Schweiz: Hilfe bei Steuerhinterziehung „üblich“

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Beihilfe zur Steuerhinterziehung bringt das älteste Bankhaus der Schweiz, die 1741 gegründete Privatbank Wegelin, um ihre Existenz. Laut der Bankführung ist dies ein „übliches“ Geschäftsmodell des Bankensystems.

Wien. Am 3. Jänner ging ein Stück schweizerischer Bankgeschichte zu Ende: Die älteste Bank des Landes, die 1741 gegründete Privatbank Wegelin, bekannte sich vor einem US-Gericht offiziell der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig. Sie wird 74 Mio. Dollar an Strafe und Entschädigung bezahlen – und danach vom Markt verschwinden. Denn hinter dem traditionsreichen Namen versteckte sich zuletzt ohnehin nur noch eine Art „Bad Bank“, in der das US-Geschäft der Schweizer zusammengefasst war.

Der große Rest (das US-Geschäft machte nur fünf Prozent des Geschäftsvolumens aus) war schon im Vorjahr, nachdem die US-Behörden drei Wegelin-Mitarbeiter in den USA angeklagt hatten, an die Schweizer Raiffeisen-Gruppe verkauft worden und firmiert nun unter dem Namen Notenstein Bank. Die Abspaltung war notwendig geworden, um das Europageschäft vor einem existenzbedrohenden Strafverfahren in den USA zu retten.

Insgesamt, so gestand das Wegelin-Management vor dem Richter in Manhattan ein, hatte die Bank amerikanischen Staatsbürgern geholfen, 1,2 Mrd. Dollar an den Finanzbehörden vorbei in die Schweiz zu schleusen.

Brisante Aussagen

Das Ganze wäre eine Fußnote in der Schweizer Bankgeschichte – wenn die Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht eine Art Geschäftsmodell des gesamten Schweizer Bankensystems gewesen wäre. Was Wegelin-Miteigentümer Otto Bruderer vor Gericht in New York aussagte, ist zwar für Bankenkenner keine große Überraschung, birgt insgesamt aber viel Brisanz.

Der Schweizer Bankchef redete sich nämlich anständigerweise nicht auf seine erwischten US-Mitarbeiter aus, sondern sagte, der Bank sei durchaus bewusst gewesen, dass es sich bei den US-Guthaben um unversteuerte Gelder gehandelt habe. Bankmitarbeiter, die solcherart bewusst Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet haben, hätten dies mit ausdrücklicher Billigung durch die Bank getan.

Und dann die Bombe: Ein solches Verhalten sei keine Spezialität der Wegelin-Bank gewesen, gab Miteigentümer Bruderer zu Protokoll, sondern unter Schweizer Banken „üblich“ gewesen.

Diese Aussage wird einige Schweizer Bankchefs ins Schwitzen bringen, denn die US-Behörden waren ja nicht nur hinter der relativ kleinen Privatbank her, sondern haben wegen desselben Delikts elf weitere Schweizer Geldinstitute auf der „Fahndungsliste“. Darunter die Großbanken UBS und Credit Suisse sowie die bekannte Privatbank Julius Bär.

Hinterziehung ist kein Betrug

Ein Geheimnis war das ja nie: Eines der Fundamente der Schweizer „Bankenfestung“ war die eidgenössische Gesetzeslage, die strikt zwischen strafbarem Steuerbetrug und strafrechtlich nicht relevanter Steuerhinterziehung unterschied. Wer also Geld an seinem Finanzamt vorbeischleuste, ohne dabei betrügerische Handlungen zu setzen, dessen Schwarzgeld war in den Schweizer Bergen sicher: Auskunftswünsche ausländischer Finanzbehörden blieben in solchen Fällen unerfüllt.

Das hat sich freilich grundlegend geändert: Der enorme Druck, den vor allem die USA, aber auch Deutschland und Frankreich auf der Suche nach unversteuerten Geldern ihrer Steuerbürger aufgebaut haben, hat dem Schweizer Bankgeheimnis starke Risse zugefügt. Die „Weißgeldstrategie“, zu der sich die Schweizer Banken verpflichtet haben (und in deren Rahmen sie kein Schwarzgeld mehr annehmen dürfen), hat unter anderem mit dem Schutzmantel für Steuerhinterzieher Schluss gemacht. Was die Schweizer gerade noch halten können, ist ihr Widerstand gegen den automatischen Datenaustausch.

Ob das hält, ist freilich nicht mehr sicher. Zumindest US-Bürger müssen damit rechnen, dass ihre Schweizer Konten gläsern geworden sind. Ein neues Steuerabkommen verpflichtet die Banken, alle Konten von US-Bürgern zu melden – oder 30 Prozent Steuer von allen Zahlungen aus den USA einzuheben.

Und auch „alte“ Geschäfte werden offengelegt: UBS und Wegelin sind bereits gezwungen worden, die Namen von US-Kunden herauszurücken. Die anderen ins Visier der US-Behörden geratenen Banken werden das wohl demnächst machen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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