S&P: "Selbst Deals von Kühen hätten ein Rating erhalten"

Selbst Deals Kuehen haetten
Selbst Deals Kuehen haetten(c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Standard & Poor's wird in der Klage des Justizministeriums mit zynischen Mails konfrontiert. Die Analysten wussten, dass ein Crash unausweichlich ist.

"Dieser Deal ist lächerlich", schreibt ein S&P-Analyst einer Kollegin. "Wir sollten ihm kein Rating geben." Sie antwortet zustimmend: "Das Modell erfasst nicht mal die Hälfte des Risikos". Immer mehr Details und Hintergründe über die Bewertungen der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) und das Verhalten deren Mitarbeiter vor Ausbruch der Finanzkrise werden durch die Klagsschrift des US-Justizministeriums bekannt. 

Das Ministerium beschuldigt in der Betrugsklage S&P, die damaligen Risiken bei Hypothekenpapieren verschwiegen und aus reiner Profitgier viel zu gute Ratings verteilt zu haben (>>>mehr dazu). Die Anklageschrift, ein Schmöker auf 128 Seiten, bei einem kalifornischen Bezirksgericht eingereicht und von 16 US-Bundesstaaten mitgetragen, enthüllt, wie Insider lange vor anderen wussten, dass der Crash kommen würde - und trotzdem fleißig weiterzockten, um abzukassieren, schreibt Spiegel Online

Demnach haben die Analysten von S&P ein Verhalten an den Tag gelegt, das an dessen Unanständigkeit wenig Zweifel lasse. Aber das ist nicht die Frage in diesem Fall, der Hintergründe ans Tageslicht bringt, die jedem Investor einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Es geht um ungesetzliches Verhalten. Die US-Regierung ist von einem solchen überzeugt und zitiert eines der drei großen Ratingunternehmen, eben S&P, vor den Kadi.

Aktien brechen ein

Die Anleger haben ihr Urteil schon gesprochen. An der Börse kam es für die beiden führenden Agenturen zu einem regelrechten Ausverkauf: Die Aktien der S&P-Mutter McGraw-Hill brachen am Dienstag mehr als fünf Prozent ein, nachdem sie bereits am Montag, als mit der Klage gerechnet wurde, knapp 14 Prozent an Wert verloren hatten. Dies war der größte Tagesverlust der Rating-Mutter seit dem Börsen-Crash 1987. Moody's-Papiere gaben Dienstag knapp ein Prozent nach, nach fast 11 Prozent am Vortag.

Experten glauben, dass das Verfahren bitter und langwierig werde. Standard & Poor's hat mit John Keker einen der renommiertesten Anwälte der USA angeheuert, um sich gegen die Klage zu verteidigen. Die Berufung erfolgte auf Empfehlung eines weiteren Anwalts von S&P, Floyd Abrams. Dieser nannte die Klage in einem Interview mit dem Wall Street Journal "einfach unvertretbar".

CDO-Markt ein Moster

Auszüge aus dem internen Schriftverkehr von Standard & Poor's unterstützen jedoch deutlich die Meinung der Experten. Denn die S&P-Analysten glaubten scheinbar selbst nicht an die von ihnen vergebenen Bestnoten. Im Zusammenhang mit dem Markt für Collateralized Debt Obligations (CDOs) schrieb ein S&P-Mitarbeiter: "Ratingagenturen erschaffen weiter ein noch größeres Monster - den CDO-Markt". Er hegte auch die Hoffnung, dass sie alle reich und pensioniert seien, wenn dieses Kartenhaus zusammenbreche. Es gab aber auch einen Moralisten unter den S&P-Leuten, der sich später beklagte, dass er sich persönlich nicht wohl dabei fühle, das (Anm.: CDOs) abzusegnen. Eine Analystin meinte, dass jeder Deal ein Rating erhalte, selbst wenn er von Kühen strukturiert wäre.

Ein S&P-Analyst dichtete im März 2007 sogar den Hit "Burning Down the House" der Talking Heads von 1983 um, mit dem Motto: "Wir fackeln die Wall Street ab". Doch hier war die Macht von Standard & Poor's begrenzt, der Hit schaffte es nicht in die Charts.

S&P als Teil eines Systems

Die Immobilienblase war bekanntlich in der Folge nicht mehr aufzuhalten und platzte 2008. Sie zog die Wirtschaftswelt mit in einen Abgrund, von dem sich der Markt in den USA bis heute nicht wirklich erholen konnte. Da aber anders als bei anderen spektakulären Großpleiten sich die Branche offensichtlich nicht nur geirrt, sondern selbst Teil des System war, ist es eine logische Konsequenz, dass S&P dafür juristisch belangt werde. 

Noch ist jedoch unklar, warum sich die US-Regierung nur gegen S&P und nicht gegen Moody's und die dritte große Agentur Fitch wendet, die im Zusammenhang mit der Finanzkrise ebenfalls stark kritisiert wurden. US-Justizminister Eric Holder wehrte sich gegen Mutmaßungen, die Herabstufung der USA durch S&P habe zu der Klage geführt. Da gebe es keine Verbindung, sagte der Minister in Washington.

(red./herbas)

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