Stuttgart21: Aufträge für heimische Baufirmen bedroht

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Wird der umstrittene Bahnhof nicht gebaut, träfe dies Porr, Strabag und Alpine. 1,2 Mrd. Euro der Auftragssumme wären durch einen Projektstopp definitiv bedroht.

Wien/Jaz. Ist das publik gewordene Dossier, wonach es in der deutschen Regierung Bestrebungen gibt, den Bau des Bahnhofs Stuttgart21 zu kippen, nur ein Arbeitspapier einer untergeordneten Abteilung, wie Verkehrsminister Peter Ramsauer sagt, oder nicht? Das war in Berlin am Mittwoch die bestimmende Frage. Wie berichtet, will die Regierung laut diesem Dossier verhindern, dass Stuttgart21 zu einem „Milliardengrab“-Argument für die Opposition im bevorstehenden Wahlkampf wird. Das Projekt könnte deshalb schon demnächst gestoppt werden.

Dies hätte auch große Auswirkungen auf die österreichische Bauwirtschaft, die in Summe Aufträge über 1,8 Mrd. Euro für Stuttgart21 und umliegende Zulaufstrecken erhalten hat. 1,2 Mrd. Euro davon wären durch einen Projektstopp definitiv bedroht. Lediglich an einem Projekt („Albaufstieg“ der Neubaustrecke Ulm–Stuttgart) wird bereits von einem Konsortium von Porr, Oestu-Stettin Leoben, Hinteregger Salzburg und Swietelsky (Wien) gebaut, weshalb es wahrscheinlich auch bei einem Stopp für Stuttgart21 fortgesetzt werden würde.

Das größte Bauvolumen heimischer Firmen hat auch abseits dieses Auftrages Porr. So soll der drittgrößte heimische Baukonzern im selben Konsortium wie beim Projekt Albaufstieg zwei weitere Tunnels im Wert von 700 Mio. Euro bauen. Hinzu kommt noch ein weiterer Auftrag im Ausmaß von 100 Mio. Euro. In Summe machen die Aufträge mit 800 Mio. Euro also mehr als ein Viertel der jährlichen Bauleistung von Porr in Höhe von 2,9 Mrd. Euro aus.

„Alle Arbeiten in Vorbereitung“

„Wir haben aufrechte Verträge, und alle Arbeiten zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Bauarbeiten befinden sich in Vorbereitung“, sagt Porr-Sprecherin Gabriele Al-Wazzan. Sollte das Projekt gestoppt werden, gäbe es Pönalezahlungen, damit Porr nicht auf Kosten sitzen bleibt. Der Umsatz würde aber klarerweise fehlen.

Ebenfalls einen Großauftrag hat der heimische Branchenprimus Strabag in der Tasche – in Höhe von 300 Mio. Euro. Im Verhältnis zur Jahresbauleistung von 14,3 Mrd. Euro ist die Bedeutung für die Strabag jedoch geringer. Das Gleiche gilt für den zweitgrößten Baukonzern, die Salzburger Alpine: Sie hat in einem Konsortium einen Auftragsanteil von rund 90 Mio. Euro.

Stuttgart21 ist das Großprojekt eines unterirdischen Bahnhofes samt neuer Anschlussstrecken. Das Projekt sollte bei Aufkommen der ersten Idee im Jahr 1995 Kosten von 2,45 Mrd. Euro verursachen. Inzwischen wurde diese Zahl auf 5,6 Mrd. Euro nach oben korrigiert. Im schlechtesten Fall geht das Projektmanagement sogar von 11,3 Mrd. Euro aus.

Die hohen Kosten und Umweltschutzgründe sorgten im September 2010 für große Proteste gegen das Projekt. Am sogenannten Schwarzen Donnerstag wurden damals über 100 Personen zum Teil schwer verletzt. Da darunter auch viele „normale“ Bürger waren, entfachte dies eine große Diskussion in Deutschland. Bei einer Volksabstimmung ein Jahr später stimmten jedoch 58,8Prozent der Befragten für Stuttgart21.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2013)

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