Verhütung: Die Antibabypille unter Beschuss

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In Frankreich wird die Pille „Diane 35“ des deutschen Pharmakonzerns Bayer vom Markt genommen, weil sie für mehrere Todesfälle mitverantwortlich sein könnte. Sie wird auch in Österreich eingesetzt.

Wien/hie. Dass die Antibabypille Nebenwirkungen hat, ist zwar bekannt. In Frankreich sorgt dennoch eine relativ häufig verschriebene Pille für Wirbel. Das Präparat „Diane 35“ des deutschen Pharmakonzerns Bayer soll demnächst vom französischen Markt genommen werden, wie gestern bekannt gegeben worden ist. Und zwar wegen des Verdachts, dass seit der Zulassung des Präparats im Jahr 1987 ein Zusammenhang mit dem Tod von vier Frauen in Frankreich bestehen könnte. Die Betroffenen seien an den Folgen von Venenthrombosen gestorben, so die französische Arzneimittelaufsicht ANSM. Diese wiederum stünden in Verbindung mit „Diane 35“. In Frankreich nehmen Schätzungen zufolge rund 300.000 Frauen „Diane 35“ oder ein Generikum.

Das Präparat ist in über 100 Ländern zugelassen, auch in Österreich. Hierzulande wird es unter dem Namen „Diane Mite Dragees“ verschrieben, heißt es von Bayer Österreich zur „Presse“. Alternativ werden in Österreich auch die Generika „Bellgyn“ von Ratiopharm, „Xylia“ (Sandoz), „Midane“ (Pelpharma) und „Alisma“ (Gynial) vertrieben, so eine Sprecherin von Bayer. „Diane Mite“ ist aber kein klassisches Verhütungsmittel, sondern zur Behandlung von „Androgenisierungserscheinungen“ zugelassen. Das können etwa ausgeprägte Formen von Akne oder Haarausfall sein. Leiden Patientinnen unter solchen Erscheinungen, könne „Diane“ auch zur Empfängnisverhütung eingesetzt werden, so Bayer. Wie oft „Diane Mite“ in Österreich verkauft wird, gibt der Konzern nicht bekannt. Darüber hinaus wollte Bayer Österreich keine Stellungnahme abgeben, man berate über das weitere Vorgehen. Die Bayer-Aktie, die zuvor ein Allzeithoch markiert hat, gibt seit einigen Tagen nach.

„Diane 35“ enthält die Wirkstoffe Cyproteronacetat und Ethinylestradiol. Anfang der Woche hat die französische Arzneimittelaufsicht dazu aufgerufen, „Diane 35“ nicht mehr als Verhütungsmittel zu verschreiben. Auch Bayer wies am Wochenende in einer Erklärung darauf hin, dass das Medikament nur zur Behandlung von Akne verschrieben werden dürfe und nicht zur Empfängnisverhütung empfohlen werde. Im Beipackzettel werde zudem deutlich auf das Risiko einer Thrombose hingewiesen.

Folgen für Österreich noch nicht klar

Die österreichische Medizinmarktaufsicht rät nicht von der Einnahme ab. „Patienten werden angehalten, die Anweisungen des behandelnden Arztes zu befolgen“, heißt es von der Ages Medizinmarktaufsicht. Wird ein Medikament in einem EU-Mitgliedsland eingeschränkt, habe das allerdings automatisch ein Verfahren auf EU-Ebene zur Folge, das sich auch auf Österreich auswirken könne. Mit einem Ergebnis sei in einigen Wochen bis Monaten zu rechnen, so die Ages.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) prüft auch Antibabypillen der dritten und vierten Generation wegen Verdachts auf erhöhte Nebenwirkungen. Auch diese Initiative kam aus Frankreich. Eine Frau, die die Bayer-Pille „Meliane“ eingenommen hatte, klagte den Konzern, nachdem sie 2006 einen Schlaganfall erlitten hatte. Es gebe laut EMA aber keinen Grund, Pillen der dritten und vierten Generation abzusetzen.

„Diane 35“ gehört laut Georg Braune, Fachgruppenobmann der Gynäkologen in Wien, zur „zweiten Generation“, die erste Generation werde nicht mehr verschrieben. Laut Braune seien Pillen der dritten und vierten Generation nicht unbedingt gefährlicher. „,Pille und Thrombose‘ ist nun einmal ein Thema“, sagt Braune. Vor der Einnahme müsse genau geklärt werden, welches Risiko die Frauen schon mitbringen, zum Beispiel, wenn sie rauchen. „Es wird dann immer automatisch gesagt, die Pille ist schuld“. Dabei könne eine Thrombose auch durch das Rauchen entstehen. „Das muss man sich genau anschauen.“ Weltweit verhüten rund 100 Millionen Frauen mit der Antibabypille. Laut einer Studie des Ambulatoriums Gynmed vom September verhüten 77 Prozent der Österreicher zwischen 16 und 49 Jahren, davon 54 Prozent mit der Pille.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2013)

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