Börse: Das Comeback der Aktienmärkte

(c) EPA (KIMIMASA MAYAMA)
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Die Aktienindizes haben heuer die Erwartungen übertroffen. Ein Grund sind die niedrigen Zinsen, die alternative Investments unattraktiv machen. Von ihren einstigen Höchstständen sind die Börsen aber weit entfernt.

Wien. Kaum jemand traute dem heimischen Leitindex ATX nach dem Katastrophenjahr 2011, in dem das Börsenbarometer um 35 Prozent nach unten gepurzelt war, eine derart starke Erholung zu. Es sollte heuer ein Plus von fast 27 Prozent werden. Maßgeblich dazu beigetragen hat das Comeback der Bankaktien. Im Vorjahr waren sie die großen Verlierer, heuer erwiesen sie sich als die Zugpferde: Bestperformer in Wien war die Erste Group, die seit Ende 2011 um rund 77 Prozent nach oben kletterte (siehe Grafik). Konkurrentin Raiffeisen Bank International landete mit einem Plus von 55 Prozent auf Platz drei.

Banken waren die großen Sieger

Hauptursache ist die Entspannung der Euro-Schuldenkrise. Zudem haben sich die Anleger an schlechte Nachrichten von der Konjunktur gewöhnt. Hatten sie im Vorjahr vor allem Sicherheit gesucht und auf Rendite noch wenig Wert gelegt, waren sie heuer risikofreudiger. Das Argument, dass Aktien günstig bewertet und alternative Investments angesichts der niedrigen Zinsen wenig attraktiv seien, zog wieder. Auch wuchs die Zuversicht, dass man systemrelevante Banken nicht pleitegehen lässt. Das verlieh nicht nur europäischen Bankwerten Flügel: Bestperformer im US-Index Dow Jones ist ebenfalls eine Bank. Der Kurs der Bank of America hat sich seit einem Jahr verdoppelt.

Wer nicht genau den richtigen Einstiegszeitpunkt erwischt hat, dem helfen solche Zuwächse allerdings wenig. Sie erfolgten oft von einem sehr niedrigen Niveau aus. Das Papier der Erste Group etwa kostet mit 24 Euro noch immer um ein Drittel weniger als vor zwei Jahren. Die Höchststände vor der Finanzkrise, als die Aktie um 60 Euro gehandelt worden ist, scheinen bis auf Weiteres außer Reichweite.

Das trifft auf den ATX generell zu. Dieser liegt auf Zweijahressicht um 17 Prozent im Minus und notiert derzeit etwa bei der Hälfte seines Allzeithochs vor der Krise von fast 5000 Punkten. Zum Vergleich: Dem Frankfurter DAX fehlen nur noch sechs Prozent auf seinen historischen Höchststand von 8000 Punkten. Der Vergleich ist allerdings nicht ganz fair, da es sich beim DAX um einen Performanceindex handelt: Die Dividenden werden in den Index eingerechnet, beim ATX passiert das nicht.

Schwache Telekomwerte

Die anderen Ursachen sind nicht bloß statistischer Natur: Der ATX ist extrem bankenlastig, dafür ist das Gewicht von „defensiven Papieren“, die sich in Schwächephasen relativ gut halten, geringer. Im DAX gibt es etwa Pharmakonzerne wie Bayer oder Merck und Konsumgüterhersteller wie Adidas oder Beiersdorf.
Als weitere Gründe für das Hinterherhinken des ATX werden häufig die Flucht der Investoren aus Osteuropa und aus kleineren Märkten sowie die Skandale in der Vergangenheit angeführt, etwa um die intransparenten Wertpapiergeschäfte bei Immofinanz und Meinl European Land.

Doch gibt es auch hierzulande Aktien, die knapp unter ihrem Allzeithoch notieren. Dazu zählen das Papier des Anlagenbauers Andritz, das allein heuer um mehr als die Hälfte zugelegt hat, oder die Aktie des Ölfeld-Ausrüsters Schoeller-Bleckmann. Letztere war im Vorjahr eine der wenigen, die zulegen konnten. Heuer fiel das Plus dafür unterdurchschnittlich aus.

Die großen Verlierer des heurigen Jahres waren jedoch die europäischen Telekomfirmen, denen der harte Preiskampf zu schaffen machte. Die heimische Telekom Austria erwischte es besonders schwer: Sie ist das einzige ATX-Unternehmen, dessen Aktie heuer zweistellig verloren hat. Doch auch die Deutsche Telekom gab leicht nach, die spanische Telefónica und die France Telecom verzeichneten ebenfalls ein zweistelliges Minus.

US-Börsen schwächeln seit Herbst

Deutlich geringer als in Europa fiel das Plus in den USA aus. In der ersten Jahreshälfte sah es noch anders aus. Doch dann verlor die Euro-Schuldenkrise ihren Schrecken, während den US-Anlegern die drohende Fiskalklippe Sorgen bereitete: Kommt es zu keiner Einigung zwischen Demokraten und Republikanern, drohen dem Land zu Jahresbeginn Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, die – so fürchten einige – eine Rezession auslösen könnten. Die Angst davor ließ die starken Zugewinne der ersten Jahreshälfte im Schlussquartal zum Teil wieder dahinschmelzen.



Die Tokioter Börse schloss indes fast 23 Prozent im Plus auf dem höchsten Stand seit der Fukushima-Katastrophe im März des vorigen Jahres. Es handelt sich zudem um das erste Jahresplus seit drei Jahren. Zu einem Gutteil verdanken die Japaner diesen Anstieg aber der Yen-Schwäche. Auf Eurobasis legte der japanische Leitindex nur einstellig zu.

Wenig aufregend war das abgelaufene Jahr für Goldanleger. Der Preis des glänzenden Edelmetalls bewegte sich seitwärts. Auf Jahressicht können sich die Anleger über ein kleines Plus von sieben Prozent auf 1660 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) freuen. Da der Euro im gleichen Zeitraum leicht zulegte, mussten sich Anleger aus der Eurozone mit einem geringeren Anstieg zufriedengeben. Im Jahr davor hatte der Goldpreis wilde Sprünge hingelegt, zuerst ein nominelles Allzeithoch bei mehr als 1900 Dollar erreicht und dann einen Absturz erlebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)

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