Monte-Paschi-Skandal bringt Mario Draghi in Bedrängnis

MontePaschiSkandal wusste Mario Draghi
MontePaschiSkandal wusste Mario DraghiReuters
  • Drucken

Italien: Der Skandal um die älteste Bank der Welt bringt den ehemaligen Oberaufseher und heutigen EZB-Chef Mario Draghi in Erklärungsnot.

Mario Draghi wird die dunklen Schatten seiner Vergangenheit als Chef der Banca d'Italia und Oberaufseher über Italiens Banken so schnell nicht los. Der seit 15 Monaten amtierende EZB-Präsident, dessen Institution so bald wie möglich die Aufsicht über die großen Banken der Eurozone übernehmen will, bleibt in Italien in der Kritik. Denn nach Ansicht seiner Gegner kommt der Vorzeigenotenbanker nicht umhin, im Skandal um das toskanische Bankhaus Monte dei Paschi de Siena Versäumnisse jener Aufsicht einzuräumen, deren Chef er von 2006 bis zu seinem Wechsel an die EZB-Spitze in Frankfurt im November 2011 war.

"Die Banca d'Italia hätte viel mehr tun können", sagt zum Beispiel Alessandro Penati, Professor für Bank- und Finanzwesen an der Katholischen Universität in Mailand, einer der führenden italienischen Finanzregulierungsexperten. "Sie (die Aufseher) wussten bereits 2010 genug, was eine härtere Gangart gegenüber dem Management der Bank gerechtfertigt hätte. Sie haben die Macht, die Bilanz der Bank anzufechten und das Management zu ersetzen, und das hätten sie tun sollen."

Monte dei Paschi ist die älteste Bank der Welt. Bei dem Skandal um das in Siena beheimatete Institut geht es zum einen um Verluste aus hochriskanten Derivate-Geschäften in Höhe von rund 720 Millionen Euro. Zudem steht das Bankhaus im Verdacht, beim Kauf der Regionalbank Antonveneta im Jahr 2007 deutlich zu viel bezahlt zu haben und damit seine Finanzkraft überstrapaziert zu haben. Die bei der Notenbank in Rom angesiedelten Aufseher haben zwar alle Aktivitäten des inzwischen ausgetauschten Managements der Bank unter die Lupe genommen, aber kaum etwas unternommen.

Nun lud ein Gericht in Rom am Donnerstag Vertreter der Notenbank vor, um sie zur staatlichen Rettungsaktion für die älteste Bank der Welt zu befragen. Zudem erklärte die Staatsanwaltschaft in Rom, das Institut genauer unter die Lupe zu nehmen und eine Untersuchung wegen des Verdachts der Marktmanipulation zu eröffnen. Einen zusätzlichen Nackenschlag erhielt das Geldhaus von der Rating-Agentur Standard & Poor's, die die Bonitätsbewertung noch tiefer in den "Ramsch"-Bereich senkte.

Geheimes Treffen mit Wirtschaftsminister

Ein seit Anfang der Woche kursierendes Dokument, das belegen soll, dass die Aufsicht in Sachen Monte dei Paschi durchaus etwas getan hat, scheint inzwischen zu einer Art Bumerang für die Banca d'Italia zu werden. In dem siebenseitigen Papier, das einen Tag nach einem zunächst geheimen Treffen Draghis mit dem italienischen Wirtschaftsminister Vittorio Grilli öffentlich wurde, beschreiben die Aufseher minutiös was sie unternommen haben, ab wann sie welchen Anfangsverdacht hatten und welche Berichte der Skandalbank sie angefordert haben.

Zwar war die Aufsicht sehr aktiv, aber passiert ist bis Ende 2011, als Draghi zur EZB gewechselt war, wenig. Sogar die sonst sehr positiv gegenüber der Banca d'Italia eingestellte Tageszeitung "La Republica" zerriss deshalb die Bankenaufsicht unter Draghi in dieser Woche in einem Kommentar auf ihrer Titelseite. Sie sei im Falle Monte dei Paschi schlicht "hilflos" gewesen. "Das Dokument ist sicherlich voll von Details, Zahlen und Fakten, aber es ist scheinbar von jemandem geschrieben worden, der nicht in der Lage war, daraus die logischen Konsequenzen zu ziehen."

Doch nicht nur Bankfachleute oder Journalisten stellen sich inzwischen in Italien die Frage, warum Draghis Aufseher so lange nichts gegen die ihnen ja offenbar bekannten Missstände bei Monte dei Paschi unternommen haben. Die Aktionäre der Bank jedenfalls haben von allen Untersuchungen und Indizienketten, aus denen die Aufseher mindestens einen Anfangsverdacht ableiteten und immer mehr Informationen aus Siena anforderten, nichts erfahren. Noch einmal Bankenexperte Penati: "Die Notenbank hat versucht, aus politischen Gründen und um die Finanzmärkte nicht ohne Not zu verunsichern, die Dinge geräuschlos zu regeln. Das mag zwar ein richtiger Ansatz sein, aber man hätte andererseits die Probleme auch zwei Jahre eher lösen können." Inzwischen laufen Untersuchungen gegen die Zentralbank.

"Zwei Jahre hat niemand etwas getan"

Besonders beunruhigend finden Kritiker Draghis und der Banca d'Italia, dass unter den Augen der Aufsicht offenbar riskanteste Derivategeschäfte ablaufen konnten, die letztendlich zu einem massiven Rückgang der Liquidität des Instituts führten. Erst im November 2011 sei eine vertiefte Prüfung dieser Aktivitäten durch die Aufsicht erfolgt. Viel zu spät, findet der frühere Wirtschaftsminister Giulio Tremonti und Dauer-Kritiker Draghis: "Die Zentralbank hat keinen Druck auf Monte dei Paschi ausgeübt. Zwei, drei Jahre hat praktisch niemand etwas getan außer den Staatsanwälten."

Noch denken und sprechen nicht viele Politiker in Italien so über die Vergangenheit von EZB-Chef Draghi, der auf europäischer Ebene mitgeholfen hat, das sein Land ab Sommer 2011 von EZB-Anleihekäufen profitieren konnte und nicht um Finanzhilfe der Euro-Partner bitten musste. Ob der Chor der Draghi-Kritiker lauter wird, bleibt abzuwarten. Fest steht: dem großen Gewinner des Jahres 2012, der mit der Ankündigung potenziell unbegrenzter Anleihekäufe durch die EZB den gordischen Knoten in der Krise durchschlug, steht wegen der Affäre um Monte dei Paschi ein stürmisches Jahr bevor.

(APA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Italien: Wie die älteste Bank der Welt alles verspielte

720 Millionen Euro verlor die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena bei Finanzwetten. Der Skandal mischt den Wahlkampf auf - und bringt Noch-Premier Mario Monti und die Linksdemokraten in die Bredouille.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.