Bulgarien: Nur noch gute News für Bojko Borissow

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noch gute News fuer(c) EPA (ETTORE FERRARI)
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In Bulgarien ist eine dubiose Übernahme einer Mediengruppe im Gange, die auch die Interessen von Investor Karl Habsburg betrifft. Es droht ein Zeitungsmonopol und das Verstummen kritischer Stimmen.

Uneinnehmbar wie eine Festung steht das „Polygrafische Kombinat Dimitar Blagoew“ an der viel befahrenen Zarigradsko-Chaussee, ein Betonkoloss in Ocker und Grau, auf dessen Eingangsportal sechs pompöse Säulen lasten. Es trägt den Namen des Gründervaters der bulgarischen Sozialisten, und staatssozialistische Propaganda wurde hier früher verlegt: „Werk des Arbeiters“, offizielle Tageszeitung des Politbüros der Kommunistischen Partei, die man für wirkliche Informationen zwischen den Zeilen lesen musste. Seine Tage sind vorüber, das Blatt wurde 1990 eingestellt. Die Ära der Meinungsfreiheit begann.

Wenn es in der kurzlebigen Medienwelt des demokratischen Bulgarien so etwas wie Traditionszeitungen gibt, dann findet man sie heute in der Zarigradsko-Chaussee 47. Die seit den Neunzigerjahren führenden Tageszeitungen „24 Stunden“ (24 Chasa) und „Arbeit“ (Trud) werden hier in der hauseigenen Druckerei gedruckt, sowie mehrere Wochenzeitungen und Magazine. Es ist die „Mediengruppe Bulgarien“, von 1996 bis 2010 im Mehrheitsbesitz der deutschen WAZ.

Nervosität im Kombinat.
Doch das unerschütterliche Äußere des zentrumsnahen Kombinats trügt. In den schnurgeraden Gängen herrscht Nervosität, unter den Mitarbeitern machen täglich neue Gerüchte die Runde.

Denn in Bulgarien könnte ein regierungsnahes Medienmonopol entstehen, das an die Tage erinnern lässt, als aus Hausnummer 47 noch Propagandalosungen verlautet wurden – heute freilich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Die „Mediengruppe Bulgarien“ bekommt in diesen Wochen neue Eigentümer. Es ist ein Deal, der hinter verschlossenen Türen stattfindet, und in dem die Namen von Kreditgebern und Neueigentümern in den Verträgen oft nur als Namen von Strohmännern und -frauen gelten. Übernahmen im bulgarischen Medienbereich sind eine Rechnung mit vielen Unbekannten: „Eigentümer sind wie Matrjoschkas, die russischen Holzpuppen: Immer steckt noch eine Figur hinter der anderen“, sagt Medienexperte Orlin Spassow.

Manche Beobachter fürchten gar, dass der bulgarische Printmedienmarkt bald zu 98 Prozent in einer Hand sein könnte – in der Hand der als regierungsnah geltenden „Neuen Bulgarischen Mediengruppe“. Es wäre dies die größte Konzentration im Zeitungssektor in der EU. „Medien werden in Bulgarien zur politischen und wirtschaftlichen Machtausübung instrumentalisiert“, kritisiert ein westlicher Diplomat. Namentlich genannt will er nicht werden.

Der aktuelle Krimi um Macht und Medien in Bulgarien beginnt mit dem Ausstieg der WAZ Ende 2010. Die Essener verkauften an eine Gruppe von Investoren, die einerseits aus den Bulgaren Ognjan Donew, Chef des Pharmariesen „Sopharma“, und Ljubomir Pawlow als Mehrheitseigentümern besteht, andererseits aus der Investorengruppe „BG Privatinvest“ von Karl Habsburg, dem Deutschen Daniel Rutz und Christo Grozew, einem in Wien lebenden bulgarischen Medienunternehmer.Schon damals zeigte auch eine andere Gruppe Interesse an dem Deal: Die „Neue Bulgarische Mediengruppe“ (NBMG) hatte jedoch das Nachsehen. Diese Gruppe gehört der Unternehmerin Irena Krastewa und ihrem Sohn, Deljan Peewski. Peewski ist eigentlich Mitglied der Oppositionspartei DPS, die vor allem Belange der türkischen Minderheit vertritt. Mit der Machtübernahme von Bojko Borissow 2009 wandeln sich die Blätter der NBMG von entschiedenen Anti-Regierungsorganen über Nacht zu Jubelblättern. Premier Bojko Borissow, der auf sein mediales Image großen Wert legt, ist regelmäßig auf Seite eins zu sehen, Homestorys über die Kabinettsmitglieder füllen die Seiten. Finanziert wird die NBMG vor allem von der „Korporativen Handelsbank“, auf der viele Staatsgelder lagern.

Die neuen bulgarisch-deutsch-österreichischen Eigentümer haben indes mit ihrem Medienexperiment keinen rechten Erfolg. Laut Brancheninsidern schreiben die Zeitungen Verluste, die Auflagen von „Arbeit“ und „24 Stunden“ dürften in den vergangenen Jahren auf 20.000–30.000 Stück gefallen sein: ein Drittel von einst. Der Wert der „Mediengruppe Bulgarien“ hat sich von 40 Mio. Euro (einstiger WAZ-Verkaufspreis) auf 23–28 Mio. verringert. Dazu kommen Streitigkeiten zwischen den Eigentümern: Grozew/Habsburg werden laut Eigendarstellung von Pawlow/Donew ausgebootet, ihre Anteile unrechtmäßig reduziert. Vier Prozesse laufen derzeit in Sofia. Karl Habsburg – ein „Medienzar auf dem Balkan“ („Süddeutsche“)? Eher nicht. Der Unternehmer war für die „Presse am Sonntag“ trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erreichbar; sein Kompagnon Grozew nahm dafür Stellung: „Wir waren naiv zu glauben, dass es Medienvielfalt in Bulgarien gibt. Jetzt sind wir klüger.“

Zurück zu den Mehrheitseigentümern Pawlow/Donew. Auch sie geraten unter Druck. Der regierungskritische Journalist Iwan Bakalow behauptet, sie seien wegen nicht genehmer Berichterstattung in Konflikt mit der Regierung gekommen. Konkret: in Konflikt mit Premier Bojko Borissow. Borissow habe sie „ausschalten“ wollen. Ein Mitarbeiter aus dem Management der „Mediengruppe Bulgarien“ bestätigt dies ebenfalls.

2012 wird die Zeitungslandschaft von einem „Medienkrieg“ erschüttert: Die Blätter der NBMG und der „Mediengruppe Bulgarien“ liefern sich auf ihren Seiten eine Schlammschlacht. Ziel: Diskreditierung der jeweils anderen Eigentümer und ihrer Unternehmen. Schließlich wird noch die Staatsanwaltschaft wegen diverser Delikte – mutmaßliche Geldwäsche, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung – gegen Pawlow/Donew aktiv, deren Vermögenswerte am Unternehmen bis heute eingefroren sind. Man könnte davon ausgehen, dass „das Schicksal der Ermittlungen davon abhänge, ob sich die beiden aus dem Verlagsbusiness zurückziehen“, schreibt das seriöse Internetportal „Mediapool“.


Nur eine Zwischenstation? Genau das scheint nun zu passieren. Das Unternehmen hat einen 15 Mio. Euro teuren Kredit auf die „Investbank“ überschrieben, eine kleine, bis vor Kurzem noch kriselnde Bank, die über komplizierte Beteiligungen auch mit der NBMG verbunden ist. Als neue Besitzerin und Geschäftsführerin soll die frühere „24 Stunden“-Chefredakteurin Wenelina Gotschewa installiert werden. Sie gilt ebenfalls als regierungsnah. Manche Beobachter deuten das Geschäft, es soll bis Anfang März finalisiert werden, als „Zwischenlösung“: womöglich, um Zeit zu gewinnen, um doch noch einen anderen (ausländischen) Investor zu finden. So die optimistische Version.

Doch sollte die NBMG tatsächlich hinter dem Geschäft stehen, wird sie sich wohl auch künftig nicht als Eigentümerin zu erkennen geben. „Peewski möchte sich nicht als neuer Medienzar Bulgariens deklarieren“, so der Informant aus dem Konzern. Medienexperte Spassow teilt diese Einschätzung und weist auf das große ungelöste Problem der Branche hin: die intransparenten Eigentumsstrukturen. Ein „offizielles“ Monopol hätte nicht nur einen „Aufschrei der Gesellschaft“ zur Folge, erklärt Spassow, es würde auch unangenehme Interventionen der bulgarischen Wettbewerbskommission sowie Mahnungen aus Brüssel erwirken.

Bleibt die Frage: Hat die bulgarische Regierung ein Interesse an der Medienkonzentration? Als „ein Geben und Nehmen“ bezeichnet der westliche Diplomat süffisant die derzeitigen Strukturen: „Die Regierung dürfte ein kurzfristiges Interesse an einer Konsolidierung haben.“ Im Sommer 2013 finden Parlamentswahlen statt, Borissow und seine Mannschaft hoffen auf eine zweite Amtszeit, doch für eine Alleinregierung wird es knapp. Könnte man da in Versuchung kommen, die Öffentlichkeit medial noch stärker zu beeinflussen, als dies jetzt schon der Fall ist?

Der Premier ist jedenfalls für seine Medienfixiertheit bekannt. Als Kriminalitätsbekämpfer im Innenministerium, wo er seine Karriere begann, war er bekannt für das enge Verhältnis, das er zu jungen Journalistinnen pflegte. Unter Kollegen weiß man von SMS und Anrufen, mit denen Borissow Verfasser missliebiger Artikel maßregelt. Im Mai 2010 stellte er den Chefredakteuren des Landes in einem Brief eine rhetorische Frage: Stimme es wirklich, dass die Regierung Druck auf die Presse ausübe? Selbstverständlich nicht, antworteten die Medienmacher im Chor. Organisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ sehen die Sache anders: Bulgarien ist im Pressefreiheit-Ranking von seinem Bestplatz 35 (2006) auf Rang 80 abgesackt, der schlechteste Platz in der EU.

Im Inneren des Medienhauses an der Zarigradsko-Chaussee ist indes der Eigentümerwechsel schon vor Geschäftsabschluss spürbar. Ein Beispiel: Einem Journalisten wurde die Veröffentlichung eines Interviews, das den Premier in wenig günstigem Licht darstellte, mit dem Argument verwehrt, dass man „solche Geschichten nun nicht mehr“ bringe. Schon jetzt steht die Mehrheit der Medien aufseiten der Mächtigen. Doch die Blätter könnten sich auch einmal gegen sie wenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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