"Ausgeliefert!": Das System Amazon

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Wenn Amazon vor Weihnachten Arbeitskräfte braucht, werden Leiharbeiter aus ganz Europa herangekarrt. Sie werden ständig überwacht.

Weihnachten bei Amazon. 5000 Leiharbeiter aus ganz Europa werden für drei Monate nach Deutschland gekarrt, in Motels und heruntergekommenen Feriendörfern eingepfercht. In düsteren Bildern beschreibt die Reportage "Ausgeliefert!" (=> zum Video) des deutschen Fernsehsenders ARD anhand des Schicksals der spanischen Leiharbeiterin Silvina das System Amazon.

Um die Auftragswelle vor Weihnachten bewältigen zu können, setzt der Versandhändler Amazon auf Leiharbeiter. So sind im Logistikzentrum im deutschen Koblenz von 3300 Mitarbeitern 3100 befristet beschäftigt. Insgesamt ist zu Weihnachten weniger als ein Viertel der Arbeiter bei Amazon fix beschäftigt. Die Arbeiter verdienen pro Stunde neun Euro brutto wenn sie direkt bei Amazon beschäftigt sind, 8,52 Euro sind es, wenn sie über Leiharbeitsfirmen beschäftigt werden. Sie sind unter anderem in einem insolventen Feriendorf untergebracht.

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"Eingesammelt" werden die Mitarbeiter durch Arbeitsagenturen und Leiharbeitsfirmen. Der Spanierin Silvina wurde ursprünglich eine Beschäftigung direkt bei Amazon zugesagt. Kurz vor Arbeitsantritt wurde ihr mitgeteilt, dass sie über die in Österreich gegründete Leiharbeitsfirma Trenkwalder beschäftigt wird. Und weniger verdient, als ursprünglich vereinbart. Den Transport der Leiharbeiter unternimmt ein eigenes Logistik-Unternehmen, die CoCo-Touristik.

Sicherheitsfirma H.E.S.S.

In einer der Arbeiter-Unterkünfte hat sich das Reportage-Team von ARD eingemietet. Die Journalisten Diana Löbl und Peter Onneken berichten von Sicherheitsteams in der Unterkunft, die jederzeit in die Wohnbereiche der Arbeiter eindringen und diese durchsuchen dürfen. Und das auch tun. Nach Angaben einer Leiharbeiterin sogar, während sie schlief. Fix festgelegt sind für die Dienstnehmer auch die Einkaufs- und Essenszeiten (es gibt ausschließlich kaltes Essen). Kleidung und Taschen dürfen ebenfalls jederzeit durchsucht werden. Das soll der Einschüchterung dienen, mutmaßt ARD. Die Sicherheitsteams tragen unter anderem Gewand der Marke "Thor Steinar". Bei Recherchen stoßen die deutschen Journalisten auf Verbindungen der Sicherheitsfirma zur rechten Szene. Der Name des Unternehmens: H.E.S.S..

Nachdem die Reporter eine Thor-Steinar-Jacke eines Sicherheitsmitarbeiters fotografiert haben, werden sie von einer Gruppe von H.E.S.S. bis zum Hotelzimmer verfolgt. Als sie der Aufforderung, die Film- und Fotoaufnahmen auszufolgen, nicht nachgehen, werden sie nicht aus dem Zimmer gelassen. Erst unter Polizeischutz dürfen sie abreisen.

Überfüllte Busse

Die Arbeiter werden zur Schicht mit Bussen gebracht, die chronisch überfüllt sind. Wenn ein Bus - auch ohne Verschulden der Arbeiter - zu spät kommt, wird das Gehalt gekürzt. Oft müssen sie stundenlang in der Kälte auf ihren Bus warten.

Die spanische Kunstlehrerin und dreifache Mutter Silvina ist eine der 3000 Leiharbeiter. Sie war bereit, der ARD-Team über die Zustände bei Amazon zu berichten. Drei Tage vor Weihnachten wird sie ohne Ankündigung entlassen. Sie muss binnen 24 Stunden abreisen.

Amazon rechtfertigt sich angesichts der Vorwürfe wie folgt: Das Unternehmen habe den Sicherheitsdienst H.E.S.S. nicht selbst beauftragt, weiters stimmen die Vorwürfe teilweise nicht. Und: "Unser Ziel ist es, Bestellungen unserer Kunden jederzeit schnell und zuverlässig auszuliefern. Das geht nur mit zufriedenen Mitarbeitern - unabhängig davon, ob sie langfristig beschäftigt, saisonal angestellt oder uns über eine Zeitarbeitsfirma unterstützen. Sie können sicher sein, dass wir jedem Vorfall in unseren Logistikzentren und im Umfeld, der uns von Mitarbeitern zur Kenntnis gebracht wird, nachgehen und bei Bedarf umgehend Verbesserungen einleiten."

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