Grönland: Arbeitskräfte "made in China"

Reuters
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Peking exportiert günstige Arbeiter nach Grönland, um die arktischen Rohstoffe auszubeuten. Von den lokalen Mindestlöhnen auf der Insel haben sie nichts.

Kopenhagen. Unter Grönlands Eisdecke verbergen sich reiche Bodenschätze, deren Ausbeutung den Weg zur Selbstständigkeit der autonomen Insel finanzieren soll. Doch dafür sind gigantische Projekte nötig, für die in Grönland Kapital und Arbeitskraft fehlen. So richten die Regierenden ihren Blick nach China, was im Mutterland Dänemark heftige Kritik auslöst: aus sozialen Gründen wie aus strategischen.

Chinesische Tarife in Grönland

Das Parlament in Grönlands Hauptstadt Nuuk hat ein Sondergesetz über die Arbeitsbedingungen bei Großprojekten beschlossen, das die sonst geltenden Tarifbestimmungen aushebelt. Das bedeute „soziales Dumping“, schelten die Gewerkschaften und die rechte und linke Opposition in Kopenhagen: Sollen Grönlands Naturschätze tatsächlich von chinesischen Firmen ausgebeutet werden, mit importierten Arbeitskräften, die für Hungerlöhne und ohne Rechte nach den wertvollen Erzen schürfen?

Konkret geht es um die Eisenerzmine, die die auf chinesisches Kapital gestützte Gesellschaft London Mining im Nuuk-Fjord an der Westküste bauen will. Für die Investitionen in Milliardenhöhe ist das Unternehmen nur dann bereit, wenn es den Arbeitsgang diktieren kann. Das heißt: 3000 chinesische Arbeiter sollen eingeflogen und in eigenen, von der Lokalbevölkerung abgeschiedenen Siedlungen untergebracht und verpflegt werden, Arbeitszeit 60 Stunden pro Woche für einen Lohn weit unter dem grönländischen Tarif. Zwar soll der dort geltende Mindestlohn von 10,80 Euro prinzipiell auch für die Chinesen gelten. Davon jedoch können deren Arbeitgeber die Ausgaben für Unterkunft, Kost, Reisen und Kleidung abziehen. Die Gewerkschaften müssen außen vor bleiben.

Die dänischen Gewerkschaften drohen mit einer Klage vor der UN-Arbeitsorganisation ILO wegen der „völlig unakzeptablen“ Arbeitsbedingungen. Die Opposition fordert die Mitte-Links-Regierung auf, das Gesetz zu stoppen, wozu diese berechtigt wäre: Bei internationalen Fragen hat Kopenhagen weiter die Oberhoheit über seine nördlichen „Besitzungen“. Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt weist solche Forderungen zurück: Grönland habe 2009 weitgehende Autonomie erhalten und könne nun selbst entscheiden. „Grönland hat das Recht und die Pflicht, seine Rohstoffe auszubeuten und damit Wohlstand zu schaffen“, sagt Kuupik Kleist, Regierungschef der Insel.

Zu wenige Arbeiter auf der Insel

Eine dänische Blockade wäre „absurd“ und Ausdruck von Kolonialismus, meint die Selbstverwaltung in Nuuk, die das Anheuern chinesischer Arbeiter für unumgänglich hält: Unter den 54.000 Bewohnern der Insel gibt es nicht das Personal für solche Großprojekte. Es sei daher falsch, von sozialem Dumping zu sprechen, meint Wirtschaftsminister Ove Karl Berthelsen: „Kein Grönländer verliert seinen Job an einen importierten Billigarbeiter.“

Dennoch ist die Zweiklassengesellschaft, die durch den Aufbau der „Chinatown“ entsteht, in Grönland umstritten. Hat man doch eben erst das verhasste „Geburtsortkriterium“ abgeschafft, das jahrzehntelang dänischen Angestellten in Grönland kraft ihrer Herkunft höhere Löhne sicherte. Nun schafft man unter umgekehrten Vorzeichen ein ähnliches Kriterium: chinesische Arbeiter sollen kraft ihrer Herkunft weniger verdienen.

Kritiker fürchten, dass das Beispiel Schule macht. Viele Rohstoffprojekte sind in Planung, bei der es vor allem um jene seltenen Erdarten geht, für die China zurzeit ein Quasimonopol besitzt. Hier kommen die strategischen Bedenken ins Spiel: Wenn Chinas Firmen ihre Hand auf diese Vorkommen legen, wird Pekings Kontrolle über die für die Elektronikindustrie wichtigen Elemente vollkommen. „Der Zugriff auf Rohstoffe ist Sicherheitspolitik“, warnt Ex-Außenminister Uffe Ellemann-Jensen. Doch die Aufforderung, die arktische Schatzkammer nicht den chinesischen Investoren zu öffnen, weist Kleist zurück: „Wir arbeiten gern mit anderen zusammen. Aber die Chinesen sind die einzigen, die bereit sind, die nötigen Mittel zu stellen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2012)

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