US-Steuerstreit schürt Rezessionsangst

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US-Präsident Obama brach seinen Weihnachtsurlaub ab. Er muss den Budgetstreit beenden, sonst drohen Steuerbelastungen in Höhe von 600 Milliarden Dollar. Es käme zu einer US-Rezession mit weltweiten Folgen.

Wien/Washington/G.h. Die Wall Street hatte am Stephanitag anscheinend ein gutes Gefühl. Nach Tagen der Talfahrt zeigte das Kursbarometer wieder nach oben. Für die optimistische Stimmung sorgte US-Präsident Barack Obama persönlich. Er hat gestern seinen Weihnachtsurlaub auf Hawaii kurzfristig abgebrochen, um nach Washington zurückzukehren. Gelingt eine Beilegung des Budgetstreits nicht, drohen die USA nämlich wieder in eine Rezession zurückzufallen. Dies hätte weltweite Folgen, auch die europäischen Wirtschaftsforscher müssten ihre Konjunkturprognosen – früher als sonst – revidieren. Und zwar deutlich nach unten.

Es geht um die Summe von 600 Milliarden Dollar (455 Milliarden Euro). So hoch werden Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen ausfallen, wenn sich Demokraten und Republikaner nicht bis Jahresende auf einen Kompromiss einigen. Erst vergangene Woche scheiterte ein Vorstoß des republikanischen Sprechers des Abgeordnetenhauses, John Boehner, kläglich. Er wurde von seinen eigenen Parteifreunden im Stich gelassen und der Lächerlichkeit preisgegeben.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kompromiss zwischen Obama und Boehner scheiterte. Schon im Sommer 2011 verhandelten die beiden ein Fiskalprogramm aus, das moderate Steuererhöhungen vorsah. Damit wollte man der hohen Staatsverschuldung begegnen. Der Plan schlug fehl. Kurz darauf entzog die Ratingagentur Standard & Poor's der größten Volkswirtschaft das Triple-A-Rating. Experten schließen nicht aus, dass ein neuerliches Scheitern der Verhandlungen eine weitere Herabstufung zur Folge haben könnte.

16 Billionen Dollar US-Staatsverschuldung

Damals im Sommer 2011 wurde die Sanierung des US-Haushalts verschoben. Sollte es keine Einigung geben, würde Anfang 2013 automatisch ein riesiges Belastungspaket samt automatischer Ausgabenkürzung in Kraft treten. Im Sommer 2011 lag das Jahr 2013 noch in weiter Ferne. Dazwischen wurden Wahlen geschlagen und neue Schulden gemacht. Erst im September präsentierte US-Finanzminister Timothy Geithner ein Defizit für das abgelaufene Haushaltsjahr 2012 von 1,1 Billionen Dollar (850 Milliarden Euro). Zum vierten Mal in Folge wiesen die USA einen Fehlbetrag über einer Billion auf. Während Obamas erster Amtszeit ist die Staatsverschuldung von 10,6 auf 16 Billionen Dollar gestiegen.

Obamas Budgetplan sah ursprünglich vor, Haushalte mit einem Jahreseinkommen von über 250.000 Dollar (192.000 Euro) höher zu besteuern. Nach langen Verhandlungen mit den Republikanern zeigte der Präsident Kompromissbereitschaft und hob die Grenze für Steuererhöhungen auf ein Haushaltseinkommen von jährlich 400.000 Dollar an. Zudem gestand er seinem politischen Gegner auch Kürzungen in der Rentenversicherung zu, diese brachte Obama wiederum Kritik aus den eigenen Reihen ein.

Wie weit Demokraten und Republikaner wenige Tage vor Jahresende voneinander entfernt sind, zeigte vergangene Woche der Lapsus von John Boehner. Sein „Plan B“ sah vor, dass lediglich Jahreseinkommen über einer Million Dollar höher besteuert würden. Und nicht einmal diesen für Obama ohnehin inakzeptablen Vorschlag brachte der Sprecher des Repräsentantenhauses bei den eigenen Leuten durch. Vor allem die radikalen Tea-Party-Anhänger im Lager der Republikaner lehnen jede Art von Steuererhöhung kategorisch ab. Schließlich war es einst der republikanische Präsident George W. Bush, der die Einkommensteuer – insbesondere für Reiche – senkte.

Hypernervöse Wall Street

Heute, Donnerstag, soll der Kongress neuerlich zusammentreten. Dass die Wall Street gestern mit Kursgewinnen in den Handel startete, kommentierten Analysten mit Zynismus. „So weit ist es schon: Der Präsident könnte heute ins Flugzeug steigen – und bereits darauf reagiert der Markt“, sagte Kim Forrest, Analystin der Fort Pitt Capital Group. „Es dreht sich alles um die Fiskalklippe.“

Die Wortschöpfung „Fiskalklippe“ stammt von US-Notenbankpräsident Ben Bernanke. Er wollte damit allen drastisch vor Augen führen, worum es bei diesem Haushaltsstreit geht: einen drohenden tiefen Absturz.

US-Kommentatoren sprechen längst von einem „Haushaltsdrama“ mit schlimmen Folgen für die Weltwirtschaft. Und je schwärzer die Zukunft gemalt wird, umso fatalistischer fallen die Reaktionen aus. Es müsse zu einer Einigung kommen, weil ein Sprung über die Fiskalklippe fast undenkbar scheint. Ab 2. Jänner würde die Steuererhöhung fast alle Steuerzahler treffen, Arbeitslosenunterstützungen würden von einem Tag auf den anderen auslaufen, Militärausgaben dramatisch gekürzt.

Experten sprechen davon, dass die enormen Belastungen das Bruttoinlandsprodukt um bis zu fünf Prozent schmälern könnten. Die drohenden Konjunktureinbrüche hätten „griechische Ausmaße“, meint der britische „Economist“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2012)

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