"Muss es Tote geben?" - Piloten-Demo gegen Dienstzeiten

Proteste gegen Neuregelung der Flugdienstzeiten
Proteste gegen Neuregelung der Flugdienstzeitendapd
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In den USA wurden die Maximalarbeitszeiten reduziert, die EU schlägt eine andere Richtung ein. Auf zwölf Flughäfen - darunter auch Wien-Schwechat - wird dagegen protestiert.

Wir sagen nein zu langen Nachtflügen, nein zu 22-Stunden-Diensten, nein zu 23 Tagen Bereitschaftszeit", hieß es am Dienstagvormittag auf Flughäfen in ganz Europa - auch in Wien wurde protestiert. Der Grund: Im Auftrag der EU-Kommission hat die EU-Flugsicherheitsbehörde EASA vorgeschlagen, die höchstzulässigen Arbeitszeiten für Piloten und Kabinenpersonal zu vereinheitlichen - im Wesentlichen zu verlängern. Der europäische Piloten-Dachverband ECA - der mehr als 38.000 Piloten aus ganz Europa vertritt - hat am Dienstag den Aktionstag organisiert. In Wien war eine zwischen 9 und 11 Uhr anberaumte Demo vor der Skylink-Abflughalle auch wegen der eisigen Temperaturen nach weniger als einer Dreiviertelstunde zu Ende. Etwa 150 Crewmitglieder wurden hier gezählt. Zu Behinderung im Flugverkehr kam es nicht. In Frankfurt machten am Vormittag mehr als 200 Piloten und Kabinenangestellte mit.

Gewarnt wird an dem europaweiten Aktionstag vor gefährlicher Ermüdung im Cockpit, Fliegen müsse sicher bleiben. "Wir wollen die Passagiere an den Flughäfen wachrütteln", erklärte Christoph Mair, Flugkapitän und Sprecher des Verbands Österreichischer Verkehrspiloten ACA (Austrian Cockpit Association). Die von der EU angestrebten Regeln ließen künftig gefährliche Dienstpläne zu "Wir müssen uns wehren. Wir wollen nicht weniger arbeiten. Wir wollen nur eine andere Arbeitseinteilung."

Minhard: "Kniefall vor den Airlines"

AUA-Bordbetriebsrat Karl Minhard sprach gegenüber der APA von einem "Kniefall vor den Airlines". „Jeder Passagier hat das Recht, dass er einen ausgeschlafenen Piloten vorne hat". Die USA, so berichtete ACA-Sprecher Mair, hätten erst vor drei Jahren die Maximalflugdienstzeiten in der Nacht auf neun Stunden reduziert, als eine Linienmaschine mit übermüdeter Crew beim Anflug auf Buffalo abstürzte. "Die haben Tote gebraucht, um ihr Gesetz zu ändern." Nun gehe Europa gerade in die andere Richtung. "Muss es erst Tote geben?"

Demo in Wien-Schwechat
Demo in Wien-SchwechatAP

Die Pilotenverbände in Europa warnen unter Berufung auf Expertengutachten, dass heute schon bei einem Fünftel der Unfälle in der Luftfahrt Ermüdung der Piloten eine Rolle spiele. Schwedische interne Umfragen ergaben sogar, dass jeder zweite Pilot schon einmal im Cockpit eingeschlafen sein soll ("DiePresse.com" berichtete).

22 Stunden wach bleiben

Geht ein ursprünglich für Ende Jänner, nun für März zur Behandlung im EU-Parlament anstehender Plan durch, werden die Arbeitszeiten der Bord-Mitarbeiter europaweit einheitlich geregelt. Mit zweijähriger Übergangsfrist sind die Vorgaben bis 2015 national umzusetzen. Bleibt es bei den EASA-Vorschlägen, kann laut ACA die maximale Flugdienstzeit in der Nacht elf bis zwölf Stunden betragen. "Mediziner sagen, alles über zehn Stunden ist ein Wahnsinn in der Nacht", so ACA-Pilot Mair. China etwa, wo Mair selbst heute fliegt, sieht acht Stunden vor.

Durch Kombination von Bereitschafts/Stand-by- und reinen Flugzeiten soll es den Europa-Plänen zufolge außerdem möglich sein, dass ein Pilot 22 Stunden am Stück wach ist. Der alte (aufgekündigte) Austrian-Kollektivvertrag sah hier nach APA-Informationen bloß 16 Stunden vor. Die neuen Richtlinien im AUA-Konzern lassen einiges mehr zu. Diese neuen Reglements nach dem AUA-Betriebsübergang werden von AUA-Pilotenanwälten aber gerade bekämpft.

Wie 0,8 Promille Alkohol im Blut

Die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit schrieb, dass Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Denkfähigkeit nach einer durchwachten Nacht mit 0,8 Promille Blutalkohol vergleichbar sei. Viele Piloten verzichteten nach langem Dienst längst darauf, mit dem eigenen Pkw heimzufahren und schliefen im Crewgebäude am Flughafen. Die Pilotenvereinigungen beklagen, dass die europäische Flugsicherheitsbehörde derzeit alle Erkenntnisse über Ermüdung, Schlafzyklen und Reaktionszeiten in den Wind schlage.

(APA)

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