Grenzschutz: Spionagenetz gegen Migration

(c) AP (Lenny Ignelzi)
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Ein Datennetzwerk mit aktuellen Drohnen- und Satellitenbildern soll die Außengrenzen der Europäischen Union im Osten und Süden systematisch besser kontrollieren. Vorerst werden 240 Millionen investiert.

Wien. Unbemannte Aufklärungsflugzeuge – Drohnen – flogen vergangenes Jahr an der griechisch-türkischen Grenze ihre Einsätze. Sie lieferten Bilder von Gruppen illegaler Einwanderer, die hier ihr Glück versuchten, um in den Westen zu gelangen. Durch die Ausforschung schon jenseits der Grenze konnten die griechischen Sicherheitsbehörden die Zuwanderer effizienter beim Übertritt stoppen. Jetzt soll dieses System EU-weit ausgebaut und weiterentwickelt werden. Der Direktor der Grenzschutzagentur Frontex, Ilkka Laitinen, kündigte in einem Interview mit der Internetplattform „EUobserver“ an, dass künftig die EU-Außengrenze im Osten und Süden systematisch mit allen technischen Mitteln – Drohnen- und Satellitenbilder eingeschlossen – kontrolliert werden. In einem ersten Schritt werden alle Informationen von nationalen Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten gebündelt.

„Es sollen Livebilder von Sondersituationen übermittelt werden“, präzisiert der österreichische EU-Abgeordnete Hubert Pirker (ÖVP) die Pläne. Er hat im Innenausschuss des Europaparlaments die notwendigen Beschlüsse für den schrittweisen Aufbau eines gemeinsamen Datennetzwerks vorbereitet. „Alle Mitgliedstaaten werden künftig ihre nationalen Informationen in das gemeinsame Grenzschutzsystem Eurosur einspeisen.“ Das System soll von Frontex verwaltet werden und ab Oktober dieses Jahres starten. Die Grenzschutzagentur in Warschau wird mit diesem Netzwerk jederzeit Risikos von illegalen Einwanderungswellen bewerten können. Sie kann zwar selbst keine Maßnahmen ergreifen, aber die jeweiligen Mitgliedstaaten zum Handeln auffordern und im Bedarfsfall gemeinsame Einsätze koordinieren.

„Bild über den Grenzvorbereich“

Das Vorgehen kommt einer koordinierten Auslandsspionage gleich. Denn es wird die Situation jenseits der EU-Außengrenzen beobachtet. Dementsprechend heißt es in einer Aussendung der EU-Kommission dazu: „Durch die Kombination nachrichtendienstlicher Erkenntnisse mit den durch Überwachungsinstrumente gewonnenen Informationen könnte ein gemeinsames Informationsbild des Grenzvorbereichs entwickelt werden.“

Die EU wird zum Aufbau von Eurosur vorerst 245,8 Millionen Euro aus ihrem Budget zur Verfügung stellen. Aus gemeinsamen Forschungsprogrammen sollen darüber hinaus Personenortungssysteme durch Aufklärungssatelliten und Drohnen weiterentwickelt werden. Die Grünen im Europaparlament haben darauf bestanden, dass klargestellt wird, dass Eurosur auch zur Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen genutzt wird. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen, Ska Keller, hat dennoch Bedenken gegen das neue Aufklärungssystem: „Mit der geplanten Überwachung der Grenzen durch Drohnen und Satelliten wird die EU zu einer elektronischen Festung gegen Migranten und Flüchtlinge ausgebaut.“

Pirker hat diese Befürchtungen nicht: „Wir gehen damit effizienter gegen Schlepperbanden vor, die den meist arbeitssuchenden Menschen eine rosige Zukunft versprechen und ihnen pro Person 7000 Euro für die Reise in die EU abnehmen.“ Damit schütze die Europäische Union diese Menschen, die von den Schleppern ausgebeutet würden und meist nur kommen, weil sie hier arbeiten möchten.

Flüchtlingsorganisationen weisen darauf hin, dass beim EU-Grenzschutz bereits jetzt kaum zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und verfolgten Menschen unterschieden werde. Migranten, die bereits an oder sogar vor der Grenze zurückgeschickt würden, hätten oft keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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