Totgeglaubte sterben später: Atari droht das Ende

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Seit 1999 macht Atari keinen Gewinn mehr, die Aktie ist um sagenhafte 99,94 Prozent eingebrochen. Jetzt hat die Firma in den USA Insolvenz angemeldet, Atari soll saniert werden. Aber die Zeichen stehen schlecht.

Wien/Jil. Im Jahr 1991, als Computer und Videospiele noch als kurios und wenig zukunftsfähig galten, führte der Ingenieur Loren Carpenter ein Experiment durch. Er lud hunderte nichts ahnende Kalifornier in einen Kinosaal. Auf ihren Sitzen fanden sie eigenartige Paddel, ähnlich wie in einem Auktionshaus.

Dann ging das Licht aus, und auf der Kinoleinwand war plötzlich „Pong“ zu sehen: jenes simple Tennisspiel, das seit 1972 zu den Urvätern einer ganzen Industrie zählt. Der Erfinder von „Pong“? Atari. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Insassen des Kinosaals begriffen, dass sie gegeneinander spielen sollten. Auf den Paddeln waren Sensoren, die erkannten, welche Farbe ein Spieler Richtung Leinwand hielt: Grün bewegte den „Pong“-Schläger nach oben, Rot nach unten.

Wenn aber zu viele Teammitglieder gleichzeitig eine Farbe anzeigten, bewegte sich der Schläger zu schnell. Ein Problem, das die Masse von Teilnehmern wie von Zauberhand zu umgehen schien. Carpenters Experiment war gelungen: Er hatte gezeigt, dass Menschen ohne Anweisungen oder Planung zusammenarbeiten, um ein Ziel zu erreichen. Die kalifornischen Kinobesucher waren eine frühe „Crowd“.

Und ganz nebenbei war das Experiment auch eine der letzten großen Stunden von Atari. Seit den 1990ern fällt das Unternehmen immer weiter hinter die Konkurrenz zurück. 1999 war das allerletzte Jahr, in dem Atari einen Gewinn erwirtschaften konnte. Jetzt hat der Videospielpionier in den USA einen Insolvenzantrag gestellt. Ataris Konzernsitz ist zwar Europa, und das Unternehmen ist auch an der Pariser Börse notiert – das Hauptgeschäft ist aber in den USA, wo Atari nun saniert werden soll. Eine Insolvenz nach „Chapter 11“ schützt in den USA das Unternehmen vor den Gläubigern – um Arbeitsplätze zu erhalten.

„Pong“ bis heute erfolgreich

Wie es gelingen soll, die legendäre Computerfirma wiederzubeleben, ist allerdings unklar. Das Unternehmen ist klinisch tot. Seit Anfang 2000 ist die Aktie um sagenhafte 99,94 Prozent eingebrochen. Die hohe Zeit, sie ist vorüber.

In den 1970er- und 1980er-Jahren – vor Playstation, X-Box, Nintendo, Apple und Microsoft – hat Atari schon Spielkonsolen hergestellt. Zudem legendäre Computer, die in der Tastatur versteckt waren. Eine Designidee, die heute wieder aufgegriffen wird. Aber von Asus, nicht von Atari, das heute ein bescheidenes Dasein fristet. Nur rund 200 Menschen arbeiten an neuen Spielen. Und einer der erfolgreichsten Titel ist allen Ernstes bis heute „Pong“ – das man jetzt auf dem iPhone, dem iPad oder einfach im Browser spielen kann.

Atari versucht gar nicht erst, sich mit neuen Spielen mit den heutigen Branchengiganten Activision Blizzard und Electronic Arts anzulegen. Stattdessen will man den guten alten Namen weiter ausschlachten. Alte Acarde-Spiele für Apples iOS, Googles Android und Facebook aufzubereiten – das ist die Strategie.

Einzige Hardware im Programm: ein Retro-Joystick für das iPad. Tatsächlich sind simple Games dank Facebook und Smartphones wieder im Aufwind. Dass Atari sich mit jahrzehntealten Titeln gegen die neue Konkurrenz wie „Farmville“ oder „Angry Birds“ durchsetzen kann, darf jedoch stark bezweifelt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2013)

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