»Im Winter lässt man das Auto vor dem Supermarkt laufen«

In Kanada denkt niemand daran, sparsam mit den Ressourcen umzugehen. Warum das so ist, erklärt Thomas Müller, Chef des Greenbuild Council.

Energiesparen und umweltfreundliches Bauen haben in Nordamerika einen geringen Stellenwert. Warum ist man hier so weit hinter Europa zurück?

Thomas Müller: Es gibt keine Kultur zum Sparen. In Europa braucht man keine Gesetze, die Menschen gehen von sich aus sparsam mit den Ressourcen um. Das ist in den Köpfen der Menschen drinnen. In Kanada gibt es das nicht. Hier lässt man beispielsweise im Winter, wenn es kalt ist, das Auto vor dem Supermarkt auf dem Parkplatz laufen, damit man es warm hat, wenn man nach dem Einkaufen zurückkommt.

Kanada ist mehr als hundertmal größer als Österreich, hat aber nur viermal so viele Einwohner. Bei solchen Dimensionen ist es wahrscheinlich schwer, den Menschen Ressourcenknappheit zu erklären.

Absolut, das ist einfach eine Mentalitätssache. Man muss nicht sparen, weil eben beispielsweise Energie so billig ist. Der zweite Schlüssel, um das Auto im Winter laufen lassen zu können, ist eine Selbstverständlichkeit. In Vancouver hat man ein Gesetz erlassen, dass man den Rasen nur noch an zwei Tagen in der Woche bewässern darf. Früher hat man das mit den automatischen Anlagen jeden Tag gemacht – nicht, weil es notwendig war, sondern einfach, weil man es eben gemacht hat.

Interessant, dass gerade ein Volk, das der Regierung gegenüber generell skeptisch eingestellt ist, sich dann doch vorschreiben lässt, wann es den Rasen zu bewässern hat.

Das hat funktioniert. Die Regierung wollte aber auch, wie in Europa, die Glühbirnen verbieten. Dagegen gab es einen enormen Aufstand, jetzt hat man die Idee vorerst wieder fallen lassen.

Ihre Organisation zeichnet Gebäude aus, die wenig Energie verbrauchen. Kümmert das überhaupt jemanden?

Die Menschen interessiert es schon. In den Geschäften achtet man beim Kauf eines Kühlschranks zum Beispiel darauf, wie viel Energie verbraucht wird. Die Unternehmen achten sehr darauf, dass sie umweltfreundlich sind – weil es eben in unserer Zeit das Richtige ist. Auch die Regierung macht in diesem Bereich sehr viel, sie will mit einem guten Beispiel vorangehen und weniger Energie verbrauchen. Es gibt eine Studie, wonach zwischen 46 und 54 Prozent der öffentlichen Gebäude „green“ sind (die kanadischen Kriterien für eine Grün-Zertifizierung sind bedeutend niedriger als die europäischen, Anm. d. Red.). Auch unser Strom kommt umweltfreundlich vor allem aus der Wasserkraft.

Und wie schaut es mit Umweltfreundlichkeit und Energiesparen im privaten Bereich aus?

Das ist ein echtes Problem. Es gibt tatsächlich ein großes Interesse im kommerziellen und öffentlichen Bereich – Vancouver will bis 2020 die grünste Stadt der Welt werden –, aber bei Einfamilienhäusern ist das anders. Die Menschen investieren nicht einfach so in umweltfreundliches Bauen, ein Investment muss sich auszahlen.

Wie ändert man diese Einstellung?

Nur schwer. Man muss den Menschen einen finanziellen Anreiz geben. Mit der CO2-Steuer, die man in British Columbia eingeführt hat, geht man in diese Richtung. Die trifft aber vor allem große Einrichtungen. Die Universität hat ihre Strom- und Wärmeerzeugung schon umgestellt auf eine Holzverbrennungsanlage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.