges Holzhochhaus in Dornbirn fertiggestellt. „Das ist auch ein Vorzeigeprojekt für den Rest der Welt. Wir wollen zeigen, dass wir es können“, erklärt Cree-Chef Michael Zangerl.

„Verkaufen eine Idee“. Können allein genügt freilich nicht, wie man beim Tiroler Fensterunternehmen Optiwin aus Ebbs weiß, das seit Jahren in Nordamerika aktiv ist. „Wir können die dichtesten und energiesparendsten Fenster liefern“, sagt Robert Tanner, der den amerikanischen Markt betreut. „Wir müssen unseren Kunden nur immer wieder erklären, wozu sie dreifach verglaste Fenster überhaupt benötigen.“ Man verkaufe nicht nur einfach ein Produkt, sondern eine Idee.

Wenn die Kanadier allerdings eine Idee einmal aufgreifen, dann machen sie das mit viel Leidenschaft und Hingabe. Bewiesen haben sie das beim Bau des Olympischen Dorfs für die Winterspiele im Jahr 2010. Die Anlage rund um eine Bucht in Vancouver wurde mit solch raffinierten Klär- und Regenwasseranlagen errichtet, dass sich die Qualität des Wassers der Bucht massiv verbesserte.

Die Folge: Tausende Heringe entdeckten die Bucht wieder als Lebensraum und zogen sich hierher zurück. Das sorgt jetzt hin und wieder für ein Problem: Alle paar Monate taucht ein Grauwal auf Nahrungssuche in der Bucht auf, den man dann erst wieder ins offene Meer lotsen muss.

Trendsetter aus Tirol

Als das „Österreich-Haus“ in Whistler eröffnete, sorgte es für Aufregung: Einerseits wegen seines ungewöhnlichen Aussehens, andererseits als erstes Passivhaus Kanadas. Fünf Tiroler und Vorarlberger Firmen haben das Projekt realisiert, gebaut wurde das Haus vom Bauunternehmer Matheo Dürfeld aus Whistler. Mehrmals drohte das Projekt an Geldmangel zu scheitern, weil sich kaum jemand vom offiziellen Österreich dafür interessierte. Erst am Ende, als das Haus zum Erfolg wurde, beanspruchten viele die Vaterschaft. Internet

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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