Deutsche Arbeitsministerin will von Amazon Aufklärung

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Der Versandriese soll Leiharbeiter unter schlechten Bedingungen beschäftigen. Rekrutiert haben soll auch der österreichische Konzern Trenkwalder.

Der Internet-Versandhändler Amazon ist in Deutschland wegen der Arbeitsbedingungen in seinen Versandzentren unter Beschuss. Auslöser war eine am Mittwoch ausgestrahlte ARD-Dokumentaion über den teils erschütternden Alltag tausender Leiharbeiter, die von Spanien oder Polen nach Deutschland kommen und dort viel weniger verdienen als erhofft. Für die Rekrutierung der Beschäftigten ist unter anderem die österreichische Firma Trenkwalder zuständig - bei dem Unternehmen war am Sonntag für die APA vorerst niemand zu erreichen. Die ARD-Doku hat in Deutschland Politiker sogar auf den Plan gerufen.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte in der "Welt am Sonntag" Aufklärung. "Der Verdacht wiegt schwer, deswegen müssen jetzt so schnell wie möglich alle Fakten auf den Tisch", wird sie zitiert. Eine Sonderprüfung laufe, in Kürze werde der Bericht vorliegen. Die Ministerin drohte der betroffenen Firma sogar mit Lizenzentzug. "Sollte die Sonderprüfung ergeben, dass an den Vorwürfen gegen die Leiharbeitsfirma etwas dran ist, dann steht die Lizenz auf dem Spiel."Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte nach Angaben der Staatskanzlei in Wiesbaden Aufklärung. Die Landesregierung sei für den Fall nicht zuständig, werde aber die Arbeit der zuständigen Bundesagentur verfolgen.

Leiharbeiter "faktisch rechtlos"

Die ARD-Sendung hatte die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern am hessischen Amazon-Standort Bad Hersfeld gezeigt (>>>mehr dazu).

Im Hessischen Rundfunk berichtete die Autorin des ARD-Beitrags, Diana Löbl, weiter, die ausländischen Arbeitnehmer würden sich nicht beschweren. "Ein Gewerkschaftssekretär sagte zu uns, die Leiharbeiter seien faktisch rechtlos." Sie lebten nur für einige Wochen in Deutschland, die Arbeitsbedingungen seien ihnen auch ziemlich egal. Co-Autor Peter Onneken sagte: "Die Leiharbeiter tauchen auch in unserem Alltag nicht auf, etwa in einer Fußgängerzone. Sie leben in Feriendörfern, die im Winter sonst völlig verwaist wären. Es ist, als wären sie gar nicht da."

Amazon erklärte in der "Welt am Sonntag", das Management gehe jedem bekannt gewordenen Vorfall nach und sorge nach Bedarf für Verbesserungen. Im selben Blatt erklärte der für Amazon zuständige Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Heiner Reimann, Amazon sei so schnell gewachsen, dass das Unternehmen mit der nötigen Infrastruktur nicht nachgekommen sei: "Toiletten, Kantinen, die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr: Alles ist dieser schieren Masse zusätzlicher Menschen nicht gewachsen."

Zeitarbeit-Branchenverband distanziert sich

Der Chef des deutschen Zeitarbeit-Branchenverbandes BAP, Volker Enkerts, teilte indes mit, kein Mitgliedsunternehmen sei im Fall Amazon für Unterbringung und Verpflegung der Arbeitnehmer verantwortlich gewesen. Auch sei von keinem BAP-Mitglied die Sicherheitsfirma H.E.S.S. beauftragt worden. Der BAP distanziere sich auf das Schärfste von den dargestellten Arbeitsbedingungen.

>>> Reaktionen: Shitstorm auf Twitter

(APA/Reuters/dpa)

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